Spruch:
Über "echte" und "unechte" Kosten des Schiedsgerichtes und die Berechtigung des Schiedsgerichtes zur Kostenentscheidung.
Entscheidung vom 1. Oktober 1952, 1 Ob 803/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
In der gleichen Parteienrolle wie in der vorliegenden Rechtssache haben die Parteien auf Grund der von ihnen eingebrachten Schiedsklagen vor einem Privatschiedsgericht am 16. Oktober 1950 ein Schiedsgerichtsurteil erwirkt, das in Rechtskraft erwachsen ist. Der Schiedsspruch enthält u. a. folgende Bestimmung: "Die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben. Herr Ing. K. (das ist eine der Schiedsgerichtsparteien und jetzt der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit) ist schuldig, Herrn Ignaz H. (die andere Schiedspartei, jetzt der Kläger) die Hälfte der von ihm verauslagten Kosten des Buchsachverständigen Leopold G. von insgesamt 3374 S, dies ist 1687 S, binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen". Der Kläger hat zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 1687 S Fahrnisexekution geführt, die ihm vom Rechtspfleger bewilligt wurde. Über Rekurs wies der Richter gemäß § 56 a GOG. den Exekutionsantrag ab; das Rekursgericht bestätigte. Es war der Rechtsansicht, daß das Schiedsgericht zu Unrecht das Honorar für den Sachverständigen bestimmt habe, weil es über die Entlohnung der Schiedsrichter als auch des Sachverständigen nicht entscheiden dürfe.
Im Hinblick auf das erwähnte Exekutionsverfahren verlangt nun der Kläger vom Beklagten im Klageweg die Zahlung des Betrages von 1687 S s. A.
Das Erstgericht erkannte nach dem Klagebegehren; es hat sich in den Rechtsstreit meritorisch eingelassen und hat über die Einwendung des Beklagten, "daß der Sachverständige gar nicht notwendig gewesen wäre", entschieden.
Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und erklärte das gesamte Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen entschiedener Streitsache zurück. Das Berufungsgericht führte aus, daß das Schiedsgericht nicht berechtigt sei, über die Kosten des Schiedsrichters und auch nicht über die Kosten (Gebühren) des Sachverständigen zu entscheiden, daß es aber zuständig sei, die Kosten des Schiedsverfahrens zu bestimmen. Zu diesen Kosten gehören aber auch die durch Heranziehung der Sachverständigen entstandenen Geldauslagen. Wenn daher wie im vorliegenden Falle eine Schiedspartei die ganzen Kosten des Sachverständigen getragen habe und das Schiedsgericht bei der Kostenentscheidung der Ansicht sei, daß jede der Parteien die Hälfte dieses Betrages zu tragen habe, so war diese Entscheidung des Schiedsgerichtes über eine Regreßforderung zulässig. Da ferner ein schiedsgerichtliches Erkenntnis Rechtskraft zwischen den Parteien schaffe, so liege entschiedene Streitsache vor, weshalb von Amts wegen diese Tatsache zu beachten und demzufolge die Nichtigerklärung des Verfahrens und die Zurückweisung der Klage auszusprechen war.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was die Zulässigkeit des Rekurses anlangt, so besteht aus dem Gründe, weil die Klagsforderung als eine Sachverständigengebühr oder als Kostenforderung schlechthin in diesem Rechtsstreit bezeichnet wird, kein Hindernis. Der Rekurs wäre nur dann unzulässig. Wenn es sich um eine Entscheidung handeln würde, die nur für die Kostenfrage Belang haben kann. Hier handelt es sich vielmehr um einen nach bürgerlichem Recht zu entscheidenden Regreßanspruch ehemaliger Schiedsparteien (1 Ob 952/35 = RiZ. 1936 S. 96 = ZBl. 1936 Nr. 157).
Es ist zwischen den echten und unechten Kosten des Schiedsverfahrens zu unterscheiden. Unter letzteren versteht man die Schiedsrichterkosten, das ist die Entlohnung der Schiedsrichter, die vom Schiedsgericht - also von den Schiedsrichtern - nicht bestimmt werden dürfen; falls eine derartige Bestimmung dennoch erfolgte, bildet diese Entscheidung keinen Exekutionstitel (1 Ob 458/36 = JBl. 1936 S. 413; SZ. VIII/179, SZ. I/20; ZBl. 1926 Nr. 142 und 332).
Das Schiedsgericht kann somit nicht den Ersatz der Schiedsrichterkosten, wohl aber kann es den Ersatz der Verhandlungskosten vor dem Schiedsgerichte rechtswirksam zusprechen. Gerade das ist im vorliegenden Falle geschehen (2 Ob 906/36 = Rspr. 1937 Nr. 17). Diese Entscheidung hat aber auch erkannt, daß das Schiedsgericht nicht aussprechen könne, daß eine Partei der anderen Partei die Schiedsrichterkosten zu ersetzen habe, wenn diese sie schon bezahlt oder wenigstens teilweise bezahlt hat. Diese beiden Sprüche in ein und derselben Entscheidung stehen miteinander im Widerspruch und können nicht aufrechterhalten werden: Die Geltendmachung von Prozeßkosten des Schiedsverfahrens mittels einer besonderen Klage ist ausgeschlossen. Der Anspruch auf Kostenersatz aus einem schiedsgerichtlichen Verfahren ist ein rein prozeßrechtlicher und ist daher im Rahmen des Rechtsstreites vor dem Schiedsgerichte, in welchem die Kosten aufgelaufen sind, geltend zu machen. Daher haftet auch dem Schiedsspruche, in dem über die Prozeßkosten durch das Schiedsgericht angeblich unrichtig entschieden wurde, keine Verletzung zwingender Vorschriften an, weil darunter nur Vorschriften des materiellen Rechtes verstanden werden und nicht Verfahrensvorschriften (3 Ob 419/33 = Rspr. 1933 Nr. 234). Nach Sperl, Lehrbuch, S. 726, sind die Schiedsrichter zur Entscheidung im Kostenpunkte nur dann befugt, wem ein übereinstimmender Parteienantrag besteht. Im vorliegenden Falle ist ein derartiger Antrag in den von den Parteien überreichten Schiedsklagen enthalten. Es war somit das Schiedsgericht berechtigt, über die Kosten des Schiedsverfahrens zu entscheiden. Im Schiedsverfahren gibt es - dies sei im Hinblick auf den Rekurs erwähnt - überhaupt keinen unheilbaren Verstoß, was Pollak aus §§ 595 Z. 1 und 596 Abs. 1 Z. 1 und 596 Abs. 1 ZPO. erschließt (4 Ob 362/31 = Rspr. 1932 Nr. 11).
Es ist daher daran festzuhalten, daß im Rahmen der Verhandlungskosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens einer der Parteien der Ersatz von Sachverständigenkosten an die andere Partei aufgetragen werden kann. Das Schiedsgericht darf nur nicht - im Gegensatz zum ordentlichen Gericht - dem Sachverständigen gegenüber dessen Kosten bestimmen, weil das Schiedsgericht nicht die staatliche Befugnis des ordentlichen Richters, Kosten Dritter zu bestimmen, hat. Daran ändert nichts, daß die Entscheidung ZBl. 1936 Nr. 74, ausgesprochen hat, daß für die Berichtigung der Sachverständigengebühr die Schiedsrichter zu sorgen haben.
Da im vorliegenden Fall nicht über eine Gebühr des Sachverständigen, sondern über den Ersatzanspruch der einen Schiedspartei gegenüber der anderen (wenn auch hinsichtlich einer Sachverständigengebühr) im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des Schiedsverfahrens rechtskräftig entschieden wurde, besteht darüber ein Exekutionstitel zu Recht, und es kann der zuerkannte Betrag nicht neuerlich mittels Klage geltend gemacht werden. Denn der Schiedsspruch hat unter den Parteien (und Gesamtrechtsnachfolgern) des Schiedsvertrages die Wirkung eines rechtskräftigen inländischen gerichtlichen Urteiles, er hat also Rechtskraftwirkung, Tatbestandswirkung und, wenn und soweit ein Urteil vollstreckbar ist, auch die Wirkung der Vollstreckbarkeit. Für und wider Dritte tritt keine dieser Wirkungen ein, was, wie Pollak, System 1931, S. 781, bemerkt, auch sachgemäß ist, da sonst zwei Personen durch ihren Vertragsabschluß einem Dritten den Rechtsweg verschließen könnten.
Es hat daher das Berufungsgericht, das wegen entschiedener Sache das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen hat, richtig entschieden. Daran war es durch die rechtskräftige Abweisung des vorerwähnten Exekutionsantrages nicht gehindert. In diesem Rechtsstreite war auch nicht zu erörtern, ob die klagende Partei berechtigt ist, in Zukunft auf Grund des Schiedsspruches überhaupt Exekution zu führen, oder etwa gezwungen ist, eine andere Exekutionsart als bisher zu wählen. Es geht aber nicht an, den Klageweg deshalb zuzulassen, weil die bisher erfolgte Exekutionsführung, die sich auf den Schiedsspruch grundete, rechtskräftig abgelehnt worden ist.
Dem Rekurs war somit der Erfolg zu versagen.
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