OGH 1Ob812/76

OGH1Ob812/7619.1.1977

SZ 50/6

Normen

ABGB §44
ABGB §879 Abs2 Z1
ABGB §44
ABGB §879 Abs2 Z1

 

Spruch:

Die Vereinbarung bloßer Adressenvermittlung von Personen, die an einer Eheschließung interessiert sein könnten, stellt keinen nach § 879 Abs. 2 Z. 1 ABGB nichtigen Vertrag dar

OGH 19. Jänner 1977, 1 Ob 812/76 (LG Salzburg 32 R 683/76; BG Salzburg 12 C 605/76)

Text

Die Parteien schlossen am 8. Juni 1974 einen "Dienstleistungsvertrag", womit die Beklagte ihren Beitritt zu dem vom Kläger geführten "Europäischen Partnerring" erklärte und "diese Institution zur Dienstleistung" durch Vorschlag von (bis zu) 52 geeigneten "Partnern" samt Anschriften und zur Hilfe bei der Auswahl des Partners beauftragte. Der Kläger begehrt das vereinbarte restliche Entgelt. Die Beklagte wendete" die Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 879 Abs. 2 Z. 1 ABGB ein.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er stellte den Inhalt der schriftlichen Vereinbarung fest, erachtete die Vernehmung der Parteien für nicht erforderlich und vertrat,die Rechtsansicht, daß die Tätigkeit des Klägers durch Vermittlung von Anschriften anderer Person , neutral und viel zu weit von einer konkreten Ehevermittlung entfernt sei, die der Gesetzgeber allein verhindern wolle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß nach dem Wortlaut des schriftlichen Vertrages die Vermittlung eines Ehepartners naheliege, für die nach § 879 Abs. 2 Z. 1 ABGB ein Entgelt nicht wirksam bedungen werden könne. Wenn,das Erstgericht an diesem Zweck der Vermittlung Bedenken gehabt habe, wäre es verpflichtet gewesen, die Absicht der Parteien zu erforschen.

Der Oberste Gerichtshof hob über die Rekurse beider Parteien den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 879 Abs. 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Im zweiten Absatz der Gesetzesbestimmung sind bestimmte Verträge aufgezählt, die "insbesondere nichtig" sind. Hiezu gehört laut Z. 1 der von der Beklagten in der Sache behauptete Fall, daß "etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird".

Das Berufungsgericht ist im angefochtenen Aufhebungsbeschluß der von Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 189 und der Entscheidung GlUNF 1822 vertretenen Rechtsansicht gefolgt, wonach Unterhandlung zwar zunächst die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe bedeute, darüber hinaus aber auch schon die Vereinbarung eines Entgelts für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe unter die Bestimmung falle, weil die gewerbsmäßige Ehevermittlung zu sehr die geschäftliche Seite der Ehe betone und daraus noch Nutzen ziehe, so daß sie unsittlich erscheine. Da andererseits auffällt, daß die letzte oberstgerichtliche Entscheidung zu diesem Fragenkomplex mehr als 40 Jahre zurückliegt (AnwBl. 1934, 358), und Koziol - Welser mit Recht auf die Existenz zahlreicher Heiratsvermittlungsbüros hinweisen (Grundriß[4] I, 117), die gewerberechtlich unbeanstandet geblieben sind, ist eine neue Prüfung dieser Frage am Platz. Es geht dabei, wie bereits angedeutet, im wesentlichen darum, ob zur Unterhandlung" eines Ehevertrages (dieser selbst ist nach einheitlicher Ansicht im Sinne des § 44 ABGB zu verstehen) auch die bloße Nachweisung einer Gelegenheit zur Kontaktnahme mit der allfälligen Folge der Eingehung einer Ehe, aber ohne sonstige Einflußnahme auf den Willen des Ehewilligen gehört.

Die wörtliche Interpretation der Gesetzesbestimmung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch erfordert keineswegs eine derart weite Auslegung. Zum Unterhandeln eines Ehevertrages, also zur Tätigkeit eines Unterhändlers, der sich um das Zustandekommen einer bestimmten Eheschließung bemüht, gehört offenbar mehr als das bloße gegenseitige Bekanntgeben der Anschriften von Personen, die eine Eheschließung ganz allgemein, mehr oder weniger ernstlich, ins Auge fassen. Der vorliegende Fall ist dafür ein gutes Beispiel: Der Kläger hat sich verpflichtet, der Beklagten je nach der Zahl der ihm von ihr zugesendeten Anforderungskarten bis zu 52 Partner aus der "Mitgliedsliste" seines "Europäischen Partnerrings" namhaft zu machen, während die Beklagte wie jedes "Mitglied" verpflichtet wurde, auf jeden ersten Kontaktbrief zu antworten und (erst) von einer erfolgreichen Partnerfindung den Kläger unverzüglich zu unterrichten, um die nutzlose Übersendung weiterer Vorschläge zu vermeiden. Die Partnervorschläge sollten in Form von kurzen Charakteristiken abgefaßt und individuell für jedes Mitglied unter Berücksichtigung der im Fragebogen gemachten Angaben ausgewählt werden. Abgesehen von dieser Streuung der Partnervorschläge nach gewissen Wünschen und Eigenheiten enthält die Vereinbarung der Streitteile nichts über eine Verpflichtung des Klägers zur konkreten Verwendung für das Zustandekommen einer bestimmten Beziehung. Die große Zahl der zu machenden Vorschläge und das Fehlen einer persönlichen Bekanntmachung der Partner durch den Kläger sprechen umgekehrt dafür, daß der Beklagte wie jedem anderen "Mitglied" des Partnerrings die Freiheit der Entscheidung unter einer großen Anzahl von Partnern und ebenso über alle Einzelheiten einer allfälligen näheren Bindung überlassen blieb.

Aber auch die historische und die teleologische Auslegung des Gesetzes (näheres hiezu siehe EvBl. 1976/53) fordern die Anwendung der Gesetzesbestimmung auf Fälle wie den vorliegenden nicht. Gschnitzer selbst (a. a. O.) verweist mit Recht darauf, daß der Gesetzgeber als Unterhandlung wohl (nur) die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe verstand, weil Zeiller (Commentar III/1, 47 f;) den Fall des Unterhändlers, der sich aus Gewinnsucht gewöhnlich falscher, listiger Angaben zur Verleitung zu einer in der Folge oft sehr bereuten Ehe bedient, von dem einer ohne Rücksicht auf den Erfolg zugesicherten Belohnung und einem nur für die Bewirkung einer näheren Bekanntschaft bedungenen Lohn unterscheidet. Das Motiv der Gewinnsucht für eine dem Ehewerber schädliche Schönfärberei oder gar List des Vermittlers tritt tatsächlich in den Fällen bloßer Adressenbekanntgabe in den Hintergrund. Hier besteht keine "Suggestionsgefahr" (vgl. Gilles, Zur aktuellen Zivilrechtsproblematik gewerbsmäßiger Ehevermittlung, dJZ 1972, 379).

Ein Teil der Lehre ist vom Anfang an für die engere Auslegung des Gesetzes eingetreten (außer Zeiller a. a. O.; Stubenrauch, Commentar[8], 37). In der neueren Lehre vertritt Wolff, Grundriß[4], 88 denselben Standpunkt, während der strittige Fall von Ehrenzweig (System[2] II/I, 163) sowie Koziol - Welser (a. a. O.) nicht erörtert wird (letztere bezweifeln allerdings generell die heutige moralische Berechtigung der Gesetzesbestimmung). Gschnitzer trat zwar in beiden Auflagen des Klang-Kommentars für die weite Auslegung ein, bezeichnet aber später selbst (Lehrbuch, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechtes, 199) die Anwendbarkeit der Gesetzesbestimmung für die Fälle eines bloßen Nachweises der Gelegenheit zur Eheschließung, des Ausfindigmachens einer passenden Partie, als zweifelhaft. Abgesehen von dieser Meinungsänderung sind die Argumente Gschnitzers in Klang (a. a. O.) für die Einordnung der bloßen Nachweisung einer Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe unter die Gesetzesbestimmung des § 879 Abs. 2 Z. 1 ABGB nicht überzeugend:

Von ihm gesehene Schwierigkeiten der Abgrenzung der Vermittlung von ihren Vorstufen können eine ausdehnende Auslegung der Ausnahmebestimmung nicht rechtfertigen; tatsächlich überläßt der Gesetzgeber in anderen vergleichbaren Fällen ähnliche Abgrenzungen den Gerichten (vgl. § 6 Abs. 4 HVG). § 656 dBGB aber kann schon deshalb nicht zum Vergleich herangezogen werden, weil diese Gesetzesbestimmung im Gegensatz zur österreichischen den (bloßen) Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe ausdrücklich dem Fall der Vermittlung ihres Zustandekommens gleichstellt.

Von den in Klang[2] IV/1, 189 von Gschnitzer ausgeführten Entscheidungen deckt nur die jetzt schon fast hundert Jahre zurückliegende Entscheidung GlU 8319 seine dortige Rechtsansicht. Die Vermittlung der beiderseitigen Nachfrage und des beiderseitigen Angebotes soll danach auch ohne Teilnahme an den weiteren Verhandlungen deswegen unter § 879 ABGB fallen, weil der Zweck der Ausschließung aller Personen, die wegen ihres Lohnanspruches ein eigenes Interesse am Zustandekommen der Ehe haben, auch hier zutreffe. Diesem Argument kommt jedoch, wie schon oben dargestellt, in Fällen der bloßen Adressenvermittlung keine entscheidende Bedeutung zu. Die Entscheidungen GlU 9361 und GlUNF 1822 betrafen hingegen Fälle, in denen sich die Tätigkeit des Vermittlers nicht auf das bloße Ausfindigmachen eines Ehepartners beschränkte, sondern eine weitergehende Einwirkung auf den Willen wenigstens eines der Partner zur Eheschließung führte. Dies war auch für die Entscheidung des Obersten Gerichtes in Brünn, ZBl. 1930/208, das wesentliche Kriterium, während andere alte Entscheidungen bloß Sonderfälle abweichender Problematik betrafen (GlU 13 627: Rente an die Schwiegermutter für ihre Zustimmung; GlU 15 580 Umstimmung des Schwiegervaters; GlUNF 1999: Streit mehrerer Unterhändler über ihre Anteile). Im Falle der letzten, zum Problemkreis ergangenen Entscheidung Anw. 1934, 358 handelte es sich - bei nicht näher mitgeteiltem Sachverhaft - um das Ausfindigmachen einer passenden Braut mit Mitgift. Hier wurde allerdings wiederum ein Unterschied zwischen dem "Ausfindigmachen einer Partie" und den Unterhandlungen zur Herbeiführung einer Ehe verneint; die Begründung erschöpfte sich jedoch im (unzutreffenden) Zitat der Entscheidung GlUNF 1822 und der Meinung Gschnitzers in der ersten Auflage des Klang - Kommentars (von der er zuletzt selbst abgerückt ist; siehe oben).

Zusammenfassend bietet daher auch die Judikatur eher Hinweise auf die Notwendigkeit einer Einwirkung des Vermittlers auf den Ehewillen, umgekehrt aber ebensowenig wie die Lehre überzeugend Argumente für die Gleichstellung des "Vermittlers", der mögliche Partner bloß bekannt gibt, mit jenem, der sich an der Unterhandlung eines Ehevertrages, besonders in vermögensrechtlicher Hinsicht, aktiv beteiligt. Eine derart weite Auslegung der Gesetzesbestimmung ist dann aber abzulehnen, zumal diese eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit darstellt. Der OGH gelangt deshalb zu dem Schluß, daß § 879 Abs. 2 Z. 1 ABGB auf die bloße Adressenvermittlung von Personen, die an einer Eheschließung interessiert sein könnten, nicht anzuwenden ist.

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