European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0200DS00010.17A.0913.000
Spruch:
Der Berufung wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass die Geldbuße in der Höhe von 3.500 Euro eine Zusatzstrafe zum Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 5. September 2016, D 75/15, 10/16 (DV 27/16, 28/16), TZ 18, darstellt.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 3.500 Euro verurteilt.
Danach hat er die J***** OG mit der Restaurierung eines Grabkreuzes beauftragt, jedoch (entgegen § 3 RL‑BA 1977, 1. Teilsatz; § 4 RL-BA 2015) den am 6. Oktober 2015 für die im September 2015 durchgeführten Arbeiten verrechneten – sofort fälligen – Werklohn von 840 Euro verspätet, und zwar erst nach zweifacher Zahlungserinnerung durch die beauftragte Gesellschaft und nach anwaltlicher Mahnung Anfang März 2016 bezahlt.
Als erschwerend bei der Strafzumessung wertete der Disziplinarrat die drei einschlägigen Vorverurteilungen des Disziplinarbeschuldigten, sah aber trotz des Fehlens mildernder Umstände die Verhängung einer Geldbuße im unteren Bereich des Strafrahmens als ausreichend an.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung des Kammeranwalts wegen der (zu geringen) Höhe der verhängten Geldbuße. Dieser verweist in seiner Berufung darauf, dass nicht nur die vom Disziplinarrat selbst für die Strafbemessung herangezogenen Vorverurteilungen des Disziplinarbeschuldigten wegen Vergehen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, zu berücksichtigen gewesen wären, sondern überdies eine weitere Verurteilung zu D 75/15, DV 27/16, die – nach Erledigung der Berufungen des Disziplinarbeschuldigten und des Kammeranwalts – mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 25. April 2017 (20 Ds 3/17x‑11) rechtskräftig geworden war. Außerdem hätte sich der Disziplinarrat angesichts der Vorverurteilungen, die einen erheblichen Erschwerungsgrund (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) darstellten, nicht mit einer Geldbuße, die lediglich ein Drittel der monatlichen Einnahmen des Disziplinarbeschuldigten beträgt, begnügen dürfen.
Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der Strafe auf die Größe des Verschuldens und die daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Recht suchende Bevölkerung, bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Disziplinar-beschuldigten Bedacht zu nehmen. Außerdem sind bei der Strafbemessung die maßgebenden Grundsätze der §§ 32 ff StGB anzuwenden (Lehner in Engelhart et al, RAO9 § 16 Rz 17 mwN). Nach § 32 StGB wiederum sind– ausgehend von der Schuld des Täters – sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Erschwerungs‑ und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen und ist überdies auf spezial‑ und generalpräventive Gründe Bedacht zu nehmen.
Auch im konkreten Fall kann sich die Strafzumessung nicht allein auf den Erschwerungsgrund einschlägiger Vorverurteilungen konzentrieren, sondern muss den mit der Tat verbundenen Erfolgs- und Handlungsunwert berücksichtigen. Der Erfolgsunwert des Disziplinarvergehens war mit Blick auf die Höhe der nicht bezahlten Rechnung keineswegs schwer. Der objektive Handlungsunwert ist deshalb nicht so gravierend einzuschätzen, weil der Disziplinarbeschuldigte ursprünglich die Ausführung des Werkes als mangelhaft beanstandet hatte und – aus welchen Gründen auch immer – letztlich nur davon absah, den Mangeleinwand weiter zu verfolgen.
Schließlich kann die Angemessenheit der aktuell verhängten Geldbuße von 3.500 Euro nicht unabhängig von der mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 25. April 2017, 20 Ds 3/17x‑11, ausgesprochenen Geldbuße von 6.000 Euro bewertet werden:
Wird nämlich jemand, der (rechtskräftig) zu einer Strafe verurteilt wurde, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon bei gemeinsamer Verfahrensführung in I. Instanz in dem ersten Verfahren hätte abgeurteilt werden können, ist (lediglich) eine Zusatzstrafe zu verhängen (§ 31 Abs 1 erster Satz StGB iVm § 16 Abs 5 DSt).
Die – zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Disziplinarrats vom 13. Februar 2017 noch nicht rechtskräftige – Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten in den verbundenen Disziplinarverfahren D 75/15 und D 10/16 (DV 27/16 und DV 28/16) ist am 5. September 2016 erfolgt. Das nunmehrige Disziplinarvergehen wurde durch die Nichtzahlung der fälligen Rechnung im Oktober 2015 verwirklicht, es lag also vor dem erstinstanzlichen Erkenntnis im erwähnten Vorverfahren. Damit kommen aber bei der Strafbemessung durch das Berufungsgericht die Grundsätze der §§ 31, 40 StGB zur Anwendung, auch wenn der Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer mangels Rechtskraft des Erkenntnisses vom 5. September 2016 zum Zeitpunkt der Entscheidung am 13. Februar 2017 darauf noch nicht Bezug nehmen konnte. In einem solchen Fall – wenn die Voraussetzungen erst im Zeitpunkt der Strafbemessung durch das Rechtsmittelgericht vorliegen – ist § 31 StGB (originär) von diesem anzuwenden (RIS‑Justiz RS0090926, RS0090964, Ratz in WK² StGB § 31 StGB Rz 2 f).
Bei der aktuellen Strafbemessung hatte also der Oberste Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob 3.500 Euro eine angemessene Zusatzstrafe darstellen. Das war mit Blick auf die Vortaten (zwei Verstöße gegen § 3 RL‑BA 1977/§ 4 RL‑BA 2015 zwischen Juni 2015 und Februar 2016 hinsichtlich insgesamt rund 4.370 Euro) und angesichts des geringen Erfolgs- und Handlungsunwerts des nunmehrigen Disziplinarvergehens selbst unter Bedacht auf das überdurchschnittliche Einkommen des Beschuldigten zu bejahen und der Berufung des Kammeranwalts der Erfolg zu versagen. Eine Herabsetzung der Gesamtstrafe kam mangels einer Berufung durch den Disziplinarbeschuldigten nicht in Betracht.
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