OGH 24Os8/14b

OGH24Os8/14b1.12.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 1. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Bartl und Dr. Sturm‑Wedenig sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 3. März 2014, AZ D 39/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, des Vertreters der Kammeranwaltschaft Dr. Orgler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0240OS00008.14B.1201.000

 

Spruch:

Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen Strafe dahin Folge gegeben, dass die Geldbuße auf 700 Euro herabgesetzt wird.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt.

Danach hat er als Rechtsvertreter der Ehegatten Manuela und Hermann M***** sowie der B***** GmbH bei ihm eingegangene Geldbeträge von 1.708,96 Euro für die B***** GmbH und 9.617,78 Euro für Hermann M***** mit seinen Honoraransprüchen von insgesamt 12.455,92 Euro kompensiert, es jedoch nach Bestreitung der Höhe der Honorarforderungen durch Manuela M***** am 4. Juni 2012 unterlassen, zumindest den strittigen Honorarbetrag von 4.000 Euro gemäß § 19 Abs 3 RAO gerichtlich zu hinterlegen oder diesen Betrag unverzüglich an Hermann M***** auszufolgen (§ 17 RL‑BA).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen siehe RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe; nur letzter kommt Berechtigung zu.

Soweit die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) einen Freispruch mit der ‑ auf 1 Ob 4/07f gestützten ‑ Begründung behauptet, der Beschuldigte wäre infolge einer (die Anwendung des § 19 Abs 3 RAO ausschließenden) zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Ehepaar M***** nicht verpflichtet gewesen, den bestrittenen Geldbetrag entweder gerichtlich zu hinterlegen oder unverzüglich auszufolgen, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht am im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt, ist doch diesem (vgl ES 9) eine ‑ den Verzicht der Mandanten auf Ausfolgung oder Hinterlegung auch im Fall strittiger Honorarforderungen beinhaltende ‑ Vereinbarung nicht zu entnehmen. Mangels Bezeichnung konkreter Verfahrensergebnisse für allfällige Konstatierungen in diese Richtung wurde auch ein Feststellungsmangel nicht gesetzeskonform geltend gemacht.

Indem die Rechtsrüge der Sache nach behauptet, § 19 Abs 3 RAO lasse eine Bestreitung durch einen von mehreren für die anwaltliche Honorarforderung solidarisch haftenden (RIS-Justiz RS0017356) Verpflichteten nicht genügen, sondern stelle darauf ab, dass diese durch den zum Empfang der eingegangenen Barschaft Berechtigten erfolge, was gegenständlich infolge Bestreitung ausschließlich durch Manuela M***** nicht der Fall gewesen sei, scheitert sie bereits daran, dass nach den ‑ von der Rüge vernachlässigten ‑ weiteren Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses (ES 6) schon durch die Einreichung der Klage durch Hermann M***** am 22. Jänner 2013 (im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorangegangenen Informationen durch Manuela M*****) die Forderung auch durch den genannten Empfangsberechtigten bestritten wurde (siehe auch die ausdrückliche Bestreitung der Höhe der Honorarabrechnung im Schriftsatz vom 10. Juni 2013 im Verfahren GZ 203 C 130/13m-11 des Bezirksgerichts Graz‑Ost).

Werden Richtigkeit und Höhe der Forderung des Rechtsanwalts bestritten und ist dieser ‑ wie fallbezogen ‑ nicht gewillt, die bei ihm eingegangene Barschaft unverzüglich an seinen Mandanten auszufolgen, ist er verpflichtet, diese unverzüglich bei Gericht zu hinterlegen (§ 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL‑BA; RIS‑Justiz RS0033851, RS0056451, Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 19 RAO Rz 1 ff und 12; Csoklich/Scheuba , Standesrecht der Rechtsanwälte 2 , 134).

Demgemäß ist es ohne Bedeutung, ob bereits die festgestellte Bestreitung durch Manuela M***** eine Hinterlegungspflicht des Beschuldigten ausgelöst hat, denn dieser hat auch nach Bestreitung der Forderung durch Hermann M***** durch die Unterlassung der Ausfolgung oder Hinterlegung des Geldbetrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Zivilverfahrens schuldhaft gegen das Gebot unverzüglichen Handelns im Sinn des § 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL‑BA verstoßen und dadurch die Disziplinarvergehen nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt verwirklicht. Der im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO des erstinstanzlichen Erkenntnisses angenommene Tatzeitpunkt betrifft in diesem Zusammenhang keinen für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstand (vgl 24 Os 7/15g).

Der Berufung wegen Schuld war daher ein Erfolg zu versagen.

Hingegen kommt der impliziten (§ 49 letzter Satz DSt) Berufung wegen Strafe insoweit Berechtigung zu, als dem Beschuldigten nicht nur der Erschwerungsgrund einer einschlägigen disziplinären Vorverurteilung zur Last liegt, sondern auch als mildernd zugute zu halten ist, dass das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren aus einem nicht von ihm zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB). Wenngleich daher die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße von 1.000 Euro dem Tatunrecht und der Täterschuld entspricht, war zum Ausgleich für die ‑ durch die lange Verfahrensdauer bewirkte ‑ Grundrechtsverletzung eine Reduktion der Geldbuße um 300 Euro (sohin auf 700 Euro) vorzunehmen (vgl RIS‑Justiz RS0114926).

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