Spruch:
Über die Weigerung eines Minderheitseigentümers, dem Ansuchen der Mehrheitseigentümer um nachträgliche Baugenehmigung beizutreten, das die baubehördliche Genehmigung für die von einem Dritten eigenmächtig vorgenommenen baulichen Veränderungen zum Ziel hat, hat der Außerstreitrichter zu entscheiden
OGH 14. Mai 1970, 1 Ob 97/70 (LGZ Wien 44 R 34/70; BG Innere Stadt Wien 2 Nc 381/69)
Text
Das Erstgericht wies den Antrag der Johanna F und der Margit R - beide zu je 5/12 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft Wien 9, A-Straße 14 - zurück, dem Antragsgegner Otto H - zu 1/6 Anteil Miteigentümer dieser Liegenschaft - aufzutragen, die vorgelegten, von Zivilingenieur Dr Edith L verfaßten Baupläne, betreffend die provisorische Hofüberdachung und die Änderung des Geschäftseinganges bei dem in diesem Haus befindlichen Espresso- Restaurant, zu unterfertigen.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrunde auf. Im konkreten Fall sei im Hinblick auf den Inhalt des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36 (Baubehörde), v 4. Oktober 1967 zwischen den Miteigentümern die Frage zu entscheiden, ob entsprechend dem genannten baubehördlichen Auftrag der Anbau und die bereits vorgenommene Abänderung des Portals des Hauses beseitigt und der konsensmäßige Zustand wiederhergestellt oder aber um die nachträgliche Baubewilligung für die beschriebenen Veränderungen angesucht werden soll. Durch diese Entscheidung der Miteigentümer sei klarzustellen, welcher der beiden in dem Bescheid der Baubehörde als möglich aufgezeigten Wege eingeschlagen werden solle. Bei dieser in die Zukunft weisenden Entscheidungsmöglichkeit handle es sich um eine Beschlußfassung über künftige wichtige Veränderungen i S der §§ 834 und 835 ABGB. Dem Außerstreitrichter obliege es, darüber zu befinden, ob die von der Mehrheit beschlossene Maßnahme - Ansuchen um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung bzw Benützungsbewilligung - offentbar vorteilhaft oder aber nachträglich ist. Die Zurückweisung des gestellten Antrages stehe im Widerspruch zu den bestehenden Zuständigkeitsvorschriften.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rechtsmittelwerber weist zutreffend darauf hin, daß es einem Miteigentümer grundsätzlich verwehrt ist, die von ihm eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen der im gemeinsamen Eigentum stehenden Sache unter Berufung auf §§ 834, 835 ABGB nachträglich vom Außerstreitrichter sanktionieren zu lassen. Die Anrufung des Richters zur Entscheidung, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung stattfinden soll oder nicht, kann sich naturgemäß nur auf die Zukunft beziehen, weil § 834 ABGB von wichtigen Veränderungen spricht, welche ... vorgeschlagen werden (EvBl 1965/86 = RZ 1965, 126 = ImmZ 1965, 303 = MietSlg 17.051).
Nach dem Vorbringen der Antragsteller, von dem bei der Prüfung der Zuständigkeitsfrage auszugehen ist, kann nun nicht unterstellt werden - wie dies der Rechtsmittelwerber tut -, daß die Mehrheitseigentümer selbst eigenmächtig Veränderungen an der im Miteigentum stehenden Sache vorgenommen oder Veränderungen zugelassen haben und nunmehr den Versuch Unternehmen, eine derartige Vorgangsweise vom Außerstreitrichter nachträglich billigen zu lassen. Der Streit geht nach dem Vorbringen der Antragsteller vielmehr darum, in welcher Weise einem der Gesamtheit der Miteigentümer erteilten behördlichen Auftrag entsprochen werden soll, der den Parteien (nur) die Wahl läßt, entweder den von einer dritten Person (Mieter) eigenmächtig bewerkstelligten Anbau und die erfolgte Abänderung des Portals zu beseitigen und damit den konsensmäßigen Zustand wiederherzustellen oder aber um die nachträgliche Baubewilligung für diese bereits bewirkten Veränderungen anzusuchen. Nach der Beschlußfassung der Mehrheitseigentümer soll von der Miteigentumsgemeinschaft der letztgenannte Weg beschritten werden.
Die Weigerung des Minderheitseigentümers, sich dem Ansuchen um die nachträgliche Baubewilligung anzuschließen, gestattet es den Mehrheitseigentümern, i S der §§ 833 ff ABGB die Entscheidung des Außerstreitrichters zu begehren, wobei dessen Zuständigkeit unabhängig davon gegeben ist, ob es sich bei der von den Mehrheitseigentümern beschlossenen Maßnahme um eine solche der ordentlichen oder der außerordentlichen Verwaltung (wichtige Veränderung) handelt. Die nach § 63 Abs 1 WrBauO erforderliche Zustimmung eines Miteigentümers zum Antrag des anderen Miteigentümers auf Erteilung einer Baubewilligung ist - im Fall ihrer Verweigerung - durch den nach § 835 ABGB ergehenden richterlichen Beschluß zu ersetzen (VwGH 5. Oktober 1954, 2669/53 JBl 1955, 284). Die gleiche Rechtslage ergibt sich, wenn es - wie diesfalls - ein Minderheitseigentümer ablehnt, einem Ansuchen der Mehrheitseigentümer um nachträgliche Baubewilligung beizutreten, das dazu bestimmt ist, die baubehördliche Genehmigung für bauliche Veränderungen zu erlangen, die von einer dritten Person (Bestandnehmer) eigenmächtig vorgenommen worden sind.
Das Rekursgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß über den vorliegenden Antrag im Verfahren außer Streitsachen entschieden werden muß.
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