OGH 26Os11/16m

OGH26Os11/16m14.6.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 14. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Broesigke und Mag. Stolz sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 18. Mai 2016, D 178/15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0260OS00011.16M.0614.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss im angefochtenen Umfang aufgehoben.

Es liegt Grund zur Disziplinarbehandlung des Beschuldigten ***** in mündlicher Verhandlung wegen des Vorwurfs vor, er habe am 6. Mai 2015 eine Treuhandschaft mit der ***** GmbH als Käuferin, deren Alleingesellschafter er ist, übernommen.

Zur Durchführung des weiteren Verfahrens werden die Akten dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Einstellungsbeschluss sprach der Disziplinarrat unter anderem aus, es bestehe kein Grund zur Disziplinarbehandlung des Beschuldigten hinsichtlich des oben genannten Vorwurfs. Dagegen wendet sich die Beschwerde des Kammeranwalts.

Der Disziplinarrat führte zusammengefasst aus, dass der Beschuldigte als Vertragsverfasser und Treuhänder am 6. Mai 2015 einen Liegenschaftskaufvertrag zwischen Anneliese H***** als Verkäuferin und der ***** GmbH als Käuferin errichtet habe. Alleingesellschafter der ***** GmbH sei der Beschuldigte. Selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin sei die Lebensgefährtin des Beschuldigten, Barbora M*****, die ihn in die laufenden Geschäfte miteingebunden habe. Der Beschuldigte habe entsprechende Einblicke in die Geschäftstätigkeit der GmbH gehabt, weil deren Geschäfte von seiner Kanzlei aus geführt worden seien.

Rechtlich führte der Disziplinarrat aus, dass strikt zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter zu trennen sei. Aufgrund der Offenlegung der gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber der Verkäuferin der Liegenschaft, der Komplikationslosigkeit bei der Vertragserrichtung und bei der Abwicklung sowie auf Grund der Einigung über die wesentlichen Kaufvertragsbestimmungen schon vor Eingehen der Treuhandschaft lägen keine Umstände vor, die den Beschuldigten darin gehindert hätten, auch die Interessen der Verkäuferin in einer § 9 RAO entsprechenden Weise wahrzunehmen, sodass die Übernahme der Treuhandschaft nicht dem Verbot des Punktes 7.3. erster Satz des Statuts des Treuhandbuchs unterliegen würde.

Rechtliche Beurteilung

In der dagegen erhobenen Beschwerde führt der Kammeranwalt im Wesentlichen aus, dass dem Rechtsanwalt gemäß Punkt 7.3. erster Satz des Statuts 2010 der Rechtsanwaltskammer Wien „Elektronisches Treuhandbuch (eATHB)“ die Abwicklung einer Treuhandschaft in eigener Sache untersagt sei. Die Beschwerde vertritt die Rechtsansicht, dass bei der „Ein-Mann-GmbH“ die Interessen der Gesellschaft und des Alleingesellschafters ident seien und daher davon auszugehen sei, dass der Beschuldigte auch als nicht geschäftsführender Alleingesellschafter einer „Ein-Mann-GmbH“ trotzdem die Abwicklung einer Treuhandschaft in eigener Sache vorgenommen habe.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Punkt 7.3. des Statuts 2010 der Treuhandeinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien lautet:

„Unzulässigkeit der wirtschaftlichen Beteiligung

Dem Rechtsanwalt wird die Übernahme von Bürgschaften und Darlehens‑ oder Kreditgewährung im Zusammenhang mit der übernommenen Treuhandschaft sowie die Abwicklung einer Treuhandschaft in eigener Sache untersagt.“

Danach befindet sich noch ein Absatz, demzufolge bei Treuhandschaften von Personen, die mit dem Treuhänder in häuslicher Gemeinschaft leben, sowie Angehörigen des Treuhänders der Versicherungsschutz ausgeschlossen und dieser Umstand allen Vertragsparteien offen zu legen ist.

Bereits auf Grund der aus der Überschrift dieser Bestimmung ersichtlichen Intention der Vermeidung jeglichen Interessenskonflikts im Rahmen einer Treuhandschaft folgt, dass bei jeder wirtschaftlichen Verflechtung des Treuhänders mit einer der Vertragsparteien die Übernahme der Treuhandschaft untersagt ist.

Schon aus der Überschrift der zitierten Bestimmung ergibt sich weiters, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen ist. Eine solche Betrachtungsweise ergibt, dass bei einem Kaufvertrag mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Alleineigentum des Beschuldigten, deren Geschäftsführerin seine Lebensgefährtin ist, wobei die Gesellschaft von der Kanzlei des Beschuldigten aus geführt wird, wirtschaftlich ein Eigengeschäft vorliegt. Die vom Disziplinarrat vorgenommene Unterscheidung zwischen der im Alleineigentum des Beschuldigten stehenden GmbH und dem Beschuldigten ist daher sachlich nicht gerechtfertigt. Es käme zur Aushöhlung der genannten Bestimmung.

Weiters zeigt § 10a RAO, dass von uneigennützigen Treuhandschaften im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Treuhandverpflichtung durch den Vertragserrichter ausgegangen wird. Eine uneigennützige Treuhandschaft ist bei einer Treuhandschaft in eigener Sache nicht gegeben.

Es besteht somit in Fällen wie dem vorliegenden die Gefahr der Interessenskollision. Dieser Gefahr soll die Bestimmung des Treuhandstatuts entgegenwirken.

Die in Rede stehende Übernahme der Treuhandschaft durch den Beschuldigten indiziert einen Verstoß gegen seine Pflichten nach § 9 Abs 1 RAO iVm Punkt 7.3. des eATHB.

Der Beschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur Folge zu geben und gemäß § 89 Abs 2b zweiter Satz StPO (§ 77 Abs 3 DSt; vgl Fabrizy, StPO12 § 89 Rz 3) in der Sache zu entscheiden (§ 28 Abs 2 DSt).

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