OGH 20Ds3/20a

OGH20Ds3/20a3.9.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 3. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Mitterlehner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Part als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufungen des Kammeranwalts und des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 9. Dezember 2019, GZ D 34/19, 10 DV 46/19, TZ 22, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Kammeranwalts Mag. Kammler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129237

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Berufung des Beschuldigten wird das angefochtene Erkenntnis im Schuldspruch a.), somit auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

* wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe unzulässigen Druck ausgeübt, indem er mit Schreiben vom 29. März 2019 betreffend das Baubewilligungsverfahren GZ * der Stadtgemeinde L*, in dem er selbst Bauwerber war, K* und L* D* unter Fristsetzung aufforderte, die von diesen in der Bauverhandlung am 26. Februar 2019 erhobenen Einwendungen unwiderruflich zurückzuziehen, widrigenfalls er gegen sie Klage vor dem Landesgericht Linz erheben und sich an ihnen schadlos halten würde, gemäß §§ 38 Abs 1 erster Fall, 54 Abs 3 DSt

freigesprochen.

Im Übrigen wird der Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge gegeben.

Wegen der unberührt gebliebenen Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (b.)) wird der Beschuldigte zu einer Geldbuße in Höhe von 2.000 Euro verurteilt.

Mit ihren gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufungen werden der Beschuldigte und der Kammeranwalt auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3.500 Euro verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs

a.) hat er unzulässigen Druck ausgeübt, indem er mit dem auf dem Briefpapier seiner Rechtsanwaltskanzlei abgefassten Schreiben vom 29. März 2019 betreffend das Baubewilligungsverfahren GZ * der Stadtgemeinde L*, in dem er selbst Bauwerber war, K* und L* D* unter Fristsetzung auffordert, die von diesen in der Bauverhandlung am 26. Februar 2019 erhobenen Einwendungen unwiderruflich zurückzuziehen, widrigenfalls er gegen sie Klage vor dem Landesgericht Linz erheben und sich an ihnen schadlos halten würde; und

b.) ist er bis jedenfalls März 2019 (ES 8) als Rechtsanwalt sowohl auf der Website www.a*.at als auch auf dem Kanzleipapier als Rechtsanwalt‑„Partner“ der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „A* + Partner Rechtsanwälte“ aufgetreten, obwohl tatsächlich keine derartige Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestand.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe; der Kammeranwalt bekämpft den Strafpunkt.

 

Zutreffend macht der Beschuldigte (der Sache nach aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zu a.) einen Rechtsfehler geltend.

Nach § 17 RL‑BA 2015 darf der Rechtsanwalt nur solche Mittel anwenden, die mit Gesetz, Ehre und Ansehen des Standes vereinbar sind. Er darf weder Ansprüche mit unangemessener Härte verfolgen noch nicht sachbezogene Maßnahmen ankündigen oder anwenden. Diesen Anforderungen hat ein Rechtsanwalt auch zu entsprechen, wenn er in eigener Sache auftritt (vgl RIS‑Justiz RS0055904).

Die Ankündigung des Disziplinarbeschuldigten, unter Umständen Schadenersatzansprüche zu erheben und diesbezüglich (zunächst) eine Feststellungsklage einzubringen, sollten die – Nachbarrechte behauptenden und (mittlerweile) anwaltlich vertretenen – Gegner seines Bauvorhabens die von ihnen dagegen im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen nicht zurückziehen (ES 7 f), widerstreitet diesem Gebot nicht (RIS‑Justiz RS0055886 [T11]).

Die Äußerung, gegebenenfalls Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellt vielmehr eine sachbezogene Maßnahme dar, um einen (vermeintlichen) Schaden wegen – wie behauptet – unberechtigter bzw rechtsmissbräuchlicher Verzögerung einer Bauführung abzuwenden.

Dass die Gegner – von dieser Ankündigung beeindruckt – dem Risiko, klageweise belangt zu werden, entgehen wollten und deshalb ihre im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen gegen das konkrete Bauprojekt zurückzogen (ES 8), ändert daran nichts. Eine Unverhältnismäßigkeit der in Aussicht gestellten Einbringung einer im Entwurf den Gegnern bereits übermittelten Feststellungsklage zur Verhinderung einer (vermeintlich) kostenintensiven Bauverzögerung ist nicht auszumachen.

Der demnach mit Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftete Schuldspruch a.) und somit auch der Strafausspruch waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – aufzuheben und der Beschuldigte von diesem Vorwurf freizusprechen, ohne auf sein weiteres Vorbringen dazu eingehen zu müssen.

 

Entgegen dem zu b.) erhobenen Einwand einer „Nichtigkeit wegen Überschreitung des Verfolgungsantrags“ liegt der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO nicht vor.

Im Disziplinarverfahren gilt das Anklageprinzip nicht. Bei der Schöpfung des Erkenntnisses kann vielmehr über die im Einleitungsbeschluss bezeichneten Anschuldigungspunkte hinausgegangen werden, ohne hiedurch gegen Verfahrensvorschriften zu verstoßen (RIS‑Justiz RS0056014). Der Einleitungsbeschluss ist eine prozessleitende Verfügung. Sein Zweck besteht ausschließlich darin, dem Beschuldigten den Sachverhalt so zu beschreiben, dass er zweifelsfrei erkennen kann, worüber im weiteren Verfahren bzw in einer mündlichen Verhandlung abgesprochen werden wird. Es muss allerdings – sei es durch die Konkretisierung des Vorwurfs im Einleitungsbeschluss, sei es durch einen Hinweis in der Verhandlung – die Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung gewahrt bleiben (20 Os 10/16w).

Im vorliegenden Fall geht schon aus dem Einleitungsbeschluss (GZ D 45/19, 11 DV 47/19‑13) iVm der schriftlichen und der in der Disziplinarverhandlung vorgenommenen Einlassung des Beschuldigten (TZ 21) hinreichend deutlich hervor, dass diesem bekannt gegeben wurde und auch bekannt war, dass Gegenstand des Verfahrens sein unter der Bezeichnung „A*+Partner Rechtsanwälte“ erfolgender, den Anschein einer – nach seinen eigenen Angaben – tatsächlich nicht bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts erweckender Außenauftritt als Rechtsanwalt ist.

Dem der Sache nach erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider durfte der Disziplinarrat schon allein aufgrund der Einlassung des Berufungswerbers davon ausgehen, dass eine Partnerschaft „A*+Partner Rechtsanwälte“ in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts tatsächlich nicht besteht (ES 5).

Entgegen dem weiteren Beschwerdestandpunkt (Z 5 zweiter Fall) hat der Disziplinarrat die vom Beschuldigten bekundete „schuldrechtliche Kooperation“ mit der A* Rechtsanwalts GmbH keineswegs übergangen, sondern in seinen Erwägungen ausdrücklich berücksichtigt (ES 5 und 12).

Die unter dem Titel „unzutreffende rechtliche Beurteilung“ erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a StPO) nimmt nicht – wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch stets geboten – an den im Erkenntnis getroffenen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des durch die Verwendung des dort näher beschriebenen vorgedruckten Briefpapiers sowie auf der Website „www.a*.at“ erfolgenden Außenauftritts des Disziplinarbeschuldigten als Rechtsanwalt Maß (ES 12).

Soweit der Rechtsmittelwerber diese Feststellungen, wonach er durch den Titel „A*+Partner Rechtsanwälte“, der lediglich unter einer Fußnote den Hinweis auf „selbständige Rechtsanwälte in Kooperation“ enthielt, das Vorhandensein einer tatsächlich nicht bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen mehreren Rechtsanwälten suggerierte, mit Schuldberufung bekämpft, erweckt er gegen diese keine Bedenken, weil sich der Disziplinarrat diesbezüglich schlüssig auf das äußere Erscheinungsbild des vom Disziplinarbeschuldigten verwendeten Briefpapiers sowie der Startseite der Website stützen konnte (ES 11 f).

Nach § 10 Abs 2 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren. Er hat insbesondere stets richtige und klare Angaben zu machen. Bereits fahrlässig unrichtige Formulierungen können zu disziplinärer Haftung führen (Rohregger in Engelhart et al RAO10 § 10 RAO Rz 30).

Unklare Angaben zur wirtschaftlichen Stellung eines Rechtsanwalts in Bezug auf sein Handeln als Einzelunternehmer oder aber Teil einer Rechtsanwalts-Gesellschaft laufen diesem Gebot zuwider und stellen – vergleichbar mit nach § 47 RL‑BA 2015 unzulässiger Werbung – eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt dar.

Das Vergehen der Berufspflichtenverletzung wird durch das naturgemäß (auch) zur Tätigkeit für Mandanten verwendete, einen falschen Anschein erweckende Briefpapier (ES 8) zusätzlich verwirklicht (vgl jüngst 27 Ds 3/19a, 20 Os 2/14s; anders gelagert 20 Os 2/16v; Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 1 DSt Rz 9; Feil/Wennig, AnwR8 § 1 DSt S 856 f).

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld zu b.) war somit – in Übereinstimmung mit dem Croquis – der Erfolg zu versagen.

Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof keinen besonderen Umstand als mildernd oder erschwerend. Die ausgemessene Geldbuße entspricht dem – im Gegenstand vergleichsweise geringen – Tatschuldgehalt und den – mangels anderer Angaben mit einem Durchschnittswert anzunehmenden – Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt).

Der Beschuldigte und der Kammeranwalt waren mit ihren gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufungen auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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