OGH 1Ob98/03y

OGH1Ob98/03y1.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia S*****, vertreten durch Dr. Birgit Bichler-Tschon und Mag. Sabine Putz-Haas, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Helmut S*****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier und Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterhalts infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2003, GZ 37 R 325/02y-38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 11. Oktober 2002, GZ 1 C 39/01m-33, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile ist aufrecht, ihre eheliche Lebensgemeinschaft allerdings seit Anfang der Achtzigerjahre aufgelöst.

Die Klägerin begehrte für die Zeit von April 1998 bis März 2001 rückständigen Unterhalt von 216.000 S, für die Zeit vom 1. 4. 2001 bis 28. 2. 2002 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 6.000 S und letztlich ab 1. 3. 2002 einen monatlichen Unterhalt von 72,67 EUR. Sie brachte vor, über eine monatliche Pension von 15.167 S und über monatliche Mieteinnahmen von 5.000 S zu verfügen. Der Beklagte hingegen beziehe eine monatliche Pension von 18.433 S und verfüge über monatliche Einkünfte aus der Veräußerung eines Hauses bzw aus dem Verkauf von Liegenschaften im Gesamtbetrag von 29.800 S. Die über den Pensionsbezug hinausgehenden Einkünfte seien in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; allenfalls sei der Beklagte auf die fiktiven Erträgnisse der von ihm verkauften Liegenschaften (Mieteinnahmen), in jedem Fall auf die Zinserträge der Einkünfte aus den Kapitalraten anzuspannen.

Der Beklagte wendete ein, die Erlöse aus der Veräußerung seiner Liegenschaften seien bei der Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin an rückständigem Unterhalt für die Zeit vom 1. 4. 1998 bis 31. 12. 1998 und vom 1. 1. 2000 bis 31. 3. 2001 10.464,96 EUR zu und erkannte den Beklagten schuldig, vom 1. 4. 2001 bis 28. 2. 2002 einen monatlichen Unterhalt von 436,04 EUR und ab 1. 3. 2002 einen solchen von 72,67 EUR zu zahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines Unterhaltsrückstands von 5.232,48 EUR (für die Zeit vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999) wies es - unangefochten - ab. Es stellte fest, die Klägerin habe von 1998 bis 2001 eine monatliche Nettopension zwischen 1.142,22 und 1.198,57 EUR erhalten. Der Beklagte habe in diesem Zeitraum monatlich netto zwischen 1.549,44 und 1.600,36 EUR an Pension bezogen. Für 2002 sei davon auszugehen, dass beide Parteien zumindest die für das Jahr 2001 festgestellten Pensionseinkünfte erzielen. Der Beklagte habe im Dezember 1991 seine Anteile an zwei Liegenschaften verkauft, wobei der Kaufpreis von insgesamt 3,6 Mio S in 240 monatlichen Raten á 15.000 S wertgesichert ab 1. 1. 1992 zu zahlen sei, die letzte Kaufpreisrate somit am 1. 12. 2011 fällig sein werde. Im Dezember 1994 habe er mehrere Liegenschaften um insgesamt 1,208.000 S verkauft. Hievon seien 200.000 S binnen 14 Tagen nach Rechtskraft des grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbeschlusses zahlbar gewesen, der Restbetrag von 1,008.000 S sei in monatlichen Raten á 12.000 S in der Zeit vom 1. 4. 1995 bis 28. 2. 2002 zu entrichten gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die in Form von monatlichen Raten lukrierten Erlöse aus dem Verkauf der Liegenschaften des Beklagten seien in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, weil sie zu dessen Einkommen zählten. Lediglich im Jahr 1999 lägen keine wesentlichen Unterschiede im Einkommen der Streitteile vor, weshalb der für diesen Zeitraum begehrte Unterhalt nicht zuzusprechen sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Unterhaltsbemessung richte sich nach § 94 ABGB. Die Erträgnisse eines Vermögens des zur Unterhaltszahlung Verpflichteten seien in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, grundsätzlich aber nicht die Vermögenssubstanz selbst. Der Kaufpreis für eine Liegenschaft sei nicht deren Ertrag, sondern der Gegenwert für die Sachsubstanz. Die Klägerin verfüge über Pensionseinkünfte, die es - rein vom Bedarf her betrachtet - nicht erforderlich machten, die Substanz des Vermögens des Beklagten anzugreifen. Lebe allerdings der Beklagte auch von der Substanz seines Vermögens und zehre er dieses durch seinen "Lebenszuschnitt" auf, dann müsse er auch den Partner an diesem Vermögen teilhaben lassen. Zur Frage, ob der Lebenszuschnitt des Beklagten auf eine Aufzehrung der Vermögenssubstanz hinauslaufe, an der die Klägerin als Unterhaltsberechtigte zu beteiligen sei, mangle es an Feststellungen. Prima facie deute die Gestaltung der Kaufverträge darauf hin, dass es das Ziel des Beklagten gewesen sei, sich durch die ihm zufließenden monatlichen Raten Mittel zu sichern, um seinen Lebenszuschnitt möglichst lange aufrecht erhalten zu können und so seinen Lebensaufwand zu bestreiten. In diesem Ausmaß seien die aus der Vermögensveräußerung erhaltenen Geldbeträge in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Sollte nur eine Vermögensumschichtung von Real- in Sparvermögen erfolgt sein, müssten die Erträge aus diesem Vermögen Berücksichtigung finden. Der vormalige Liegenschaftsbesitz des Beklagten könne auch insoweit nicht außer Betracht bleiben, als eine Vermietung oder Verpachtung dieser Liegenschaften möglich gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung sind zwar die Erträgnisse des Vermögens eines zur Unterhaltsleistung Verpflichteten in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, die Vermögenssubstanz selbst aber grundsätzlich nicht. Letztere findet bei der Unterhaltsbemessung nur dann Berücksichtigung, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Unterhaltsberechtigten ausreicht (EFSlg 93.865 uva). Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass der beim Verkauf einer Liegenschaft erzielte Kaufpreis nicht als "Erträgnis des Vermögens" anzusehen ist, sondern als Gegenwert für die Sachsubstanz selbst und damit als "Vermögenssubstanz". Es ging auch zu Recht davon aus, dass die Substanz des Vermögens des Klägers unter Bedachtnahme auf die beiderseitigen Pensionseinkünfte und die von der Klägerin erzielten Mieterträge, die sie sich als Einkünfte aus Kapitalerträgen auf den Unterhaltsanspruch anrechnen lassen muss (ecolex 2002, 659), nicht angegriffen werden müsste. Nun gebührt aber der Klägerin unbestrittenermaßen angemessener Unterhalt im Sinne des § 94 Abs 2 ABGB. Die Angemessenheit des Unterhalts richtet sich nach dem einvernehmlich gestalteten Lebenszuschnitt der Eheleute bzw nach dem Stil der Lebensführung, wie er vom Unterhaltsverpflichteten gewählt wird (3 Ob 2307/96b; 1 Ob 529, 530/92; SZ 50/128; RZ 1978/16; EvBl 1977/218). Greift ein zur Unterhaltszahlung Verpflichteter zur Deckung der Kosten der von ihm gewählten Lebensführung die Substanz seines Vermögens an, dann ist es nur recht und billig, den gemäß § 94 ABGB unterhaltsberechtigten Ehepartner an diesem "Lebenszuschnitt" (Lebensstandard) teilhaben zu lassen, und kann insoweit auch das Vermögen des Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung angemessen Berücksichtigung finden (2 Ob 295/00x). Die Frage, wie der Beklagte seinen "Lebenszuschnitt" gestaltet und ob der Stil der von ihm gewählten Lebensführung auf eine Aufzehrung der Vermögenssubstanz hinausläuft, lässt sich mangels Feststellungen durch das Erstgericht in der Tat derzeit nicht beantworten. Aus diesem Grund hat das Berufungsgericht zu Recht die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben, um einerseits entsprechendes Vorbringen zu ermöglichen und andererseits eine ausreichende Feststellungsbasis zu schaffen.

Es schadet nicht, dass die Klägerin nicht ausdrücklich vorbrachte, der Beklagte habe die ihm zugekommenen Kaufpreisraten zur Deckung der von ihm gewählten Lebensführung verwendet, zumal die Klägerin die Einbeziehung dieser Vermögenswerte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage forderte und aus rechtlichen Erwägungen eine Erörterung dahin geboten gewesen wäre, wie der Beklagte seine Lebensführung finanziell gestaltet. Dabei ist nicht zu übersehen, dass - wie schon das Gericht zweiter Instanz ausführte - die Gestaltung der Kaufverträge prima facie darauf hindeutet, dass der Beklagte mit den monatlichen Kaufpreisraten einen gewissen Lebensstandard möglichst lange aufrecht zu halten bestrebt ist (siehe S 7 des Berufungsurteils). Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers wird der Verkäufer einer Liegenschaft, der dem Käufer Ratenzahlung gewährt, unterhaltsrechtlich nicht schlechter gestellt als der Verkäufer, der den Kaufpreis zur Gänze sofort erhält. In beiden Fällen ist die Berücksichtigung des Vermögens geboten, sofern dessen Substanz dazu verwendet wird, um sich einen höheren Lebensstandard zu schaffen und ihn zu genießen (vgl 2 Ob 295/00x).

Frei von Rechtsirrtum sind auch die Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz, soweit sie sich mit der Frage befassen, dass nur eine Vermögensumschichtung von Real- auf Sparvermögen erfolgt sein könnte und dass in diesem Fall die Vermögenserträgnisse in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien (S 8 des Berufungsurteils). Kapitalzinsen, die ein Unterhaltspflichtiger erzielt, stellen nämlich Einnahmen dar, die die Unterhaltsbemessungsgrundlage grundsätzlich erhöhen (ecolex 2002, 659).

Der erkennende Senat pflichtet allerdings den Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz, dass allein schon die Möglichkeit einer Vermietung bzw Verpachtung der vormals im Eigentum des Beklagten gestandenen Liegenschaften eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage bewirken könnte, nicht bei. Die Vermögenssubstanz selbst ist - wie schon ausgeführt - nur dann für den Unterhalt bedeutsam, wenn das Einkommen eines Unterhaltsverpflichteten nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Unterhaltsberechtigten ausreicht (EFSlg 93.865). Der Eigentümer einer Liegenschaft kann deshalb - ist er zur Deckung des angemessenen Unterhalts aus seinem Einkommen in der Lage - zur Vermietung oder Verpachtung seines Liegenschaftsbesitzes nicht verhalten werden: Eine derartige "Anspannung" ist von Gesetzes wegen nicht geboten (vgl 2 Ob 295/00x).

Dem Rekurs des Beklagten ist somit ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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