OGH 21Ns2/22i

OGH21Ns2/22i9.8.2022

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Hofer und Dr. Fetz als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, AZ D 50/20 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über den Antrag des Präsidenten des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0210NS00002.22I.0809.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Der Kammeranwalt der Rechtsanwaltskammer Wien beantragte am 3. März 2020 in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, *, Rechtsanwalt in *, *, Rechtsanwalt in *, und *, Rechtsanwalt in *, gemäß § 22 Abs 3 DSt die Bestellung eines Untersuchungskommissärs „lt unterstrichener Passagen §§ 9, 10 RAO; 1 DSt“ (siehe Akt AZ KA 429/19).

[2] Da der Disziplinarbeschuldigte * seinen Kanzleisitz in * hat (ON 7), beantragte der Präsident des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien die „Delegation an den Disziplinarrat Wien“, weil es „aufgrund des gleichen Sachverhalts“ sinnvoll wäre, „den Disziplinarbeschuldigten * an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien zu delegieren“ (ON 11).

Rechtliche Beurteilung

[3] Gemäß § 20 Abs 1 DSt ist zur Ausübung der Disziplinargewalt über Rechtsanwälte der Disziplinarrat derjenigen Rechtsanwaltskammer berufen, bei der der Beschuldigte in dem Zeitpunkt, in dem der Kammeranwalt vom Verdacht eines Disziplinarvergehens Kenntnis erlangt (§ 22 Abs 1 DSt), in die Liste der Rechtsanwälte (§ 5 RAO) eingetragen ist. Damit kommt die persönliche Bindung des Beschuldigten an seine Kammer zum Ausdruck (vgl RIS‑Justiz RS0056813).

[4] Da der Disziplinarbeschuldigte * im maßgeblichen Zeitpunkt (16. August 2019; AZ KA 429/19) in die Liste der Rechtsanwälte der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (seit 1. Dezember 2018) eingetragen war (http://www.rakstmk.at/infocorner/kundmachungen/2018 ), ist der Disziplinarrat dieser Rechtsanwaltskammer zur Ausübung der Disziplinargewalt zuständig.

[5] Die Durchführung des Disziplinarverfahrens kann zwar gemäß § 25 Abs 1 DSt aus bestimmten Gründen ua auf Antrag des Disziplinarrats einem anderen Disziplinarrat übertragen werden, antragslegitimiert ist aber definitionsgemäß allein der an sich zuständige Disziplinarrat. Dieser ist berechtigt, die Delegierung eines Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat zu beantragen. Die Möglichkeit, dass ein – wie hier – unzuständiger Disziplinarrat die Übertragung eines Verfahrens an sich selbst beantragt, sieht § 25 Abs 1 DSt nicht vor (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 25 DSt, 919).

[6] Der Delegierungsantrag des Präsidenten des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokurator – als unzulässig zurückzuweisen.

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