Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Minderjährige brachte, vertreten durch seine Mutter, diese vertreten durch einen Rechtsanwalt, beim Erstgericht mehrere Anträge auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung an das Landesgericht für Strafsachen Wien adressierter selbstständiger Anträge auf medienrechtliche Entschädigung gemäß §§ 6, 7, 7a und 7b MedienG ein. Mit Schriftsatz vom 20. 9. 2007 teilte er mit, seine Mutter sei zu der vom Erstgericht geforderten Erklärung der Schad- und Klagloshaltung sowie zur Tragung allfälliger Kosten nicht bereit; sie wünsche das Verfahren nicht mehr und ziehe ihre Genehmigung zurück. Gleichzeitig beantragte er die Bestellung eines Kollisionskurators oder besonderen Verfahrenssachwalters zum Zweck der Führung der medienrechtlichen Verfahren und wiederholte den Antrag, „die Verfahrensführung" pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen.
Das Erstgericht sprach aus, dass „die Zurückziehung des Antrags auf Genehmigung der Klagen" durch die Mutter zur Kenntnis diene (1.) und wies den „Antrag des Antragstellervertreters", einen Kollisionskurator oder besonderen Verfahrenssachwalter für die Führung der gegenständlichen medienrechtlichen Verfahren zu bestellen und die gegenständliche Verfahrensführung pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen, zurück (2.).
Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Zur Begründung des Zulassungsausspruchs führte es aus, dass noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der selbstständigen Verfahrensfähigkeit eines Minderjährigen in einem gemäß § 132 AußStrG iVm § 154 Abs 3 ABGB geführten Genehmigungsverfahren vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die vom Rekursgericht formulierte Rechtsfrage ist nicht entscheidungsrelevant und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG. Auch der Minderjährige zeigt in seinem Rechtsmittel keine (sonstige) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.
1. In einem gerichtlichen Genehmigungsverfahren kommt (nur) dem betroffenen Pflegebefohlenen Parteistellung zu; er allein ist auch rechtsmittellegitimiert (10 Ob 23/08t mwN). Nach der Aktenlage hat im konkreten Fall der Pflegebefohlene, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch einen Rechtsanwalt, Genehmigungsanträge gestellt und gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen Rechtsmittel erhoben. Schon allein aus diesem Grund kommt es auf die Frage der selbstständigen Verfahrensfähigkeit des mündigen Minderjährigen im Genehmigungsverfahren gar nicht an, weil der Pflegebefohlene im konkreten Verfahren über die Anträge auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung jedenfalls durch seine Mutter vertreten ist (vgl 10 Ob 23/08t).
2. a) In der soeben zitierten Entscheidung 10 Ob 23/08t hat der Oberste Gerichtshof jüngst zu einem gleichgelagerten Sachverhalt, bei dem die Mutter eines Minderjährigen ebenfalls ihre Zustimmung zur Geltendmachung medienrechtlicher Entschädigungsansprüche zurückgenommen hatte, die Frage untersucht, ob ein Minderjähriger im Verfahren über Anträge auf medienrechtliche Entschädigung der Einwilligung seiner Eltern bedarf. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die von der Rechtsprechung für die Klageerhebung aufgestellten Grundsätze auch auf die Geltendmachung medienrechtlicher Entschädigungsansprüche übertragen werden könnten.
Maßgeblich sei demnach § 154 Abs 3 ABGB, der die Vertretung des Kindes in Vermögensangelegenheiten regle. Auch wenn medienrechtliche Entschädigungsansprüche ihre Wurzel im Schutz von Persönlichkeitsrechten (Ehre, Privatsphäre und Unschuldsvermutung) vor Eingriffen durch massenmediale Berichterstattung hätten, mache der Minderjährige doch Geldersatz und damit einen vermögensrechtlichen Anspruch geltend; außerdem werde durch die Verfahrensführung naheliegenderweise seine Vermögenslage betroffen. Schon angesichts der in § 390 Abs 1 StPO vorgesehenen Regel, wonach der unterliegende Privatankläger (hier: der Antragsteller) die Kosten des obsiegenden Angeklagten (bzw Antragsgegners) zu ersetzen habe, könne nicht angenommen werden, dass eine Angelegenheit des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs vorliege. Daraus folge für die Anträge auf medienrechtliche Entschädigung das zwingende Erfordernis einer Vertretungshandlung der Mutter und deren Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht (§ 154 Abs 3 ABGB). Da eine die Einbringung der Entschädigungsanträge genehmigende Vertretungshandlung nicht gesetzt worden sei, eine solche Handlung aber zwingende Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit sei, hätten die Vorinstanzen in der Frage der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung zutreffend keine Sachentscheidung getroffen, sondern im Sinne einer Zurückweisung des Genehmigungsantrags entschieden.
b) Aus diesen Erwägungen folgt, dass es auch im vorliegenden Fall den Genehmigungsanträgen des Minderjährigen an der Genehmigungsfähigkeit als Grundlage für eine meritorische Entscheidung fehlt. Die Ablehnung einer solchen durch die Vorinstanzen stimmt mit dem Ergebnis der zitierten Entscheidung überein. Die Deutung der Vorinstanzen, die Mutter habe mit der Zurücknahme ihrer Zustimmung zu den medienrechtlichen Entschädigungsanträgen auch die Genehmigungsanträge zurückgezogen, betrifft die Auslegung des Parteivorbringens im Einzelfall, ist vertretbar und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf (vgl RIS-Justiz RS0042828).
3. a) Der Oberste Gerichtshof hat in der erwähnten Entscheidung 10 Ob 23/08t ferner geprüft, ob ein die Bestellung eines Kollisionskurators rechtfertigender Kollisionsfall im Sinne des § 271 ABGB besteht. Diese Frage wurde im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass ein Interessenwiderstreit zwischen dem Minderjährigen und seiner Mutter nicht gegeben sei, da ein unmittelbares „eigenes" Interesse der Mutter nicht zu erkennen sei. Sie trete allein als Vertreterin ihres Sohnes auf, ohne selbst in die Angelegenheit involviert zu sein. Die vom Erstgericht geforderte Schad- und Klagloshaltungserklärung habe sie nicht abgegeben. Belastet werden könne sie allenfalls mittelbar über ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn. Daraus könne aber noch kein unmittelbares Eigeninteresse der Mutter abgeleitet werden. Eine unterschiedliche Ansicht zwischen dem Minderjährigen und dem gesetzlichen Vertreter begründe noch keine Kollision im Sinne des § 271 ABGB. Die gesetzliche Vertretung des Kindes liege eben nach §§ 144, 145 ABGB bei den Eltern bzw bei einem Elternteil. Dem Pflegschaftsgericht komme nicht die Rolle eines Oberaufsehers zu, der bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vertreter im Einzelfall schlichtend eingreifen müsste. Das Gesetz weise dem Pflegschaftsgericht Kompetenzen etwa bei Meinungsunterschieden zur Ausbildung (§ 147 ABGB), bei der Vertretung in bestimmten Vermögensangelegenheiten (§ 154 Abs 3 ABGB) oder bei Gefährdung des Kindeswohls zu (§ 176 Abs 1 ABGB). Lediglich im letzteren Fall könne die (teilweise) Entziehung der Obsorge angebracht sein (§ 176 Abs 1 ABGB).
b) Nach diesen Grundsätzen kommt auch im vorliegenden Fall die Bestellung eines Kollisionskurators nicht in Betracht. Dem diesbezüglichen Antrag des Minderjährigen (nur ein solcher liegt vor und konnte daher Gegenstand der vorinstanzlichen Entscheidungen sein) kann somit kein Erfolg beschieden sein. Durch die von den Vorinstanzen gewählte Erledigungsvariante ist der Minderjährige im Ergebnis nicht beschwert. Es fehlt insoweit an der, für die Erheblichkeit einer Rechtsfrage, erforderlichen Präjudizialität (vgl Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 ZPO Rz 60).
4. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
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