Normen
EO §78
EO §387
EO §391
JN §29
JN §43
JN §44
JN §49 Abs2 Z5
ZPO §232
ZPO §261
ZPO §524
EO §78
EO §387
EO §391
JN §29
JN §43
JN §44
JN §49 Abs2 Z5
ZPO §232
ZPO §261
ZPO §524
Spruch:
Zuständigkeit des Prozeßgerichtes zur Verlängerung der von ihm bewilligten einstweiligen Verfügung auch nach Fassung eines bisher nicht rechtskräftigen Beschlusses auf Zurückweisung der Klage wegen absoluter Unzuständigkeit.
Zulässigkeit der Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer einstweiligen Verfügung.
Entscheidung vom 3. März 1948, 1 Ob 80/48.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht bewilligte infolge Antrages der Kläger mit Beschluß vom 30. Dezember 1947, 11 Cg 149/47-19, die Verlängerung der ursprünglich mit Beschluß vom 22. August 1947 erlassenen und mit 1. Jänner 1948 befristeten einstweiligen Verfügungen bis längstens 1. Oktober 1948, weil der Rechtsstreit 11 Cg 149/47 noch nicht beendet sei und die Voraussetzungen noch immer gegeben seien, die für die Bewilligung der einstweiligen Verfügung maßgebend gewesen waren.
Gegen diesen Beschluß erhob die Beklagte rechtzeitig Rekurs und Widerspruch. Sie machte grundsätzlich geltend, daß einstweilige Verfügungen nicht verlängerungsfähig seien und bestritt auch die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes zur Erlassung des Verlängerungsbeschlusses unter Hinweis darauf, daß es mit Beschluß vom 25. November 1947, die Klage wegen Unzuständigkeit auf Antrag der Kläger an das Bezirkgericht für Zivilrechtssachen Graz überwiesen habe. Diese Unzuständigkeit ergebe sich aus § 49, Abs. 2, Z. 5 JN., da es sich um eine Streitigkeit, betreffend einen Mietvertrag handelt, weshalb nur das örtlich zuständige Bezirksgericht unter Ausschluß jeder Parteienvereinbarung zur Entscheidung berufen sei. Der Überweisungsbeschluß sei aber gemäß § 261 ZPO. unanfechtbar.
In Wirklichkeit hatte das Prozeßgericht keinen Überweisungsbeschluß gemäß § 261 ZPO. gefaßt, wiewohl eine solche Überweisung für den Fall von den Klägern begehrt worden war, als die von ihnen bestrittene Unzuständigkeit nach Ansicht des Gerichtes dennoch gegeben sein sollte. Vielmehr hatte das Erstgericht die Nichtigkeit des bisher durchgeführten Verfahrens ausgesprochen und die Klage unter gegenseitig Kostenaufhebung mit Beschluß vom 25. November 1948 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß haben die Kläger rechtzeitig Rekurs ergriffen, der dem Rekursgerichte schon vorliegt, über den aber bisher noch nicht entschieden ist.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Verlängerungsbeschluß vom 30. Dezember 1947 Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung bis zum 1. Oktober 1948 zurückwies.
Aus der Begründung des Rekursgerichtes:
Das Rekursgericht kann sich allerdings der in der älteren Rechtsprechung vertretenen Auffassung, daß eine Verlängerung der Zeit für die gemäß § 391, Abs. 1, Satz 1 EO. eine einstweilige Verfügung bewilligt wurde, unstatthaft ist, daß daher nur neuerdings um die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung angesucht werden muß (siehe Rechtsprechung zu § 391, Abs. 1 EO. in der Manz-Ausgabe 1937, Anm. 1) nicht anschließen, folgt vielmehr der neueren in den Entscheidung vom 29. März 1927, ZBl. 1927, Nr. 229, und insbesondere vom 26. April 1932, ZBl. 1932, Nr. 246, vertretenen Auffassung der Zulässigkeit der zeitlichen Verlängerung für den Fall des Vorliegens aller Voraussetzungen einer neuen einstweiligen Verfügung. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht allein schon der Zweck dieser Bestimmung, die einstweilige Verfügung für jenen Zeitraum zu bewilligen, bis der gefährdeten Partei entweder der Anspruch aberkannt wurde oder sie instandgesetzt ist, denselben im Wege der Sicherungs- oder Befriedigungsexekution durchzusetzen.
Gerade diese Voraussetzung ist aber vorliegend nicht erfüllt. Denn durch Beschluß vom 25. November 1947, 11 Cg 149/47-18, wurde das über die Klage eingeleitete Verfahren für nichtig erklärt und wurde die Rechtssache (richtig die Klage) wegen absoluter Nichtigkeit des angerufenen Gerichtes (§ 49, Abs. 2, Z. 5 JN.) zurückgewiesen und wurde insbesondere auch dem in der Streitverhandlung vom 25. November 1947 gestellten Antrag des Klägers auf Überweisung der Sache an das allein zuständige Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz, wenn auch nicht durch zuständige Abweisung, so doch durch Unterlassung der Überweisung und Begründung derselben keine Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß ist nach der Aktenlage allerdings noch nicht in Rechtskraft erwachsen, doch wurde durch diese Entscheidung immerhin die Zuständigkeit des Erstgerichtes zur Verlängerung der einstweiligen Verfügung in Frage gestellt, da die Stellung des Überweisungsantrages nach herrschender Rechtsauffassung die Unterwerfung des Antragstellers unter die Entscheidung des Gerichtes über die Einrede der Unzuständigkeit beinhaltet und daher der Beschluß ON 17 nur mehr in der Frage der Abweisung des Überweisungsantrages angefochten werden kann (§ 261, Abs. 6 ZPO.). In diesem Falle ist aber die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes zu einer neuen Bewilligung der einstweiligen Verfügung und damit auch zu einer Verlängerung der Frist nach § 387, Abs. 1 EO. nicht mehr gegeben.
Damit war in Stattgebung des Rekurses der Verlängerungsantrag zurückzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof hob diesen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:
Dem Revisionsrekurs kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.
In der Frage, ob eine Verlängerung der Wirksamkeitsdauer einer bewilligten einstweiligen Verfügung gemäß § 391, Abs. 1 EO. zulässig sei, genügt es auf die seit dem Jahre 1927 ständig festgehaltene, von der älteren Judikatur bewußt abgehenden Spruchpraxis des Obersten Gerichtshofes zu verweisen (vgl. JBl. 1946, S. 258 = EvBl. 1946, Nr. 245). Der Oberste Gerichtshof findet keinen Anlaß von dieser Rechtsansicht, die auch durch die herrschende Lehre (Pollak III, S. 1048, Rintelen, 143, Neumann - Lichtblau, S. 1245) unterstützt wird, abzugehen.
In der Frage der Zuständigkeit des Prozeßgerichtes zur Erlassung der begehrten Verlängerungsverfügung im Hinblick auf den ihr vorangegangenen Beschluß auf Zurückweisung der Klage wegen unheilbarer Unzuständigkeit vermag der Oberste Gerichtshof jedoch dem Rekursgericht nicht beizutreten.
Über die Richtigkeit dieses Beschlusses ist hier nicht zu sprechen, da diese Frage zunächst vom Rekursgericht zu prüfen sein wird, dem der diesbezügliche Rekurs bereits zur Entscheidung vorliegt, die auch die Frage der Zulässigkeit des Rekurses umfassen wird.
Hier steht nur die Frage zur Entscheidung, ob das Prozeßgericht nach Fassung des Zurückweisungsbeschlusses zur Erledigung des Antrages noch zuständig war.
Zur Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung einer einstweiligen Verfügungiist gemäß § 387 EO. das Prozeßgericht erster Instanz solange zuständig, als der Rechtsstreit nicht rechtskräftig beendet ist. Diese Zuständigkeit beginnt mit der Anbringung der Klage, also der Prozeßanhängigkeit zum Unterschied von der erst mit der Klangzustellung eintretenden Streitanhängigkeit (§ 232 ZPO.), und ist unabhängig von der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes, sofern dieses nicht nach Vorprüfung die Klage a limine gemäß § 43 JN. zurückweist (Neumann - Lichtblau, S. 1231). Die einmal begrundete Zuständigkeit zur Erlassung der einstweiligen Verfügung wird aber nicht durch den späteren Umstand geändert, daß der Prozeß bei dem betreffenden Gericht infolge Klagszurückweisung nicht mehr anhängig ist (§ 29 JN.). Gegenwärtig ist nun der Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig beendet, da gegen den Zurückweisungsbeschluß von den Klägern Rekurs erhoben wurde. Dagegen steht nicht § 524 ZPO., § 78 EO., da nach dieser Gesetzesstelle nur die Ausführung des angefochtenen Beschlusses und der Eintritt der Vollstreckbarkeit als durch die Erhebung des Rekurses nicht betroffen bezeichnet werden.
Schon aus diesen Erwägungen ist die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes erster Instanz zur Erlassung einer Verlängerungsbewilligung ohne Rücksicht auf das Schicksal des noch unerledigten Rekurses begrundet.
Aber selbst wenn dem nicht so wäre, könnte dem Erstgericht die von ihm hinsichtlich des Verlängerungsbeschlusses in Anspruch genommene Zuständigkeit nicht bestritten werden, da gemäß § 44, Abs. 3 JN. im Verfahren außer Streitsachen und im Exekutionsverfahren sowie im Verfahren bei Erlassung einer einstweiligen Verfügung das Gericht, welches seine Unzuständigkeit ausspricht, ohne einen Überweisungsbeschluß zu fassen, bis zum Eintritt der Rechtskraft jenes Ausspruches alle zur Sicherung der Parteien oder des Zweckes des Verfahrens nötigen Verfügungen treffen kann. Darüber, daß die Erstreckung der Wirksamkeitsdauer, also eine Abänderung einer schon bewilligten einstweiligen Verfügung, in dieser Hinsicht der Erlassung einer solchen gleichzuhalten ist und daß das Gericht von der ihm in § 44, Abs. 3 JN. eingeräumten Befugnis, wenn es zur Wahrung öffentlicher Interessen oder zur Sicherung der Parteien erforderlich ist, nicht nur Gebrauch machen kann, sondern muß, kann aber kein Zweifel bestehen.
Dem begrundeten Revisionsrekurs war darum Folge zu geben. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst kann jedoch im Hinblick darauf, daß das Rekursgericht den klägerischen Antrag zurückgewiesen hat, derzeit noch nicht eintreten. Es wird vielmehr nun vom Rekursgericht über den Rekurs des Beklagten unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund sachlich zu entscheiden sein.
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