OGH 21Ds1/19p

OGH21Ds1/19p8.10.2019

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 8. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Univ.‑Prof. Dr. Harrer und Dr. Pressl als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 DSt über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 6. März 2019, GZ DISZ/14‑18‑950.05‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0210DS00001.19P.1008.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, dahin abgeändert, dass auch Grund zur Disziplinarbehandlung in mündlicher Verhandlung hinsichtlich des Verdachts vorliegt, ***** habe ein Besprechungszimmer und Drucker gemeinsam mit einer Steuerberatungskanzlei genutzt und dadurch die Verpflichtung zur anwaltlichen Verschwiegenheit verletzt.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde – soweit im Verfahren über die Beschwerde von Interesse – festgestellt, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung hinsichtlich des Verdachts vorliege, ***** habe ein Besprechungszimmer und Drucker gemeinsam mit einer Steuerberatungskanzlei genutzt und dadurch die Verpflichtung zur anwaltlichen Verschwiegenheit verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen (Teil‑)Einstellungsbeschluss erhobene Beschwerde des Kammeranwalts ist im Recht.

Der Disziplinarrat begründete die Einstellung im Wesentlichen damit, dass nach dem Bericht des Untersuchungskommissärs vom 1. Oktober 2018 (ON 16) zwar feststehe, dass die Beschuldigte im Rahmen ihres Kanzleibetriebs sowohl Drucker als auch ein Beratungszimmer gemeinsam mit einer Steuerberatungskanzlei nutze, die „organisatorischen und technischen Vorkehrungen“ aber hinreichen würden, insoweit eine Verletzung der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit auszuschließen. Konkret werde das Besprechungszimmer getrennt verwendet und seien dort keine anwaltlichen Akten gelagert und sei sowohl für das Ausdrucken aus den gemeinsam genutzten Druckern als auch für die Abholung der ausgedruckten Dokumente eine Autorisierung mittels Chipkarte erforderlich.

Nach ständiger Judikatur darf der Disziplinarrat nur dann mit einem Einstellungsbeschluss in nichtöffentlicher Sitzung (§ 28 Abs 3 DSt) vorgehen, wenn kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründenden Verhaltens im Sinn des § 28 Abs 2 DSt vorliegt. Davon ist dann auszugehen, wenn das vorliegende Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung auch nur für möglich zu halten, und auch von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (RIS‑Justiz RS0056973 [T5], jüngst 22 Ds 2/18s).

Demgegenüber ist hier – wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt – die Möglichkeit disziplinarrechtlicher Verfehlungen keineswegs von vornherein zu verneinen:

So könnte etwa eine Verletzung der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit dadurch eintreten, dass im Besprechungszimmer während Besprechungspausen Urkunden unbeaufsichtigt zurückgelassen werden.

In Bezug auf die gemeinsam genutzten Drucker gilt Entsprechendes, sofern bei längeren Druckvorgängen keine dauernde Überwachung stattfindet oder der Zugriff auf die zur Autorisierung erforderlichen Chipkarten durch kanzleifremde Personen möglich ist.

Zudem hängt die disziplinarrechtliche Beurteilung davon ab, welche diesbezüglichen Unterweisungen die Beschuldigte welchen Personen zu welchen Zeitpunkten erteilt hat (vgl § 40 Abs 2 RL‑BA 2015).

Die Abklärung dieser Umstände ist nur durch entsprechende Befragung der Mitarbeiter der Beschuldigten sowie jener Steuerberatungskanzlei möglich, die das Besprechungszimmer und die Drucker mitbenützt.

Da somit Zweifel darüber bestehen, ob die gegen die Beschuldigte erhobenen Vorwürfe geeignet sind, ihre disziplinäre Verantwortung zu begründen, war der diesbezügliche Einstellungsbeschluss unzulässig (RIS‑Justiz RS0056969 und RS0056973 [T3]). Demzufolge war die angefochtene Entscheidung wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

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