OGH 23Ds5/19s

OGH23Ds5/19s8.6.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 8. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Konzett und Mag. Brunar sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung der Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 25. April 2019, AZ D 4/18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda und des Kammeranwalts Dr. Müller zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0230DS00005.19S.0608.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von einem weiteren Vorwurf enthaltenden – Erkenntnis wurde Rechtsanwältin ***** des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Danach hat sie im August 2017 (zu ergänzen: in *****) unter Verstoß gegen § 15 RL-BA 2015 ihrer Mandantin Andrea D***** für die Vertretung in einer einvernehmlichen Ehescheidung, und zwar für die Vorbereitung und das Verfassen einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen (§ 55a Abs 2 EheG), ein grob überhöhtes Honorar von 18.251,60 Euro netto, ermäßigt auf 15.000 Euro netto, anstelle eines angemessenen Honorars von 7.135,10 Euro netto (ES 14) in Rechnung gestellt.

Über sie wurde hiefür eine Geldbuße von 1.200 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung der Beschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe.

Die – eine unrichtige rechtliche Beurteilung und das Vorliegen von Feststellungsmängeln (vgl aber Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600) behauptende – Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats. Diesen zufolge hat die Beschuldigte in der Zeit vom 1. August 2016 bis 24. Jänner 2017 ihre Mandantin über deren Ehescheidung sowie den Unterhalt für sie und ihre Kinder beraten (ES 5) und bis zum 12. Juli 2017 eine zweimal (hauptsächlich bezüglich des Ehegattenunterhalts) geänderte, den Ehegatten- und Kindesunterhalt sowie die Übertragung der Ehewohnung, von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten umfassende Scheidungsvereinbarung iSd § 55a Abs 2 EheG entworfen (ES 8 ff). Der Disziplinarrat hat aufgrund dieser Leistungen – entgegen der Forderung eines „ermäßigten“ Pauschalhonorars in Höhe von 15.000 Euro netto (ES 9) – einen tarifmäßigen Honoraranspruch von 7.135,10 Euro (zuzüglich 20 % USt) für angemessen erachtet (ES 14).

Weshalb die im Erkenntnis konstatierten, vor dem Verfassen der gegenständlichen Scheidungsvereinbarung erbrachten Leistungen der Beschuldigten (ES 5 ff) – nämlich (auch telefonische) Besprechungen sowie (E‑Mail‑)Korrespondenz mit der Auftraggeberin, (teils auch schriftliche) Informationsaufnahme, Studium und Erörterung der Rechtslage, konzeptive Tätigkeiten und erforderliche Erörterungen des Entwurfs – keine mit der Errichtung dieser rechtsgeschäftlichen Urkunde gewöhnlich verbundenen Verrichtungen und somit bereits durch die tarifmäßige Gebühr nach § 2 NTG abgegolten wären (vgl RIS‑Justiz RS0070769), macht die Berufungswerberin nicht deutlich.

Soweit die Rechtsrüge behauptet, von § 2 NTG seien nur solche Tätigkeiten erfasst, die nach der Auftragserteilung zur Errichtung der Scheidungsfolgenvereinbarung „aufgrund vorgegebener Grundlage“ erfolgten, legt sie nicht methodengerecht dar, warum in erkennbarem Zusammenhang mit einem bevorstehenden Auftrag erfolgte und dessen sachgerechter Erfüllung dienende Tätigkeiten des Rechtsanwalts nicht mit der Vertragserstellung „gewöhnlich verbundene Verrichtungen“ iSd § 2 NTG sind. Im Übrigen wäre die Forderung der Beschuldigten auch unter Hinzurechnung der von der Berufung für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis zum 24. Jänner 2017 reklamierten zusätzlichen „zumindest 3.000 Euro netto“ noch immer stark überhöht.

Entgegen der Berufung steht dem Vertragsverfasser iSd § 8 Abs 5 erster Satz AHK, dem zu diesem Zweck ein Entwurf einer Vertragspartei zur Verfügung gestellt wird, neben der Wertgebühr nach § 18 NTG keine gesonderte Gebühr iSd § 8 Abs 5 zweiter Satz AHK für die „Begutachtung fremder Verträge“ zu.

Die Erbringung von – zu einer Erhöhung der Gebühr nach § 18 NTG führenden – Verrichtungen, die von ungewöhnlichem Umfang, besonderer Schwierigkeit, Verantwortlichkeit oder mit besonderem Zeitaufwand verbunden sind (§ 3 Abs 1 NTG; vgl RIS‑Justiz RS0070775), wurde – von dem auch insoweit „Feststellungsmängel“ behauptenden Vorbringen abermals übergangen – vom Disziplinarrat ausdrücklich verneint (vgl ES 5 ff iVm 13), zumal die Beschuldigte auch (so etwa im Zusammenhang mit einer allfälligen Ausgleichszahlung) von der Mandantin gar nicht gewünschte Leistungen erbracht hat (vgl ES 7 und 13; RIS‑Justiz RS0038731, RS0116278).

Weshalb die Forderung der Beschuldigten von mehr als dem Doppelten des nach Tarif angemessenen Honorars kein Begehren offensichtlich überhöhter Kosten sein soll (vgl dazu [sowie zu den eingeschränkten Publizitätserfordernissen des gesetzten Fehlverhaltens] RIS‑Justiz RS0055068 [T3], RS0055114 [T1, T5] und insbesondere RS0055136 [T2]; Engelhart/Hoffmann/ Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 1 DSt Rz 22 f sowie §§ 15, 16 RL‑BA 2015 Rz 10), macht die Rüge nicht klar.

Der Einwand bloß irrtümlicher Fehlverrechnung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0055658, RS0055665 [T4]) verkennt, dass der Disziplinarrat ersichtlich ohnehin nicht von Vorsatz, sondern (nur) von einem sorgfaltswidrigen Verstoß gegen § 15 RL‑BA 2015 (vgl dazu RIS‑Justiz RS0055114, RS0055136, RS0055146) ausging. Dabei betrifft der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab eine Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0089407; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 572), wobei der objektive Sorgfaltsverstoß grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (RIS‑Justiz RS0088909; Burgstaller/Schütz in WK2 StGB § 6 Rz 90). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht hätte nachkommen können, sind aus ihrer Verantwortung (vgl ON 12 S 116 ff) nicht abzuleiten.

Mit der Forderung nach Konstatierungen zu einem nachträglich gewährten Honorarnachlass wird kein rechtlich relevanter Umstand angesprochen (RIS‑Justiz RS0120096).

Die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) legt nicht dar, weshalb die vom Disziplinarrat aus den im Erkenntnis angeführten – im Übrigen jeweils von der Beschuldigten selbst verfassten – Urkunden (ES 11 f) gezogenen Schlussfolgerungen den Kriterien folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungen (RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732) widersprechen sollen, und zeigt (unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) auch keine zu diesen Annahmen in erörterungspflichtigem Widerspruch stehende Verfahrensergebnisse auf. Denn mit dem Verweis auf die dem Bericht der Untersuchungskommissärin angeschlossenen Aktenvermerke und Ausdrucke von E‑Mails (Beilagen zu ON 6) werden bloß (telefonische) Besprechungen und (E‑Mail‑)Korrespondenz mit der Mandantin, (schriftliche) Informationsaufnahmen sowie die Erörterung der Rechtslage – sohin mit der Errichtung einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen nach § 55a Abs 2 EheG gewöhnlich verbundene Verrichtungen (iSd § 2 NTG) – betreffende Beweismittel bezeichnet.

Das (auf das Vorbringen der Mängelrüge verweisende) Vorbringen der Schuldberufung, mit dem die Berufungswerberin unter Hinweis auf die genannten Aktenvermerke und E‑Mails für sich günstigere Schlussfolgerungen reklamiert, weckt keine Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Lösung der Schuldfrage.

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe schlägt fehl. Als mildernd waren die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit und der Beitrag zur Wahrheitsfindung zu werten, erschwerend wirkte kein Umstand. Die im untersten Bereich des bis zu 45.000 Euro reichenden Rahmens verhängte Geldbuße ist tat‑ und schuldangemessen und daher einer Reduktion nicht zugänglich, woran auch ein – von der Berufung angestellter – Vergleich mit einem anderen (mit dem gegenständlichen nicht im Zusammenhang stehenden) Disziplinarerkenntnis der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer nichts zu ändern vermag.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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