OGH 2Nd3/02

OGH2Nd3/0212.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko und Dr. Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Versicherungsanstalt *****, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner u.a. Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei I*****G, *****, vertreten durch Dr. Thomas Mader, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 20.307,39 sA und Feststellung, über den Antrag der beklagten Partei auf Delegierung in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur Entscheidung über den Antrag nach § 31a Abs 2 JN zurückgestellt.

Text

Begründung

Am 13. 3. 1998 wurde der bei der klagenden Partei sozialversicherte Franz K***** im Zuge von Entladearbeiten durch einen abstürzenden Axial-Ventilator verletzt.

Die klagende Partei begehrt mit der am 19. 3. 2002 beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Klage den Ersatz ihrer erbrachten sozialversicherungsrechtlichen Leistungen sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei zum Ersatz aller Leistungen, die die klagende Partei aus Anlass des Unfalls zu erbringen habe, soweit diese Leistungen in dem Schaden Deckung fänden, dessen Ersatz der Unfallgeschädigte ohne Legalzession iSd §§ 332 ASVG, 125 B-KUVG zu fordern berechtigt gewesen wäre, wobei eine Mitverantwortung des Geschädigten von einem Viertel anzunehmen sei.

Der Geschädigte habe sich auf der Ladefläche eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten LKWs befunden, als der Axial-Ventilator mittels eines auf dem LKW montierten Kranes von einem Eisenbahnwaggon aufgehoben worden sei. Der Lenker des LKWs (und gleichzeitig Bediener der Kraneinrichtung) habe es unterlassen, sich zu vergewissern, dass die Kranketten ordnungsgemäß am Ventilator befestigt seien und die Ladefläche vom Geschädigten verlassen werde. Im Zuge des Hebevorganges sei eine Öse am Axial-Ventilator gerissen, weshalb dieser auf den Geschädigten gefallen sei und ihn verletzt habe.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Klagebeantwortung neben der Abweisung des Klagebegehrens die Übertragung der Rechtssache an das Landesgericht Leoben zur Verbindung und gemeinsamen Verhandlung mit dem dort geführten Verfahren 4 Cg 43/01g. In diesem seit dem 7. 3. 2001 anhängigen Verfahren seien die Ansprüche des verletzten Franz K***** gegen den LKW-Lenker, den Halter und die (auch hier beklagte) Haftpflichtversicherung gegenständlich. Es sei bereits eine Beweisaufnahme zum Unfallshergang durchgeführt worden, weshalb eine Vorgangsweise iSd § 31a Abs 2 JN angeregt werde. Eine Delegierung sei auch zweckmäßig, um eine mehrfache Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen zum gleichen Beweisthema zu vermeiden. Die klagende Partei sprach sich gegen eine "Delegierung" der Sache aus, weil sie am genannten Verfahren vor dem Landesgericht Leoben nicht beteiligt gewesen sei und eine "Delegierung" aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen Oberlandesgerichtssprengel dem Obersten Gerichtshof vorbehalten sei. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sprach sich ebenfalls gegen eine "Delegierung" der Rechtssache an das Landesgericht Leoben aus und legte den Akt dem Obersten Gerichtshof unmittelbar zur Entscheidung über den "Delegierungsantrag" vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung über den vorliegenden Delegierungsantrag nicht zuständig. Vorauszuschicken ist, dass der Antrag der beklagten Partei ungeachtet des Zitates des § 31 Abs 1 JN im Antrag als Antrag iSd § 31a Abs 2 JN aufzufassen ist, weil die Übertragung an das Landesgericht Leoben zur gemeinsamen Verhandlung mit dem dort anhängigen Verfahren 4 Cg 43/01g beantragt wurde und letzteres nur gemäß § 31a Abs 2 JN verfügt werden kann. Mit der ZVN 1983 geschaffenen Möglichkeit der "vereinfachten Delegierung" nach § 31a Abs 2 JN (der Fall des Abs 1, übereinstimmender Delegierungsantrag, liegt hier nicht vor) kann eine Streitsache unter anderem auch ohne Antrag und nach Beginn der mündlichen Streitverhandlung einem anderen Gericht gleicher Art übertragen werden, wenn ihr Gegenstand der Anspruch auf Ersatz von Schäden aus der Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen ist, bei dem anderen Gericht ein Verfahren über einen gleichartigen Anspruch aus dem selben schädigenden Ereignis anhängig ist und wenn diese Delegierung, besonders wegen der Gleichartigkeit der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen geeignet ist, den Verfahrensaufwand zu verringern. Die Sache darf nur demjenigen Gericht übertragen werden, bei dem als erstem eine Klage eingebracht worden ist. Die übertragene ist mit der bereits anhängigen Sache zu verbinden (§ 187 ZPO), auch wenn weder die Kläger noch die Beklagten der beiden Verfahren ident sind.

Bei der Bestimmung des § 31a Abs 2 JN handelt es sich - entgegen der durch den Justizausschuss eingeführten Terminologie "Delegierung", unter der sonst ein Akt des übergeordneten Gerichts verstanden wird, um einen Übertragungsakt, über den vom Erstgericht selbst zu entscheiden ist (§ 31a Abs 3 JN; Fasching LB2 Rz 210; Mayr, Die Delegation im zivilgerichtlichen Verfahren, Jbl 1983, 293 [301,304];). Entgegen der Rechtsmeinung der klagenden Partei und auch des Erstgerichtes bedarf es daher in diesem Fall keiner Befassung des Obersten Gerichtshofes, weil hier nicht über eine Delegierung im herkömmlichen Sinn durch ein übergeordnetes Gericht zu entscheiden ist, sondern ein Antrag auf Übertragung durch das Prozessgericht vorliegt.

Das Erstgericht wird daher über den Delegierungsantrag selbst zu entscheiden haben.

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