OGH 2Ob112/00k

OGH2Ob112/00k28.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg. Gen. m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Harald Mlinar, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, wider die beklagten Parteien 1.) Christian K*****, 2.) Rudolf K*****, und 3.) Ursula S*****, die drittbeklagte Partei vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed und andere, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 1,535.104,60 s. A., über die Rekurse der klagenden und der drittbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2000, GZ 3 R 326/99x-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan, vom 19. Oktober 1999, GZ 1 C 1282/99k-14, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei räumte am 16. 3. 1994 dem Erstbeklagten einen bis zum Betrag von S 1,500.000,- ausnützbaren Kontokorrentkredit mit Laufzeit bis zum 15. 3. 1999 ein. Die Drittbeklagte bestellte die in ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaften EZ 2***** und EZ 2***** KG W*****, mit einem Höchstbetrag von S 1,950.000,- zum Pfand.

Nach Fälligkeit des Kredites reichte die klagende Partei gegen den Erstbeklagten als Kreditschuldner, den Zweitbeklagten als Bürgen und die Drittbeklagte als Pfandbestellerin Klage über S 1,535.104,60 ein. Gegen den Erst- und den Zweitbeklagten erwuchs ein Versäumungsurteil in Rechtskraft.

Per 14. 2. 1994 hatte der Erstbeklagte als Privatperson bei der klagenden Partei offenen Verbindlichkeiten aus vier Kreditkonten in Höhe von insgesamt S 1,058.000,-, wobei es sich sowohl um Abstattungs- als auch um Kontokorrentkredite mit einer weiteren Laufzeit von 3 bis 4 Jahren handelte. Diese Kredite waren durch Bürgschaften der Mutter des Erst- und des Zweitbeklagten, durch Bürgschaften des Zweitbeklagten, durch die Verpfändung einer Lebensversicherung sowie durch einen Finanzwechsel des Vaters des Erst- und Zweitbeklagten besichert. Der Rahmen sämtlicher Kredite war zu diesem Zeitpunkt um insgesamt S 17.000,- überzogen. Maßnahmen wie zB Fälligstellung oder Klagseinbringung waren von der klagenden Partei damals nicht vorgesehen.

Anfang 1994 führte der Erstbeklagte Gespräche mit dem Geschäftsführer der klagenden Partei zur Finanzierung eines Projektes zum Ankauf, Ausbau und Weiterverkauf von Dachböden in Wien. Die klagende Partei erklärte sich mit der Gewährung eines erhöhten Kreditrahmens unter der Bedingung der Zusammenfassung der bereits bestehenden Kreditkonten und der Beibringung entsprechender (neuer) Sicherheiten einverstanden. Nach der später tatsächlich ausgestellten Krediturkunde war allerdings die Rückführung eines größeren Teiles des Obligos aus den bereits bestehenden Krediten aus dem erweiterten Kreditrahmen vorgesehen.

Etwa zur selben Zeit lernte der Erstbeklagte in Graz die Drittbeklagte kennen und machte dieser den Vorschlag, sich an seinem Projekt betreffend den Ankauf, Ausbau und anschließendem gewinnbringendem Verkauf von Dachböden in Wien zu beteiligen. Ankauf und Ausbau sollten fremdfinanziert werden. Der Erstbeklagte bot der Drittbeklagten eine Gewinnbeteiligung an, wenn sie für diese Fremdfinanzierung Sicherheiten zu Verfügung stelle. Nach Besichtigung der in Aussicht genommenen Dachböden in Wien Anfang 1994 erklärte sich die Drittbeklagte bereit, ihre Liegenschaften gegen Gewinnbeteiligung zum Pfand zu bestellen. Sie wusste, dass der Erstbeklagte Schulden hatte, erkundigte sich aber nicht näher darüber.

Der Erstbeklagte legte der klagenden Partei daraufhin Unterlagen und Fotos über die Liegenschaften der Drittbeklagten vor, die klagende Partei akzeptierte diese - nach Löschung einer intabulierten Leibrente - als Sicherheiten.

Mit Kreditvertrag vom 16. 3. 1994 räumte die klagende Partei dem Erstbeklagten einen bis zu S 1,500.000,- ausnützbaren Kontokorrentkredit mit Laufzeit bis zum 15. 3. 1999 ein. Als Verwendungszweck wurde auf der Vertragsurkunde "laufender Betriebsmittelkredit und Abdeckung von Verbindlichkeiten" angeführt. Eine Pfandurkunde wurde von der klagenden Partei ausgefüllt, vom Erstbeklagten nach Graz gebracht und dort von der Drittbeklagten unterfertigt. Im Zuge der Unterfertigung des Pfandvertrages kam es weder zu persönlichem noch zu telefonischem Kontakt zwischen der klagenden Partei und der Drittbeklagten. Die Drittbeklagte nahm keine Einsicht in die dem Pfandbetrag zugrundeliegende Kreditvertragsurkunde und las auch jenen Passus des Pfandvertrages nicht, wonach sich die Haftung außer für den am 16. 3. 1994 gewährten Kredit auch auf bereits bestehende sowie zukünftige, im Inland beurkundete Darlehen, Geld-, Haftungs- oder Garantiekredite erstrecke.

Als weitere Besicherung des gegenständlichen Kredites übernahm der Zweitbeklagte die Haftung als Bürge und Zahler. Er wurde im Zuge dieser Übernahme von der klagenden Partei vor der schlechten finanziellen Situation des Erstbeklagten gewarnt.

Nach Genehmigung des Kontokorrentkredites durch die klagende Partei wurde der gewährte Kreditrahmen - wie vereinbart - mit einem Betrag von S 809.700,- zur Abdeckung dreier der vier bestehenden Kreditverhältnisse ausgeschöpft, der Rest von S 690.300,- verblieb dem Erstbeklagten (abzüglich der zu entrichtenden Spesen und Gebühren) zur freien Verfügung. Der Erstbeklagte verfügte darüber in anderer Weise als zum Ankauf von Dachböden.

Mit Scheiben vom 23. 1. 1995 an den Erstbeklagten stellte die klagende Partei aufgrund unregelmäßiger Rückzahlung der auflaufenden Kreditzinsen den Kredit fällig. Da bis 4. 8. 1994 der Saldo nach wie vor unberichtigt aushaftete, forderte die klagende Partei unter gleichzeitiger Androhung gerichtlicher Schritte die Drittbeklagte auf, Vorschläge zur Rückzahlung zu unterbreiten. Die Drittbeklagte bot daraufhin eine einmalige Zahlung von S 150.000,- sowie monatliche Raten von S 15.000,- an. Am 31. 8. 1994 erfolgte die tatsächliche Einzahlung von S 150.000,- durch den Erstbeklagten, woraufhin die klagende Partei die vorgeschlagenen Raten - unter Hinweis auf die Fälligkeit des Gesamtsaldos per 15. 3. 1999 - akzeptierte.

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. 10. 1996 wurde der Erstbeklagte des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB zum Nachteil der Drittbeklagten für schuldig befunden, weil er diese durch die Behauptung, Dachböden in Wien über eine teilweise Kreditfinanzierung kaufen und ausbauen zu wollen, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Verpfändung ihrer Liegenschaften verleitet hatte, was sie am Vermögen im Betrag von S 1,950.000,-

schädigte, und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Schreiben vom 15. 12. 1998 an den Erstbeklagten, den Zweitbeklagten und die Drittbeklagte forderte die klagende Partei den rückständigen Zinsbetrag für die ersten drei Quartale 1998 ein. Die Drittbeklagte leistete daraufhin eine Zahlung von S 150.000,- mit dem Vorbehalt, dass sie damit lediglich die sofortige Fälligstellung des Kredites verhindern wolle.

Bei Ende der Laufzeit haftete der gegenständliche Kredit mit einem Saldo per 31. 1. 1999 von S 1,535.104,60.

Diesen Betrag begehrte die die klagende Partei mit ihrer am 4. Juni 1999 eingebrachten Klage bei sonstiger Exekution in die von der Drittbeklagten vertraglich verpfändeten Liegenschaften. Bezogen auf die Drittbeklagte führte die klagende Partei im Wesentlichen aus, das diese als Sicherheiten für den an den Erstbeklagten gewährten Kontokorrentkredit von S 1,500.000,- die gegenständlichen in ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaften mit einem Höchstbetrag von S 1,950.000,- zum Pfand gestellt habe, dieses Pfandrecht sei einverleibt worden. Der Kredit sei vom Erstbeklagten zur Gänze ausgenützt worden, zusammen mit den angelaufenen Zinsen ergebe sich der Klagsbetrag.

Die Drittbeklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte zusammengefasst vor, dass die klagende Partei die ihr obliegende Aufklärungspflicht betreffend die schlechte wirtschaftliche Situation des Erstbeklagten verletzt habe. Diese habe sie als Hausbank gekannt oder habe sie zumindest kennen müssen. Auch habe die Drittbeklagte den Inhalt der zwischen den Erstbeklagten und der klagenden Partei geführten Kreditgespräche nicht gekannt, sie sei vielmehr davon ausgegangen, Sicherheit für die Fremdfinanzierung nur für den Ankauf von Dachböden in Wien zu leisten, da der Erstkläger nur deswegen an sie herangetreten sei. In Wirklichkeit seien mit dem von der klagenden Partei gewährten Kredit fast nur Altlasten des Erstbeklagten abgedeckt worden, wobei schon im Zeitpunkt der Kreditgewährung aufgrund der schlechten finanziellen Lage des Erstbeklagten festgestanden sei, dass die Drittbeklagte Zahlung leisten werden müsse. Das Verhalten der klagenden Partei insgesamt sei daher arglistig und die Drittbeklagte somit den Vertrag zu halten nicht verbunden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte rechtlich dazu im Wesentlichen aus, dass die Drittbeklagte der klagenden Partei mangels Zahlung durch den Hauptschuldner aus dem Pfandvertrag hafte. Der klagenden Partei könne im Hinblick auf die Feststellungen betreffend die Fälligstellung des Kredites kein Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden. Darüber hinaus habe die klagende Partei gegenüber der Drittbeklagten keine Aufklärungs- oder Warnpflichten verletzt. Es bestehe keine allgemeine Rechtspflicht einer Bank, den Interessenten über alle Umstände auf Seiten des Kreditnehmers solcherart aufzuklären, dass ein Risiko aus der Pfandbestellung für den Interzedenten auszuschließen sei. Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Diskretion im Bankgeschäft habe der Interzedent seine Interessen primär selbst zu wahren. Diese Eigenverantwortung sei gerade im gegenständlichen Fall gegeben, da die Drittbeklagte von Schulden des Erstbeklagten gewusst, sich aber nicht näher erkundigt habe, was ihr selbst anzulasten sei. Des weiteren hätte sie bei Durchsicht der Pfandurkunde entnehmen können, dass das Pfandrecht auch zur Sicherstellung bereits bestehender Verbindlichkeiten herangezogen werden könne. Es könne von der klagenden Partei nicht erwartet werden, jeden Sicherungsgeber von sich aus zu kontaktieren, die Motive für die Interzession zu erforschen und demnach Sicherheiten zu akzeptieren oder nicht. Vielmehr könne die klagende Partei davon ausgehen, dass die Drittbeklagte die Pfandurkunde sorgfältig durchgelesen habe. Auch aus der tatsächlichen Warnung des Zweitbeklagten könne nicht auf eine Verpflichtung hiezu geschlossen werden. Eine solche hätte nur bestanden, wenn die Bank vom wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners gewusst habe, was sich aus den Feststellungen aber gerade nicht ergebe. Ebenso wenig sei der § 25c KSchG im gegenständlichen Fall heranzuziehen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, dass gemäß §§ 870, 871 ABGB jemand, der durch Irrtum bzw. List oder ungerechte und begründete Furcht zum Abschluss eines Vertrages veranlasst worden sei, diesen zu halten nicht verbunden sei. Unter List verstehe man die bewusste Täuschung, wobei darunter nicht bloß die aktive Irreführung falle, sondern auch Schweigen, wenn eine Pflicht zur Aufklärung bestanden habe, welche verletzt wurde und stattdessen der Irrtum bewusst ausgenützt werde. Gemäß § 875 ABGB sei dann, wenn vertragsschließende Teile von einem Dritten durch List oder Furcht zum Vertrag bewogen oder zu einer irrtümlichen Erklärung veranlasst worden sei, der Vertrag gültig, es sei denn, der andere Teil habe an der Handlung des Dritten teilgenommen oder habe davon offenbar wissen müssen.

Dritter sei allerdings nur, wer nicht Bevollmächtigter, Vermittler, Verhandlungsführer oder -gehilfe, Stellvertreter oder Bote sei. Bewirkten solche Personen einen Willensmangel, so sei dies der Partei, für welche sie tätig geworden seien, zuzurechnen. Eine Sonderstellung nehme jener Fall ein, dass der den Irrtum Veranlassende vom Erklärungsempfänger mit der Führung von Vertragsverhandlungen beauftragt gewesen sei und sie für ihn, wenn auch ohne Vollmacht, geführt habe. Der Schuldner, der auf Veranlassung des Gläubigers mit seinem Bekannten wegen Übernahme einer Bürgschaft verhandle, sei allerdings nicht schon deshalb Verhandlungsbeauftragter des Gläubigers, weil der Gläubiger ihn zu den Verhandlungen veranlasst und ein dem des Schuldners gleichgerichtetes Interesse daran habe, dass der Bekannte die Bürgschaft übernehme. Dem Gläubiger, der von seinem notleidend werdenden Schuldner eine Bürgschaft verlange, liege in der Regel nichts ferner, als den Schuldner zur Person seines Vertrauens zu machen. Habe der Bürge daher bei den Bürgschaftsverhandlungen den Zusicherungen des Schuldners vertraut, so könne er sich grundsätzlich nur an ihn halten. Eine Haftung des Gläubigers werde noch nicht alleine dadurch begründet, dass er den Schuldner zur Einholung einer Unterschrift verwendet habe.

Gemäß § 1313a ABGB hafte, wer einem anderen zur Leistung verpflichtet sei, diesem für das Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung bediene, wie für sein eigenes. Erfüllungshilfe sei auch, wer für seinen Geschäftsherren einen Vertragsabschluss vorbereite.

Grundsätzlich sei eine Bank nicht verpflichtet, einen Bürgen vor dem Abschluss eines Bürgschaftsvertrages über die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers aufzuklären. Eine Warnpflicht sei jedoch ausnahmsweise anzunehmen, wenn die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kreditnehmers habe, von vornherein wisse, dass der Hauptschuldner den Kredit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht werde zurückzahlen können und die Bank erkenne, dass der Bürge davon nichts wisse. Weiters habe die Bank mitzuteilen, wenn der zu sichernde Kredit zur Abdeckung eines bei der Bank selbst bereits notleidend gewordenen Kredites verwendet werde.

§ 25c KSchG sei im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.

Aus diesen Grundsätzen ergebe sich, dass der klagenden Partei die arglistige Irreführung der Drittbeklagten durch den Erstbeklagten nicht zugerechnet werden könne. Der Erstbeklagte sei in Wahrheit nicht nur im eigenen und im Interesse der klagenden Partei, sondern - abgesehen vom Eigeninteresse - sowohl im Interesse der klagenden Partei als auch im Interesse der Drittbeklagten tätig geworden, er könne daher gleichsam als "gemeinsamer Erfüllungsgehilfe" angesehen werden.

Zu prüfen bleibe daher, ob die klagende Partei selbst arglistig irregeführt oder sonstige Verletzungen ihrer Aufklärungspflichten begangen habe. Um das beurteilen zu können, seien noch ergänzende Feststellungen zur wirtschaftlichen Lage des Erstbeklagten, und dazu, ob die klagende Partei erkannt habe oder erkennen habe müssen, dass die Drittbeklagte von der bedrohlichen Situation nichts gewusst habe sowie dazu, ob die Drittbeklagte bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes des Pfandbestellungsvertrag geschlossen hätte, nötig.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, ob und für welche Partei ein Kreditnehmer, der die vorbereitenden Gespräche zum Abschluss eines seinen Kredit sichernden Pfandbestellungsvertrages mit dem Pfandgeber einerseits und dem Pfandnehmer andererseits alleine geführt hat, "als Erfüllungsgehilfe iSd § 1313a ABGB" angesehen werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich auch der Rekurs der Drittbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Berufung der Drittbeklagten Folge gegeben und das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen werde; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sowohl die klagende Partei als auch die Drittbeklagte beantragten, dem gegnerischen Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Rekurse sind zulässig, weil das Berufungsgericht in seiner Entscheidung - wie gleich aufzuzeigen sein wird - von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind jedoch nicht berechtigt.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist eine Zurechnung des (arglistigen) Verhaltens des Erstbeklagten der klagenden Partei als Verhandlungsgehilfe nicht undenkbar, wenn auch für eine abschließende Beurteilung die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen:

Die Anfechtung eines Vertrages wegen Arglist setzt voraus, dass die arglistige Veranlassung zum Vertragabschluss "von dem anderen Teil", also vom Vertragspartner, bewirkt worden ist. Verlangt wird damit aber nicht immer persönliches Handeln des Vertragspartners. Erfolgt die arglistige Veranlassung zum Vertragsabschluss durch einen Dritten, dann ist der Vertrag gültig; nur in dem Falle, dass der andere Teil an der Handlung des Dritten teilnahm oder von derselben offenbar wissen musste, kommt eine Anfechtung des Vertrages in Frage (§ 875 ABGB). Eine Person, deren sich ein Teil im Rahmen der Verhandlungen als Gehilfe bedient, ist allerdings nicht Dritter iSd § 875 ABGB. Als solche Person kommt in Betracht, wer auf der Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäftes mitgewirkt hat (SZ 44/59; Rummel in Rummel, ABGB**2 Rz 2 zu § 875). Der den Irrtum Veranlassende muss vom Gegner jedenfalls mit der Verhandlungsführung beauftragt sein (SZ 49/13, Rummel aaO), erst recht reicht Vertretereigenschaft (SZ 54/88, Rummel aaO mwN). In SZ 44/59 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Schuldner, der auf Veranlassung des Gläubigers mit seinem Bekannten wegen Übernahme einer Bürgschaft verhandelt, nicht schon deshalb Verhandlungsbeauftragter des Gläubigers ist, weil der Gläubiger ihn zu den Verhandlungen veranlasst hat und ein dem Schuldner gleichgerichtetes Interesse daran hat, dass der Bekannte des Schuldners die Bürgschaft übernimmt. Eine Haftung des Gläubigers wird auch nicht dadurch begründet, er den Schuldner als Boten zur Einholung einer Unterschrift verwendet. Anders ist es aber, wenn der Gläubiger den Schuldner dennoch durch einen Verhandlungsauftrag dem Bürgen gegenüber zum "Mann seines Vertrauens" erklärt hat. Das wird vor allem gesagt werden können, wenn der Gläubiger selbst ein über den mit jedem Bürgschaftsvertrag begrifflich verbundenen Sicherungszweck hinausgehendes Interesse an der Abgabe der Bürgschaftserklärung hatte; überließ er unter diesen Umständen dem Schuldner Verhandlungen über die Bürgschaft dem Schuldner und führte dieser dann einen Irrtum des Bürgen herbei, kann dieser sich darauf berufen. Ein solches besonderes Interesse hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung darin gesehen, dass der Schuldner den Bürgen nicht bloß zur Besicherung eines neuen Kreditvertrages suchte, den ihm der Gläubiger bereits zugesagt hatte, sondern auch zur Besicherung bereits eingeräumter Kredite, die der Gläubiger als nicht mehr genügend gesichert ansah. Erforderlich ist daher, dass der Geschäftsherr den Gehilfen zur Verfolgung eigener Interessen herangezogen hat (SZ 67/136; Wilhelm, Verhandlungsgehilfe, ecolex 1990, 17).

Im vorliegenden Fall war zwischen der klagenden Partei und dem Erstbeklagten (Schuldner) vereinbart, dass der überwiegende Teil des zu besichernden Kreditverhältnisses dazu dienen sollte, bereits bestehende Verbindlichkeiten des Erstbeklagten bei der klagenden Partei abzudecken. Eine Besicherung für jeden Teil zu erlangen, lag also im Verhältnis zwischen klagender Partei und Drittbeklagter ausschließlich im Interesse der klagenden Partei. Für den Erstbeklagten war der Absicherung der bereits bestehenden Verbindlichkeiten nur insoweit von Bedeutung, als er einen erweiterten Kreditrahmen anstrebte und die klagende Partei einen solchen nur unter der Bedingung der Beibringung von Sicherheiten auch im Umfang der bereits bestehenden Verbindlichkeiten zugesagt hatte. Dies zeigt, dass die Interessen der klagenden Partei und des Erstbeklagten nicht vollständig gleichgerichtet waren: Während es dem Erstbeklagten ausschließlich darum ging, seinen Kreditrahmen auszuweiten, nahm die klagende Partei dies zum Anlass, bereits bestehende Verbindlichkeiten neu zu besichern. Ein gleichgerichtetes Interesse des Erstbeklagten an der Absicherung des neuen Kreditverhältnisses bestand also nur insoweit, als das beizubringende Pfand (auch) die Erhöhung des Kredites absichern sollte. Hingegen lag die Besicherung der anlässlich der vereinbarten Umschuldung auf den neuen Kredit zu übertragenen Altschulden allein im Interesse der klagenden Partei.

Unter diesen Umständen kann der Erstbeklagte, als er die von der klagenden Partei vorbereitete Pfandurkunde überbrachte und somit für sie tätig wurde, keineswegs als unbeteiligter Dritter angesehen werden. Er war vielmehr insoweit für die klagende Partei als Verhandlungsgehilfe tätig, weswegen sich diese das Verhalten des Erstbeklagten im Sinne der obigen Ausführungen zurechnen lassen muss.

Der Erstbeklagte klärte die Drittbeklagte nicht auf, dass der überwiegende Teil des von ihr durch Pfand besicherten Kreditverhältnisses zur Abdeckung seiner bei der klagenden Partei bereits bestehenden Kreditverbindlichkeiten verwendet werden sollte, obwohl dies die klagende Partei von Anfang an klar gestellt hatte, er es also wusste. Dennoch ließ er die Drittbeklagte in dem Glauben, dass die Sicherheit für die Fremdfinanzierung des Projektes "Ankauf, Ausbau und Verkauf von Dachböden in Wien gegen Gewinnbeteiligung" leiste.

List ist bewusste Täuschung (WBl 1987, 345; EvBl 1996/8 ua). Eine bewusste Täuschung liegt vor, wenn der Vertragspartner durch vorsätzliche Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Tatsachen in Irrtum geführt oder in seinem schon vorliegenden Irrtum belassen oder bestärkt und dadurch zum Vertragsabschluss bestimmt wird (JBl 1990, 175; JBl 1982, 36 ua). Die Drittbeklagte wurde demnach vom Erstbeklagten bewusst durch Erweckung unrichtiger Vorstellungen über die Verwendung des zu besichernden Kredit zur Einwilligung in die Pfandbestellung gebracht.

Dass die Drittbeklagte die Pfandbestellungsurkunde nicht durchgelesen hat und deshalb vom genauen Inhalt keine Kenntnis erlangte, ist im konkreten Fall unbeachtlich. Grundsätzlich wird zwar auch der Inhalt einer ungelesenen Urkunde zum Erklärungsinhalt des Unterschreibenden, hat jedoch der Unterschreibende eine klare (abweichende) Vorstellung vom Inhalt der Urkunde, so ist er zur Anfechtung wegen Irrtums berechtigt (Koziol/Welser11, S 130 f mwN), wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Hier hatte die Drittbeklagte durch das arglistige Verhalten des Erstbeklagten eine abweichende Vorstellung - nämlich dass sie lediglich Sicherheit für die Kreditfinanzierung des besprochenen Projektes leiste - vom Inhalt der Pfandbestellungsurkunde. Die Pfandbestellungsurkunde nimmt Bezug auf den zwischen dem Erstbeklagten und der klagenden Partei am 16. 3. 1993 geschlossenen Kreditvertrag und dieser sah als Verwendungszweck der zur Verfügung gestellten Mittel "laufender Betriebsmittelkredit und Abdeckung von bestehenden Verbindlichkeiten" vor. Über einen solchen Verwendungszweck des Kredites befand sich der Drittbeklagte in einem - vom Erstbeklagten arglistig herbeigeführten - Irrtum, als sie die Pfandurkunde ungelesen unterfertigte.

Da - anders als bei bloßem Irrtum - das Gesetz bei listiger Irreführung nicht zwischen Geschäfts- und Motivirrtum oder zwischen wesentlichem und unwesentlichem Irrtum (Dittrich/Tades, ABGB35, § 870 E 18 mwN) unterscheidet, kann die Abgrenzung, ob es sich bei dem Irrtum der Drittbeklagten um einen Motiv oder Geschäftsirrtum handelte, im vorliegenden Fall unterbleiben.

Der durch List hervorgerufene Irrtum muss kausal für den Abschluss des Vertrages gewesen sein, d. h. dass ohne Irrtum das Geschäft nicht abgeschlossen worden wäre (Rummel in Rummel, ABGB3 Rz 3 zu § 870). Die Beurteilung erfolgt nach dem hypothetischen Parteiwillen; nur wenn dieser konkret nicht bestimmbar ist, nach objektiver verständiger Würdigung des Falles (SZ 53/108; JBl 1990, 175 ua). Das Erstgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Drittbeklagte bei Kenntnis der wahren Sachlage - nämlich dass der von ihr zu besichernde Kredit zu einem Großteil der Abdeckung von Altschulden und nicht dem Ankauf von Dachböden verwendet dienen sollte - den Pfandbestellungsvertrag überhaupt oder in zumindest mit abweichenden Inhalt geschlossen hätte, es werden daher auch hiezu vom Erstgericht nach Verfahrensergänzung entsprechende Feststellungen zu treffen sein.

Zur Aufklärungs- und Warnpflicht der klagenden Partei gegenüber der Drittbeklagten wird auf die insofern zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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