European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020NC00020.23Y.0321.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit des * in der Rechtssache AZ * in Zweifel zu ziehen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller begehren in der außerstreitigen Wohnrechtssache die Feststellung, ein Umlaufbeschluss über die Kündigung der bisherigen Verwalterin und Bestellung einer neuen Hausverwalterin sei rechtsunwirksam. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerinnen ist beim * Senat des Obersten Gerichtshofs angefallen.
[2] * ist * des Senats. Er gibt bekannt, die Beschlussanfechtung sei gegen alle anderen Miteigentümer zu richten, auch wenn sie sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt hätten. Bei Verfahrenseinleitung sei auch sein Cousin Miteigentümer gewesen. Dieser habe seine Liegenschaftsanteile mittlerweile an den Sohn seiner Cousine verschenkt. Sollte die Grenze der Ausgeschlossenheit nach § 20 Abs 1 Z 2 JN (nun) überschritten sein, könne dennoch der Anschein der Befangenheit infolge des Verwandtschaftsverhältnisses bestehen.
Rechtliche Beurteilung
[3] 1. Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts ua in Sachen solcher Personen ausgeschlossen, mit welchen sie in der Seitenlinie bis zum vierten Grad verwandt sind. Das Verwandtschaftsverhältnis zum Sohn der Cousine (Seitenlinie 5. Grad) liegt außerhalb des Anwendungsbereichs des § 20 Abs 1 Z 2 JN (vgl die graphische Darstellung bei Fucik, Die Ausgeschlossenheit nach dem FamRÄG 2009 und dem EPG, ÖJZ 2010, 839; auch RS0046100).
[4] 2. Allerdings können von § 20 JN gerade nicht mehr erfasste Sachverhalte (regelmäßig) einen tauglichen Ablehnungsgrund wegen Befangenheit bilden (Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 20 JN Rz 1; Ballon in Fasching/Konecny³ § 20 JN Rz 1; RS0046100 [Befangenheitsgrund bei gutem verwandtschaftlichen Einvernehmen]). Berücksichtigt man, dass bei Beurteilung der Befangenheit im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen ist (RS0045949) und schon der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden soll (RS0046052), kann der mitgeteilte Sachverhalt den Anschein der Befangenheit begründen. Ein Verfahrensbeteiligter könnte in Anbetracht der während des Verfahrens stattgefundenen Übereignung der Liegenschaftsanteile von einer von § 20 Abs 1 Z 2 JN erfassten an eine vom Tatbestand gerade nicht mehr erfasste Person den Eindruck gewinnen, die Willensbildung könnte durch die – wenn auch nicht aktive – Verfahrensbeteiligung des Sohnes der Cousine beeinflusst werden.
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