OGH 2Nc39/23t

OGH2Nc39/23t13.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache der am * 2023 verstorbenen F*, über Vorlage des Akts AZ 97 A 41/23s des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020NC00039.23T.0613.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Zur Fortführung des Verfahrens ist das Bezirksgericht Linz zuständig.

Der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 4. April 2023, GZ 97 A 41/23s‑4, wird ersatzlos behoben.

 

Begründung:

[1] Das Standesamt Enns teilte dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien das Ableben von F* mit.

[2] Mit Beschluss vom 10. 3. 2023 überwies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt unter Hinweis auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasserin an das Bezirksgericht Linz.

[3] Dieses verfügte am 4. 4. 2023 die Retournierung des Akts an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, weil die Erblasserin im Todeszeitpunkt keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe und die Weiterführung des Verfahrens durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zweckmäßiger sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte den Akt gemäß § 47 JN zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor.

[5] 1. Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof im Fünfersenat zu erfolgen (RS0126085).

[6] 2. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt (§ 47 JN) setzt grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RS0046374). Eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse kommt aber dann nicht in Betracht, wenn – wie hier – noch keine Partei, der Rekurslegitimation zukäme, bekannt ist. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist daher eine sofortige Entscheidung im vorliegenden Kompetenzkonflikt geboten (vgl 2 Nc 5/16g).

[7] 3. Gemäß § 44 Abs 1 JN hat das unzuständige Gericht in den dort genannten Verfahren die Sache nach Möglichkeit an das zuständige Gericht zu überweisen. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Überweisungsbeschluss – der auch in der Verfügung liegen kann, die Akten zuständigkeitshalber einem anderen Gericht zu übermitteln (RS0046346) – für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde. Das Adressatgericht kann seine Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass das überweisende Gericht zuständig sei, wobei es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses ankommt (RS0046391; RS0002439). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RS0081664 [T1]; RS0046391 [T6]). Auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses ist bei der Entscheidung nach § 47 JN daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RS0046391 [T8]).

[8] 4. Der Beschluss des Bezirksgerichts Linz, mit dem es die Übernahme der Führung der Verlassenschaftssache ablehnte und diese an das überweisende Gericht rückübertrug, verletzte demnach die Bindungswirkung des vorausgehenden Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, weshalb der Beschluss des Bezirksgerichts Linz – ohne auf die Frage nach dessen Richtigkeit einzugehen – aufzuheben war.

[9] Das Bezirksgericht Linz ist daher zur Fortführung der Verlassenschaftssache zuständig.

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