OGH 1Ob862/47

OGH1Ob862/4712.12.1947

SZ 21/52

Normen

ABGB §535
ABGB §685
ABGB §688
ABGB §817
AußStrG §2 Abs2 Z7
AußStrG §2 Abs2 Z9
AußStrG §125
AußStrG §126
AußStrG §159
AußStrG §160
AußStrG §161
ABGB §535
ABGB §685
ABGB §688
ABGB §817
AußStrG §2 Abs2 Z7
AußStrG §2 Abs2 Z9
AußStrG §125
AußStrG §126
AußStrG §159
AußStrG §160
AußStrG §161

 

Spruch:

Im Abhandlungsverfahren findet bei Kollision zwischen den die Gültigkeit eines Kodizills bestreitenden gesetzlichen Erben und den Vermächtnisnehmern weder eine Verweisung auf den Rechtweg noch eine Verteilung der Parteirollen oder eine Hemmung der Einantwortung statt.

Für die Sicherstellung der privilegierten Legate ist, solange die Unwirksamkeit des Vermächtnisses nicht feststeht, von Amts wegen Vorsorge zu treffen.

Entscheidung vom 12. Dezember 1947, 1 Ob 862/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Bezau; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Die letztwillige Verfügung des Erblassers, die als Kodizill anzusehen ist, betrifft neun, darunter zwei nach den §§ 159, 160 AußstrG. begünstigte Vermächtnisnehmer. Die gesetzlichen Erben behaupteten in dem vom Gerichtskommissär verfaßten Abhandlungsprotokolle die Ungültigkeit des Kodizills.

Das Erstgericht erteilte den gesetzlichen Erben nach § 2, Z. 7 AußstrG. unter Setzung einer Frist den Auftrag zur Einbringung einer Klage "auf Ungültigkeit des Kodizills, widrigens die Einantwortung verweigert würde, sofern nicht die Erfüllung der zugunsten der Kuratie R. und des mj. F. T. ausgesetzten Legate nachgewiesen wird".

Das Rekursgericht änderte über Rekurs der gesetzlichen Erben ab, verwies die Legatare auf den Rechtsweg mit dem Beisatze, "daß nach fruchtlosem Ablauf der vom Rekursgericht erteilten Klagefrist die Verlassenschaftsabhandlung ohne Rücksicht auf diese Ansprüche fortgesetzt wird".

Der Oberste Gerichtshof hob über Revisionsrekurs der Legatare, die die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebten, sowohl den Beschluß des Rekursgerichtes als auch den des Erstgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Der Oberste Gerichtshof sieht zunächst als entscheidend die Frage an, ob bei einem Streit um die Gültigkeit von Vermächtnissen eine Verweisung auf den Rechtsweg vom Abhandlungsrichter zu erfolgen hat:

In den Entscheidungen GlU. 12.821 und GlUNF. 5, 807 und 2893 wurde der Vermächtnisnehmer unter Erteilung einer Klagefrist auf den Rechtweg verwiesen. Diesem Vorgang ist auch der angefochtene Beschluß gefolgt, allerdings mit der Einschränkung, daß entgegen dem Erstgericht eine förmliche Verteilung der Parteienrollen in analoger Anwendung der §§ 125 ff. AußstrG., wie dies Rintelen S. 78 ff. vorsieht, mangels widerstreitender Erbserklärung nicht Platz zu greifen habe. Jedoch im Hinblick auf den Umstand, "daß es sich im Falle der Vermächtnisse an die Kuratie und an einen Minderjährigen um privilegierte Legate (§§ 159, 160 AußstrG.) handelt", meint das Rekursgericht, "daß die Befriedigung oder Sicherstellung Voraussetzung der Einantwortung sei; es müsse daher Klarheit über das Bestehen solcher Ansprüche geschaffen werden. Dies könne nur durch ein förmliches Beweisverfahren geschehen, weshalb die Beteiligten nach § 2, Z. 7 AußstrG. auf den Rechtsweg verwiesen werden müssen und ihnen nach § 2, Z. 9 AußstrG. eine Frist zu erteilen war". In Konsequenz dieser Rechtsansicht hätte allerdings das Rekursgericht dann den übrigen sieben - nicht begüstigten - Vermächtnisnehmern keine Klagefrist erteilen dürfen, weil gemäß § 817 ABGB. und § 161 AußstrG. in bezug auf die Legatare letztgenannter Art die bloße Verständigung vom Legatsanfall genügt, das Abhandlungsgericht für sie nicht weiter zu sorgen hat, und es ihnen überlassen bleibt, ihre Ansprüche gegen die Erben geltend zu machen, deren Anmeldung der ordnungsmäßigen Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung nicht hinderlich ist.

Dem Rekursgericht kann in der Verneinung der Notwendigkeit der Schaffung der Parteienrollen beigepflichtet werden. Dies deshalb, weil allgemein der Grundsatz zu gelten hat, daß derjenige, der einen Anspruch behauptet, als Kläger aufzutreten und ihn zu beweisen hat, wenn er bestritten wird.

Handl in Klang's Kommentar zu § 535 ABGB., S. 35, lehnt die Verweisung auf den Rechtsweg schlechthin ab. Er hält sie - im Zusammenhänge mit den Bestimmungen der §§ 125, 126 AußstrG. - bei einer Kollision zwischen den eine kodizillarische Verfügung bestreitenden gesetzlichen Erben und dem Vermächtnisnehmer für unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist in Übereinstimmung mit diesem Schriften und folgend der in seinen Entscheidungen GlU. 15.933, 16.029 und GlUNF. 3106 vertretenen Ansicht der Meinung, daß eine förmliche Verweisung auf den Rechtsweg seitens des Abhandlungsgerichtes nicht zu erfolgen hat. Es hat vielmehr im Sinne der Entscheidung GlUNF. 3874 die Geltendmachung der bezüglichen Rechte den beteiligten Personen bloß vorzubehalten. Daran ändert nichts die Tatsache, daß die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Legate an sich auf dem Rechtswege auszutragen ist. Es bleibt daher eine Verweisung nach § 2, Abs. 2, Z. 7 AußstrG. rechtlich nur eine Feststellung der Ausschaltung dieser im Rechtswege zu lösenden Frage aus dem Rahmen des Abhandlungsverfahrens durch den Abhandlungsrichter. Somit findet im Rahmen des Abhandlungsverfahrens auch keine Verteilung der Parteirollen und auch keine Hemmung der Einantwortung durch Erteilung einer Frist statt.

Daß diese Ansicht für die Fälle der nicht bevorzugten Legatare unbedingt Geltung hat, kann nach den oben zu § 161 AußstrG. gemachten Ausführungen keinem Zweifel unterliegen.

Der Oberste Gerichtshof vermeint aber auch, daß dieselben Grundsätze auch für die privilegierten Vermächtnisnehmer Anwendung finden müssen, u. zw. aus folgenden Erwägungen:

Es wird Sache der privilegierten Legatare sein, Sicherstellung der Legate zu begehren (§§ 688, 817 ABGB., SZ. XIX/10). In diesem Zusammenhänge bringt die Ausgabe des Verfahrens außer Streitsachen von Prey - Antoni (1928) bei § 159 AußstrG. zur Frage, wie das Abhandlungsgericht vorzugehen hat, wenn ein Vermächtnis im Sinne der §§ 159 und 160 vom Erben in seiner Gültigkeit bestritten wird, die verschiedenen Lösungen zur Darstellung: a) die bereits behandelte Verweisung des Vermächtnisnehmers unter Erteilung einer Klagefrist;

b) die ebenfalls schon erwähnte Einantwortung nach erfolgter Verständigung der nach § 161 AußstrG. zu beurteilenden Vermächtnisnehmer; schließlich aber c) die Vorsorge von Amt wegen für die Sicherstellung der privilegierten Legate, solange die Unwirksamkeit des Vermächtnisses nicht feststeht (GlU. 12.004, 14.794, 15.584 und GlUNF. 1503). Diesen Entscheidungen liegt aber auch gleichzeitig der Gedanke zugrunde, daß es der Verweisung auf den Rechtsweg zwecks Feststellung der Gültigkeit des Kodizills nicht deshalb bedarf, weil sonst eine Einantwortung nicht erfolgen könnte. Dies muß deshalb hervorgehoben werden, weil das Rekursgericht offenbar vermeint, daß auch eine Bezahlung (Leistung) oder Sicherstellung der bevorrechteten Legate solange nicht möglich sei, als nicht feststehe, ob das Kodizill überhaupt gelte. Es ist vielmehr, wie oben schon gesagt wurde, für eine Sicherung der privilegierten Legate von Amts wegen so lange zu sorgen, als die Unwirksamkeit des Vermächtnisses nicht feststeht.

Von der Frage der Sicherstellung von Amts wegen abgesehen, bleibt es daher den gesetzlichen Erben und auch den nach §§ 160, 161 AußstrG. zu beurteilenden Vermächtnisnehmern unbenommen, die Gültigkeit des Kodizills im Rechtswege festzustellen. Den Vermächtnisnehmern (§ 535 ABGB.) steht ferner das Recht zu, von den gesetzlichen Erben (§ 535 ABGB.) entsprechend den Bestimmungen des § 685 ABGB am Zahlungstage anstatt der Feststellung die Leistung des Legates zu verlangen (SZ. IV/132). Die gesetzlichen Erben aber können, falls sie die Frage des Bestandes der Legate (durch Bekämpfung der Gültigkeit des Kodizills) im Rechtsweg nicht austragen wollen, die Einantwortung nur erlangen, wenn sie die Bezahlung oder Sicherstellung der bevorzugten Legate ausgewiesen haben.

Es waren deshalb über Revisionsrekurs der Legatare beiden untergerichtlichen Beschlüsse aufzuheben. Das Erstgericht wird daher entsprechend den obigen Ausführungen das Abhandlungsverfahren fortzusetzen haben.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Aufhebung der Beschlüsse beider Vorinstanzen von folgenden Erwägungen ausgegangen:

Die Revisionsrekurswerber haben allerdings nur die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und die Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses beantragt, weil ihnen darum zu tun war, daß den gesetzlichen Erben die Klägerrolle zugeteilt werde. Die gesetzlichen Erben hingegen haben seinerzeit deshalb Rekurs ergriffen, weil ihrer Rechtsmeinung nach den Legataren die Klägerrolle zukomme. Sie haben aber mit ihrem Rekurse gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß sie als gesetzliche Erben nicht Kläger sein müssen.

Nach den meritorischen Ausführungen des Obersten Gerichtshofes kommt aber keiner Gruppe der Beteiligten eine Kläger- oder Beklagtenrolle zu. Es können daher die Legatare nicht erzwingen, daß den gesetzlichen Erben, denen kein Rechtsmittel mehr offensteht, die Klägerrolle deshalb bleibt, weil die Revisionsrekurswerber nur den Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses stellen, welchem Begehren aber aus materiellrechtlichen Gründen nicht entsprochen werden konnte. Hiemit ist aber auch dargetan, daß durch die Aufhebung der Beschlüsse beider Untergerichte über den Rekursantrag des Revisionsrekurses nicht hinausgegangen wurde.

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