OGH 24Ds8/20s

OGH24Ds8/20s26.5.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 26. Mai 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Jilek und Dr. Fetz als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Csencsits in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 7. Juli 2020, GZ D 33/19‑19, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Kammeranwalts Dr. Orgler, des Beschuldigten und seiner Verteidigerin Mag. Hibler zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0240DS00008.20S.0526.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt, weil er am 31. Jänner 2019 als für den rechtsanwaltlichen Journaldienst eingeteilter Rechtsanwalt im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts ***** seine Teilnahme an der nach § 174 Abs 1 StPO durchzuführenden Vernehmung als Verteidiger des in diesem Verfahren festgenommenen Beschuldigten verweigerte ohne für einen Vertreter zu sorgen.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen erhobene Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld geht fehl.

[3] Der Disziplinarrat hat sich in seiner Beweiswürdigung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen auseinandergesetzt und die (ausschließlich) bekämpfte Feststellung, nach der der Disziplinarbeschuldigte nicht bei der Hotline des rechtsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienstes anrief, um pflichtgemäß für eine Vertretung zu sorgen (ES 9), unter Bezugnahme auf eine Reihe von Verfahrensergebnissen (insbesondere den Inhalt des Telefongesprächs mit der zuständigen Haft- und Rechtsschutzrichterin sowie die Stellungnahme des Beschuldigten im gegenständlichen Verfahren vom 25. Februar 2019) schlüssig und nachvollziehbar begründet (ES 13 f). Indem der Beschwerdeführer seine – vom Disziplinarrat aus den genannten Gründen als Schutzbehauptung gewertete (ES 13) – gegenteilige Verantwortung unter Hinweis auf seine bislang gewissenhafte Pflichterfüllung auch im Rahmen des rechtsanwaltschaftlichen Journaldienstes und auf die allgemeine Lebenserfahrung als glaubwürdig darzustellen versucht und behauptet, die Kontaktaufnahme mit dem Bereitschaftsdienst als „Standardprozedere“ angesehen und nur deshalb in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2019 nicht erwähnt zu haben, vermag er keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage zu wecken.

[4] Die „wechselnde Verantwortung“ des Beschuldigten hat der Disziplinarrat bloß im Rahmen der Begründung für die – nicht entscheidungsrelevante – Feststellung zu den Ursachen der Verhinderung (auch) der in der Kanzlei des Beschwerdeführers beschäftigten Rechtsanwaltsanwärterin an der Teilnahme an der Vernehmung am Landesgericht ***** erwähnt (ES 13), und damit – entgegen dem Berufungsstandpunkt – keineswegs „versucht“, seine Glaubwürdigkeit generell „in Zweifel zu ziehen“. Mit dem Vorbringen zu den Gründen für die erst anlässlich der Disziplinarverhandlung am 6. Februar 2020 erfolgte Offenlegung des wahren Hinderungsgrundes werden demnach Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen nicht angesprochen.

[5] Auch die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe versagt.

[6] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.500 Euro und wertete dabei den bislang ordentlichen Lebenswandel sowie die lange Verfahrensdauer als mildernd, wobei letzterer Milderungsgrund zu einer Reduktion der als angemessen erachteten Sanktion von 3.000 Euro um 500 Euro führte (ES 17).

[7] Das in der Berufung hervorgehobene Tatsachengeständnis des Beschuldigten, also das Zugeben bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des disziplinarrechtswidrigen Verhaltens, wäre unter dem Aspekt eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) nur dann bedeutsam, wenn sich dieses maßgeblich auf die Beweisführung ausgewirkt hätte (RIS‑Justiz RS0091460 [T6]; Ebner  in WK² StGB § 34 Rz 38), was fallbezogen zu verneinen ist.

[8] Mit der Argumentation, das Verschulden sei hier (auch) deshalb als gering anzusehen, weil der Disziplinarbeschuldigte ohnehin versucht habe, durch die unverzügliche Kontaktaufnahme mit der Hotline des rechtsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienstes ein Einschreiten der zweiten diensthabenden Rechtsanwältin zu erwirken, erschöpft sich der Sache nach in der Bestreitung des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhalts und ist solcherart (auch) unter dem Aspekt der Strafbemessung unbeachtlich.

[9] Bei einer Strafobergrenze von 45.000 Euro entspricht die verhängte, im untersten Bereich des Strafrahmens ausgemessene Geldbuße – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das „Pflichtverhör“ aufgrund des Engagements der zuständigen Richterin sowie der Rechtsanwaltskammer zeitnah durchgeführt werden konnte – Tatunrecht und Täterschuld sowie den durchschnittlichen Einkommensverhältnissen eines Rechtsanwalts.

[10] Ein schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) kommt ebenso wenig in Betracht wie ein Vorgehen nach § 39 DSt idF vor BGBl 2020/19 (vgl § 80 Abs 6 letzter Satz DSt), weil die vorliegende Verletzung von Berufspflichten im Rahmen des – (auch) zur Wahrung von Rechten Beschuldigter (hier zudem in einer Haftsache; § 174 Abs 1 StPO) eingerichteten – rechtsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienstes entgegen dem Berufungsstandpunkt keineswegs eine bloß geringfügige disziplinäre Verfehlung darstellt (vgl RIS‑Justiz RS0075487 [T1]). Die vom Berufungswerber angestellten Überlegungen in Bezug auf in anderen Verfahren wegen Berufspflichtenverletzungen verhängte Sanktionen haben dabei außer Betracht zu bleiben (vgl RIS‑Justiz RS0090736).

[11] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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