Normen
Kriegsopferversorgungsgesetz §38 Abs2
Kriegsopferversorgungsgesetz §55a Abs1
Kriegsopferversorgungsgesetz §38 Abs2
Kriegsopferversorgungsgesetz §55a Abs1
Spruch:
Keine sachliche Kongruenz der nach dem Unfallstode des zweiten Ehegatten wieder auflebenden Kriegsopferrente nach dem ersten Ehegatten mit dem Schadenersatzanspruch der Witwe wegen Tötung des zweiten Gatten
OGH 25. April 1974, 2 Ob 111/74 (OLG Graz 1 R 150/73; LGZ Graz 23 Cg 447/72)
Text
Die Witwe Stefanie S bezog nach ihrem im zweiten Weltkrieg gefallenen Ehemann Karl D auf Grund der Bestimmungen des KOVG eine Witwenrente. Infolge Wiederverehelichung mit Josef S am 9. Juli 1960 wurde diese Witwenrente mit 31. Juli 1960 eingestellt. Gemäß § 38 KOVG wurde der Stefanie S die Witwenrente mit dem fünffachen Jahresbetrag abgefertigt.
Am 13. März 1970 wurde Josef S, als er als Fußgänger die W-Straße in Graz bei Dunkelheit überqueren wollte, von dem vom Erstbeklagten gelenkten und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW niedergestoßen und tödlich verletzt. Der Erstbeklagte wurde deswegen des Vergehens nach § 335 StG schuldig gesprochen. Das Strafgericht legte ihm zur Last er habe unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr zu fordernden Vorsicht den Vorgängen vor ihm auf der Fahrbahn nicht die gehörige Aufmerksamkeit geschenkt und die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges nicht rechtzeitig herabgesetzt.
Josef S war Pensionist. Stefanie S bezieht nach seinem Ableben von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Witwenpension.
Mit Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt Graz vom 2. September 1970 wurde Stefanie S gemäß § 38 Abs. 2 und § 35 Abs. 2 KOVG ab 1. April 1970 die Witwengrundrente wieder zuerkannt. Diese beträgt seit 1. Jänner 1973 505 S monatlich.
Gestützt auf § 55a Abs. 1 KOVG begehrt die Klägerin (Republik Österreich), die ein Mitverschulden des getöteten Josef S im Ausmaß von einem Viertel von vornherein in Rechnung stellt, von den Beklagten zur ungeteilten Hand den Rückersatz der der Stefanie S in der Zeit vom 1. April 1970 bis 30. September 1973 geleisteten Witwenrente im Gesamtbetrag von 20092 S samt Anhang sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zur ungeteilten Hand hinsichtlich aller Aufwendungen, die die Klägerin aus Anlaß des vom Erstbeklagten zu drei Vierteln verschuldeten Verkehrsunfalles bei dem Josef S tödlich verletzt wurde, an die Witwe Stefanie S bis 26. Jänner 1984 (Lebenserwartung des Josef S) nach dem KOVG zu erbringen haben werde, dies jedoch nur so weit, als diese Leistungen in dem Schaden Deckung finden, den die Witwe ohne den gesetzlichen Forderungsübergang selbst von den Beklagten zu fordern berechtigt wäre, wobei überdies die Haftung der Zweitbeklagten auf die Haftungshöchstsumme nach dem Haftpflichtversicherungsvertrag beschränkt sei.
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten ein, es treffe den getöteten Josef S das überwiegende Mitverschulden (im Berufungsverfahren mit 80% behauptet); ferner mangle es an der sachlichen Kongruenz zwischen dem der Stefanie S durch den Tod ihres Mannes entgangenen Unterhalt und dem Versorgungsgenuß nach ihrem ersten Ehemann; schließlich fehle es an einem ausreichenden Deckungsfonds, denn Stefanie S sei zumindest für ihren eigenen Unterhalt aufgekommen, so daß unter Berücksichtigung der hohen Eigenverschuldensquote des Josef S und der ihr von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gezahlten Rente auch bei Zugrundelegung der von der Klagerin behaupteten Haushaltsfixkosten kein Unterhaltsentgang gegeben sei.
Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren zur Gänze und das Feststellungsbegehren teilweise ab. Über das Feststellungsbegehren entschied es im übrigen dahin, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet sind, der Klägerin alle Aufwendungen zu ersetzen, die diese aus Anlaß des vom Erstbeklagten am 13. März 1970 zu einem Drittel verschuldeten Verkehrsunfalles, bei dem Josef S tödlich verletzt wurde, an die Witwe Stefanie S bis 26. Jänner 1984 nach dem KOVG zu erbringen hat, dies jedoch nur insoweit, als sie in dem Schaden Deckung finden, den die Witwe ohne den gesetzlichen Forderungsübergang selbst von den Beklagten zu fordern berechtigt wäre, wobei überdies die Haftung der Zweitbeklagten auf die Haftungshöchstsummen nach dem Haftpflichtversicherungsvertrag beschränkt ist.
Das Erstgericht ging dabei im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus:
Zwischen dem vom Erstbeklagten mitverschuldeten Tod des Josef S und den Leistungen der Klägerin an Kriegsopferrente bestehe sachliche Kongruenz. Stefanie S habe gegen den Erstbeklagten Ansprüche nach § 1327 ABGB. Nach § 55a KOVG gehen Ansprüche insoweit auf den Bund über, als dieser Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen habe. Der Anspruch der Witwe auf eine Grundrente nach dem KOVG nach ihrem ersten Ehemann sei durch ihre Wiederverehelichung erloschen. Nach dem Ableben des Josef S sei dieser Anspruch wieder aufgelebt. Das Wiederaufleben des Rentenanspruches gehe somit auf den durch den Erstbeklagten mitverschuldeten Tod des Josef S zurück. Es trete daher die Legalzession nach § 55a KOVG ein.
Josef S treffe an dem Unfall das überwiegende Mitverschulden. Dieses sei mit 2/3 anzunehmen.
Das Vorhandensein eines Deckungsfonds verneinte das Erstgericht auf Grund einer Berechnung bei der es die Mitverschuldensquote von 2/3 von der Pension des Josef S in Abzug brachte, wobei diese Art der Berechnung ergab, daß das Einkommen der Stefanie S aus ihrer Arbeit bei der Firma F in den Jahren 1970 bis 1973 jeweils höher war als der Entgang an Unterhalt.
Demnach sei ein Deckungsfonds für den begehrten Zeitraum nicht vorhanden. Ein Anspruch der Witwe gegen den Schädiger aus dem Unfall ihres zweiten Gatten Josef S nach § 1327 ABGB bestehe der Höhe nach nicht zu Recht. Mangels eines Deckungsanspruches sei somit auch eine Legalzession nicht möglich.
Das rechtliche Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die von der Klägerin künftig der Witwe zu erbringenden Rentenleistungen sei zu bejahen, und zwar im Hinblick auf die Möglichkeit einer Verjährung und den Umstand, daß die Witwe in Zukunft arbeitsunfähig werden könnte. Dem Feststellungsbegehren sei daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang stattzugeben gewesen.
Die von beiden Seiten erhobenen Berufungen hatten insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufhob und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwies.
Das Berufungsgericht bejahte die im vorliegenden Fall allein umstrittene sachliche Kongruenz der Witwenrente nach dem KOVG mit den der Witwe zustehenden Ersatzansprüchen gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer aus der Erwägung, daß sachliche Kongruenz nichts anderes bedeute, als daß ihrer Art nach Übereinstimmung zwischen den Leistungen eines Sozialversicherungsträgers oder ihm Gleichgestellten auf der einen Seite und den Ansprüchen des Leistungsempfängers gegen einen Dritten anderseits gegeben sein müsse. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, weil der Stefanie S durch die Tötung ihres Ehegatten Ansprüche nach § 1327 ABGB erwachsen seien, ihr aber Leistungen des Bundes zur Deckung ihres. Unterhaltes gewährt werden. Daß die Leistungen des Bundes an Stefanie S auf Grund des Todes ihres ersten Ehemannes gewährt werden und nicht auf Grund des Ablebens des Josef S erfolgen, sei für die Legalzession unerheblich und könne nicht den Einwand der mangelnden Kongruenz rechtfertigen.
Die Berechnung des Erstgerichtes, derzufolge ein Deckungsfonds derzeit nicht vorhanden sei, könne nicht gefolgt werden, weil das Erstgericht die in Rechnung zu stellende Mitverschuldensquote des Josef S ohne ersichtlichen Grund von der Direktpension des Josef S in Abzug gebracht habe, statt sie von dem ermittelten Entgang der Witwe an Unterhalt in Abzug zu bringen. Bei richtiger Berechnung ergebe sich auch unter Zugrundelegung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen unabhängig von einer Mitverschuldensquote des Josef S ein Deckungsfonds. Über das Ausmaß des Mitverschuldens des Josef S könne aber mangels überprüfbarer Feststellungen über den Hergang des Unfalles noch nicht abgesprochen werden. Der Inhalt des bisher allein verwerteten Strafaktes des Landesgerichtes für Strafsachen Graz sei diesbezüglich keineswegs eindeutig und reiche daher für eine verläßliche Beurteilung der Mitverschuldensfrage nicht hin. Es wäre daher Pflicht des Erstgerichtes gewesen, den Sachverhalt gemäß § 182 ZPO zu erörtern und darauf hinzuwirken, daß die Beklagten für die behaupteten Mitverschuldenstatbestände entsprechende Beweise anbieten und ihre diesbezüglichen Beweisanbote entsprechend ergänzen. Da dies nicht geschehen sei,müsse mit einer Aufhebung des Ersturteiles und der Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht vorgegangen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge. Der angefochtene Beschluß wurde aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Den Rechtsausführungen des Rekurses zur Frage der sachlichen Kongruenz muß Berechtigung zuerkannt werden. Voraussetzung für die Legalzession, und zwar auch nach § 55a Abs. 1 KOVG sowohl in der ursprünglichen wie auch in seiner derzeitigen Fassung, ist die sachliche Kongruenz zwischen dem gegen einen dritten Schädiger gerichteten Ersatzanspruch und dem vom Legalzessionar aus Anlaß dieses Schadensereignisses an den Geschädigten erbrachten Leistungen. Der Forderungsübergang tritt nur dann und insoweit ein, als den vom Legalzessionar erbrachten Leistungen der Art nach entsprechende Forderungen des Verletzten nach Schadenersatzrecht gegenüberstehen (SZ 28/150; ZVR 1960/411; ZVR 1962/66 u. v. a.). Der Ansicht des Berufungsgerichtes, die sachliche Kongruenz sei im vorliegenden Fall zu bejahen, weil die Klägerin der Stefanie S Leistungen zur Deckung ihres Unterhaltes erbringe, kann nicht beigepflichtet werden, denn es wird dabei der Tatsache, daß die Klägerin der Stefanie S die Witwenrente auch nach deren Wiederaufleben allein auf Grund des im Krieg erfolgten Ablebens ihres ersten Ehemannes nach den Bestimmungen des KOVG zu leisten hat, nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen. Wenn auch das Ableben des zweiten Ehemannes eine von mehreren Voraussetzungen für das Wiederaufleben des Rentenanspruches nach § 38 Abs. 2 KOVG darstellte, so war doch Anlaß im Sinne des § 55a Abs. 1 KOVG für die Wiedergewährung der Witwengrundrente an Stefanie S nach wie vor der als Folge einer Wehrdienstbeschädigung eingetretene Tod des ersten Ehemannes Karl D. Aus Anlaß des Ablebens des Josef S hingegen erhält Stefanie S nach ihrem zweiten Mann eine Rente von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Was die Klägerin der Stefanie S nach den Bestimmungen des KOVG zu leisten hat, stellt nicht einen Ersatz dessen dar, was ihr durch den Tod des zweiten Ehemannes entgeht.
War schon aus diesen Erwägungen die sachliche Kongruenz zu verneinen, dann erweist sich die Sache als im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens spruchreif, so daß es sich erübrigt, zu dem vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragen der Auslegung des § 55a Abs. 1 KOVG in seiner ursprünglichen und derzeitigen Fassung einzugehen.
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