European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020NC00078.23B.1025.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit des * in der zu AZ * anhängigen Rechtssache in Zweifel zu ziehen.
Begründung:
[1] Das im Spruch genannte Verfahren ist im * Senat des Obersten Gerichtshofs angefallen, dessen Mitglied * ist. Er zeigt den objektiven Anschein seiner Befangenheit an. Einer der kollektivvertretungsbefugten Prokuristen der klagenden Versicherung sei der Cousin seiner Ehefrau. Dieser sei einer seiner Trauzeugen gewesen, es bestehe auch regelmäßiger Kontakt insbesondere bei Familienfeiern und ‑ereignissen. Zwar sei ihm nicht bekannt, ob der Cousin seiner Ehefrau mit dem zu entscheidenden Fall beruflich tatsächlich befasst sei, die intensive familiäre und persönliche Beziehung zu einer für eine Prozesspartei vertretungsbefugten Person könnte aber den objektiven Anschein der Befangenheit begründen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Befangenheitsanzeige ist begründet:
[3] 1. Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach § 22 Abs 2 GOG haben Richter Gründe anzuzeigen, die ihre Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen geeignet sind; darüber ist nach § 22 Abs 3 GOG auch ohne Ablehnung durch eine Partei im Verfahren nach den §§ 23 bis 25 JN zu entscheiden.
[4] 2. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949). In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu den Prozessparteien bzw Zeugen oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein der Voreingenommenheit hervorzurufen (RS0045935).
[5] 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der objektive Anschein der Befangenheit gegeben, weil ein Verfahrensbeteiligter den Eindruck gewinnen könnte, die Willensbildung des * könnte durch seine intensive familiäre und persönliche Nahebeziehung zu einer (kollektiv) für die Klägerin vertretungsbefugten Person (vgl §§ 49 f UGB zum umfassenden Umfang der Vertretungsmacht eines Prokuristen) beeinflusst werden.
[6] 4. Aus diesem Grund ist iSd § 19 Z 2 JN auszusprechen, dass ein zureichender Grund vorliegt, die Unbefangenheit des * in Zweifel zu ziehen. Das schließt seine Mitwirkung an der Entscheidung in der im Spruch genannten Rechtssache aus.
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