OGH 24Os7/15g

OGH24Os7/15g9.9.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Hofstätter und Dr. Sturm‑Wedenig sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 24. Juni 2014, AZ D 4/12, 9/12, 12/12, 6/13 und 7/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, des Vertreters der Kammeranwaltschaft Dr. Orgler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch einen rechtskräftigen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthaltenden ‑ Erkenntnis wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.

Danach hat er als Rechtsvertreter des Manfred S***** nach Geldeingang für seinen Klienten einen Kostenbetrag von 19.667,14 Euro trotz Überweisungsaufforderung desselben am 15. November 2010 einbehalten und die gerichtliche Hinterlegung dieses Betrags erst am 8. Mai 2012 beantragt, wodurch er gegen § 10 Abs 2 und § 19 Abs 3 RAO sowie § 17 RL‑BA verstoßen hat.

Über den Beschuldigten wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.000 Euro verhängt.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Disziplinarrats teilte der Beschuldigte seinem Mandanten am 15. November 2010 mit, dass er aus einem bei ihm für diesen eingegangenen Entschädigungsbetrag von 166.221,29 Euro den im Spruch genannten Betrag für die vorprozessualen und sonstigen Kosten seines Einschreitens, die nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen wurden, einbehalten habe. Am selben Tag ersuchte S***** den Beschuldigten, ihm die Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung zu übermitteln und forderte ihn gleichzeitig auf, den Betrag von 19.667,14 Euro auf sein Konto weiterzuleiten. Dies verweigerte der Beschuldigte unter Hinweis auf § 19 RAO. Nach Erbringung weiterer Leistungen für S***** nahm der Beschuldigte mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 eine Endabrechnung seiner Kosten vor und teilte seinem Mandanten mit, dass diese mit dem genannten einbehaltenen Betrag abgedeckt seien. Mit Mail vom 21. Oktober 2011 wies S***** den Beschuldigten darauf hin, dass er dessen Forderungen „von unabhängiger Seite überprüfen lassen und das Ergebnis bekannt geben werde“. Der Beschuldigte antwortete darauf am 27. Oktober 2011, S***** könne die Honorarforderungen „von wem auch immer überprüfen lassen“, wenn er meine, dass das Honorar nicht gerechtfertigt sei, müsse er „eben einen Prozess führen“. Mit Schreiben vom 18. November 2011 zeigte S***** der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unter dem Titel „vermutliche Veruntreuung von Klientengeldern“ an, dass der Beschuldigte das Geld zu Unrecht einbehalten habe. Erst nachdem S***** den Beschuldigten in der Folge auch bei der Staatsanwaltschaft Graz wegen des Verdachts der Veruntreuung angezeigt hatte, hinterlegte dieser den einbehaltenen Betrag von 19.667,14 Euro am 8. Mai 2012 gerichtlich.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Erkenntnis richtet sich die ‑ formal ausschließlich Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO relevierende (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) ‑ Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe; sie schlägt fehl.

Soweit die Rechtsrüge einen Freispruch mit der Begründung behauptet, das unsubstantiierte Auszahlungsbegehren S*****s vom 15. November 2010 habe keine Bestreitung der Richtigkeit und Höhe der Honorarforderung beinhaltet, sodass der Beschuldigte nicht verpflichtet gewesen sei, den Geldbetrag entweder gerichtlich zu hinterlegen oder unverzüglich an den Klienten auszufolgen, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt in seiner Gesamtheit (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584). Denn die Bestreitung der Richtigkeit und der Höhe des begehrten Honorars ergibt sich jedenfalls aus der Ankündigung S*****s vom 21. Oktober 2011, die Forderungen des Beschuldigten von unabhängiger Seite überprüfen zu lassen, sowie aus der von ihm am 18. November 2011 erstatteten Disziplinaranzeige (die dem Beschuldigten mit Schreiben der Rechtsanwaltskammer vom 5. Dezember 2011 übermittelt wurde).

Wird die Richtigkeit und die Höhe seiner Forderung bestritten und ist der Rechtsanwalt ‑ wie fallbezogen ‑ nicht gewillt, die bei ihm eingegangene Barschaft unverzüglich an seinen Mandanten auszufolgen, ist er verpflichtet, diese unverzüglich bei Gericht zu hinterlegen (§ 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL‑BA; RIS‑Justiz RS0033851, RS0056451; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 19 RAO Rz 1 ff und 12; Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte2, 134).

Demgemäß ist es ohne Bedeutung, dass das Schreiben S*****s vom 15. November 2010 isoliert betrachtet noch nicht als Bestreitung der Richtigkeit und Höhe der Forderung anzusehen ist, hat doch der Beschuldigte in weiterer Folge schon durch die Unterlassung der Ausfolgung oder Hinterlegung des Geldbetrags über einen Zeitraum von rund sechs Monaten schuldhaft gegen das Gebot unverzüglichen Handelns iSd § 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL‑BA verstoßen und dadurch die Disziplinarvergehen nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt verwirklicht. Der im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO des erstinstanzlichen Erkenntnisses angenommene darüber hinausgehende Tatzeitraum betrifft in diesem Zusammenhang keinen für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstand.

Die fortgesetzte Mandatierung des Beschuldigten durch S***** und die in diesem Zusammenhang allenfalls unstrittige Honorargebarung betreffen keine entscheidenden Tatsachen.

Soweit der Berufungswerber ‑ der Sache nach unter dem Aspekt der die Beweiswürdigung bekämpfenden Schuldberufung ‑ die subjektive Tatseite in Abrede stellt, ist er auf das festgestellte Schreiben an seinen Mandanten vom 27. Oktober 2011 zu verweisen, dem zufolge er erkannt hat, dass dieser die Honorarforderung als „nicht gerechtfertigt“ ansah.

Des Weiteren vermögen die Ausführungen des Beschuldigten, wonach er infolge fortgesetzter Mandatierung durch S***** von einer Erledigung der Honorarstreitigkeiten „in seinem Sinne“ ausgehen habe dürfen, das gegen ihn angestrengte Ermittlungsverfahren eingestellt und teilweise mit dem Mandanten eine vergleichsweise Einigung erzielt worden wäre, keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu begründen. Dieser hat die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer widerspruchsfreien und lebensnahen Würdigung unterzogen und überzeugend sowie logisch nachvollziehbar dargetan, wie er zu den relevanten Feststellungen gelangte.

Auch der impliziten (§ 49 letzter Satz DSt) Berufung wegen Strafe kommt keine Berechtigung zu. Im Hinblick auf mehrere einschlägige disziplinarrechtliche Vorverurteilungen und das Fehlen von Milderungsgründen entspricht die ausgemessene Geldbuße ‑ trotz der Annahme eines im Vergleich zum erstinstanzlichen Erkenntnis kürzeren Tatzeitraums ‑ Tatunrecht und Täterschuld und bedarf daher keiner Reduktion.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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