OGH 1Ob91/18s

OGH1Ob91/18s17.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* R*, vertreten durch Dr. Günter Folk, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, Graz, Göstingerstraße 26, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen restliche 21.601,62 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. April 2018, GZ 3 R 28/18i‑97, mit dem das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Jänner 2018, GZ 13 Cg 55/13s‑92, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122313

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das nach einem Aufhebungsbeschluss fortgesetzte Verfahren ist stets auf den von der Aufhebung betroffenen Teil zu beschränken (RIS‑Justiz RS0042031 [T4]; vgl auch RS0042411); bereits abschließend erledigte Streitpunkte können im fortgesetzten Verfahren nicht wieder aufgerollt werden (RIS‑Justiz RS0042031; vgl auch RS0042014 [T3]). Welche Verfahrensergebnisse im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen wurden, hängt ebenso wie die Frage, auf welchen Teil des Verfahrens und Urteils das weitere Verfahren nach der Aufhebung und Zurückverweisung beschränkt ist, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0042031 [T20]; RS0042411 [T8]).

Das Berufungsgericht hatte die (Tat‑)Frage, ob der Klägerin, der Nachweis gelungen ist, dass der real eingetretene Schaden auf das Verhalten des behandelnden Arztes (Diagnosefehler und eine daran anschließende unzureichende Behandlung/Empfehlung) zurückzuführen ist, in seinem Aufhebungsbeschluss im zweiten Rechtsgang eindeutig bejaht und das Verfahren als insoweit mängelfrei und „endgültig erledigt“ angesehen. Nur zur Thematik, ob die Beklagte, die für das Verhalten „ihres“ Arztes einzustehen hat, nachweisen kann, dass sich wegen eines Anlageschadens ihre Ersatzpflicht auf jene Nachteile beschränkt, die durch eine zeitliche Vorverlagerung des Schadens entstanden sind, trug es die Ergänzung des Verfahrens auf.

Eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zur Frage, welche Verfahrensergebnisse ein erledigter Streitpunkt waren, vermag die Beklagte nicht dadurch aufzuzeigen, dass sie diese zwei unterschiedlichen Punkte wie einen einzigen behandelt, sich auf von ihr herausgegriffene (nicht festgestellte) Beweisergebnisse sowie die von ihr daraus gezogenen Schlussfolgerungen stützt und behauptet, es habe sich im dritten Rechtsgang „der Mangel im Nachhinein als wesentlich umfassender“ herausgestellt „als ursprünglich angenommen“.

2. Die jeweils auf Basis des konkreten Vorbringens zu lösende Frage der Auslegung des Parteivorbringens, wie etwa, ob ein bestimmter Einwand aufrechterhalten oder fallengelassen wurde (hier hatte die Beklagte in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erklärt, sie stütze ihre Bestreitung nicht mehr auf einen Anlageschaden), geht in ihrer Bedeutung ebenso nicht über den Einzelfall hinaus (RIS‑Justiz RS0042828; RS0044273 [T37]). Mit den Behauptungen, der Schaden in Form der Notwendigkeit der Implantation einer Knieprothese sei „allein unfallkausal“ bzw durch eine Fehlbelastung nach der (verspäteten) richtigen Diagnose, entstanden, wendet sich die Revisionswerberin in Wahrheit erneut gegen die bereits abschließend geklärte Frage der Kausalität der fehlerhaften Diagnose (samt daran anschließender Behandlung und Erteilung von Ratschlägen) für die Implantation. Sie gesteht ausdrücklich zu, dass es keinen Anlageschaden gegeben hat.

3. Auch bei Fragen der Verschuldensteilung sind – weil es sich um Ermessensentscheidungen handelt – im Allgemeinen erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen (vgl RIS‑Justiz RS0042405 [T15, T17]). Die Beklagte steht dazu auf dem Standpunkt, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin den Schaden „bewusst“ in Kauf genommen habe und deshalb ihr Verschulden daran auch stärker zu gewichten sei. Ein bewusstes In-Kauf-Nehmen des Schadens lässt sich aber aus dem Sachverhalt nicht ableiten. Zwar steht fest, dass die Klägerin nach ihrer ersten Untersuchung am 8. 10. 2012 weder noch einmal in die Unfallchirurgie, noch ins Krankenhaus „wollte“, obwohl ihre Schmerzen anhielten und sich keine Besserung einstellte und dass sie (wie von der Beklagten releviert: erst) Anfang November einen Termin für Anfang Dezember bei einem Orthopäden vereinbarte, aber auch dass dann, wenn ihr bereits im Zuge der ersten Untersuchung physikalische Therapien verordnet worden wären, sie diese durchgeführt hätte bzw durchführen hätte lassen, und ihr der behandelnde Arzt, der eine Prellung (anstelle eines knöchernen Kreuzbandausrisses) diagnostiziert hatte, lediglich empfohlen hatte, im Bedarfsfall wiederzukommen und sie (nur) darauf hingewiesen hatte, dass der Heilungsverlauf länger dauern könne. Weder ist damit der Klägerin eindringlich eine weitere Behandlung als notwendig zur Verhinderung bestimmter weiterer Folgen aus dem Sturz empfohlen worden, noch kann aus diesen Feststellungen abgeleitet werden, ihr – als Laiin – sei das Risiko der später eingetretenen Konsequenzen (bis hin zur Implantation der Knieprothese) bewusst gewesen. Die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin von nicht mehr als einem Viertel durch das Berufungsgericht ist damit keinesfalls korrekturbedürftig; von einer „Durchbrechung des Kausalzusammenhangs“ durch ihr Verhalten kann keine Rede sein.

Die außerordentliche Revision kann insgesamt eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufwerfen und ist zurückzuweisen, was keiner weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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