OGH 2Nc5/21i

OGH2Nc5/21i8.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Steger und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** K*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, Wien 1, wegen 34.752,50 EUR sA, aufgrund der Anzeige ***** vom 2. Februar 2021 im Verfahren über die Revision der klagenden Partei, AZ *****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020NC00005.21I.0408.000

 

Spruch:

***** ist als Mitglied des ***** Senats im Verfahren über die Revision des Klägers zu AZ ***** ausgeschlossen.

Der ***** und die ***** und ***** sind als Mitglieder des ***** Senats im Revisionsverfahren zu AZ ***** befangen.

 

Begründung:

[1] Bei dem zugrunde liegenden Verfahren handelt es sich um ein Amtshaftungsverfahren. Der Kläger leitet Amtshaftungsansprüche ua daraus ab, dass ein von ihm eingebrachtes Rechtsmittel in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu AZ ***** „zu Unrecht abgelehnt“ worden sei. An dieser Rekursentscheidung wirkte ***** mit.

[2] Für die Behandlung der außerordentlichen Revision gegen das die abweisende Entscheidung des Erstgerichts bestätigende Urteil des Berufungsgerichts ist der ***** Senat des Obersten Gerichtshofs zuständig. ***** ist zwischenzeitlich Mitglied des ***** Senats des Obersten Gerichtshofs. Diesem Senat gehören zudem der ***** und die ***** und ***** als weitere Mitglieder an.

[3] ***** zeigte diesen Umstand mit Note vom 2. 2. 2021 an. Der Senatsvorsitzende und die übrigen Mitglieder des ***** Senats zeigten mit späterer Note den möglichen Anschein ihrer Befangenheit an. Sie würden sich zwar ungeachtet der Mitwirkung ihrer Senatskollegin an der inkriminierten Rekursentscheidung imstande sehen, das Rechtsmittel im Amtshaftungsverfahren objektiv zu beurteilen. Eine Befangenheit könne aber insoweit vorliegen, als bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein ihrer Voreingenommenheit entstehen könnte.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Der Anzeige von ***** kommt Berechtigung zu:

[5] Nach § 20 Abs 1 Z 1 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen, in denen sie selbst Partei sind, oder in Ansehung deren sie zu einer der Parteien im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen stehen.

[6] Im Fall einer erfolgreichen Amtshaftungsklage kann der Schadenersatz leistende Rechtsträger gemäß § 3 Abs 1 AHG vom handelnden Organ unter bestimmten Voraussetzungen Rückersatz verlangen. ***** kommt daher die Stellung als potentiell Regresspflichtige zu. Diese Qualifikation schließt sie nach der zitierten Gesetzesstelle von der Mitwirkung an der Entscheidung über die außerordentliche Revision im Amtshaftungsverfahren aus (vgl 8 Nc 2/16k; 9 Nc 34/12t).

[7] 2. Auch die Befangenheitsanzeigen sind berechtigt:

[8] Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dafür genügen Tatsachen, die – bei objektiver Betrachtungsweise – auch nur den Anschein einer Voreingenommenheit hervorrufen können. In dieser Hinsicht kommen vor allem persönliche Nahebeziehungen und private Kontakte zu einer Prozesspartei als Befangenheitsgründe in Betracht. Das Gleiche gilt für solche Kontakte zum Rechtsvertreter einer Partei, die über einen rein kollegialen Kontakt hinausgehen (8 Nc 42/15s; 8 Nc 48/15y).

[9] Im Sinn des § 20 Abs 1 Z 1 JN wird zwischen der Stellung als Verfahrenspartei und jener als Regresspflichtiger einer Verfahrenspartei wertungsmäßig kein Unterschied gemacht. Dies bedeutet, dass auch eine besondere Nahebeziehung eines Richters zu einem potentiell Regresspflichtigen einer Verfahrenspartei als Befangenheitsgrund in Betracht kommt. Wird etwa dem Kläger bekannt, dass über die von ihm geltend gemachten Amtshaftungsansprüche gerade die Senatskollegen jener Richterin zu entscheiden haben, aus deren Tätigkeit die Ansprüche abgeleitet werden, so kann für ihn zumindest der Anschein entstehen, dass die Entscheidung über die Amtshaftungsansprüche auch von der Rücksichtnahme auf die Senatskollegin beeinflusst ist. Die kontinuierliche enge Zusammenarbeit in einem Senat, die von regelmäßigen Diskussionsprozessen geprägt ist, kann von Außenstehenden demnach als besondere, über ein gewöhnliches kollegiales Verhältnis hinausgehende Nahebeziehung aufgefasst werden, die sich unsachlich auf die Entscheidungsfindung im Amtshaftungsprozess auswirken kann.

[10] Auch wenn subjektiv keine Befangenheit besteht, muss angesichts des anzulegenden strengen Maßstabs schon der Anschein der Voreingenommenheit ausgeschlossen sein. ***** sowie die übrigen Stammmitglieder des zur Entscheidung berufenen ***** Senats sind daher im Sinn des § 19 Z 2 JN für befangen zu erklären (8 Nc 2/16k; 9 Nc 34/12t).

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