OGH 1Ob765/51

OGH1Ob765/517.11.1951

SZ 24/300

Normen

ABGB §1323
ABGB §1324
Gesetz über Entschädigung für Untersuchungshaft 318/18
ABGB §1323
ABGB §1324
Gesetz über Entschädigung für Untersuchungshaft 318/18

 

Spruch:

Nach dem Gesetz über die Entschädigung für Untersuchungshaft gebührt nur eigentliche Schadloshaltung. Es kann daher nicht Ersatz für den Verlust einer besonders günstigen Stellung überhaupt begehrt werden, sondern nur insoweit, als der Kläger vorübergehend gehindert war, seine Arbeitskraft im normalen Ausmaß zu verwerten.

Entscheidung vom 7. November 1951, 1 Ob 765/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Dem Kläger wurde der Anspruch auf Entschädigung für die durch die Haft vom 10. Juli 1948 bis 21. Juli 1948 erlittenen Vermögensnachteile vom Strafgericht dem Gründe nach zuerkannt.

Der Kläger hat nun einen Betrag von 15.000 S in Anspruch genommen, weil er infolge der Verhaftung eine besonders günstige Stellung in der Tschechoslowakei verloren habe.

Die Untergerichte haben die Klage abgewiesen, das Erstgericht, weil nach dem Gesetz RGBl. 318/1918 nur der unmittelbar durch die Haft entstandene Schaden und nicht der Verlust erst in der Zukunft fällig werdender Vermögenswerte zu ersetzen sei, das Berufungsgericht nur wegen des Mangels eines unmittelbaren Zusammenhanges.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Haftung des Staates für die durch eine Untersuchungshaft erlittenen vermögensrechtlichen Nachteile ist eine Art Erfolgshaftung. Der Entschädigungsanspruch umfaßt, da das Gesetz nicht ausdrücklich von voller Genugtuung spricht (§ 1323 ABGB) und auch die Voraussetzungen des § 1324 ABGB., nämlich böse Absicht oder auffallende Sorglosigkeit, nicht gegeben sind, die dazu führen müßten, daß selbst der allgemeine Ausdruck Ersatz bzw. Entschädigung im Sinne voller Genugtuung zu verstehen ist, jedenfalls nur die eigentliche Schadloshaltung.

Der Kläger hat nicht behauptet, daß er eine Einbuße an seiner Erwerbsfähigkeit erlitten hat, sondern nur, daß er die Aussicht und Chance, seine Erwerbsfähigkeit in der Tschechoslowakei auf eine seiner körperlichen Konstitution entsprechenden Stelle besonders günstig zu verwerten, verloren hat. Die Anstellung in der Tschechoslowakei bedeutete für ihn also die Möglichkeit eines Gewinnes durch günstigere Ausnützung seiner Arbeitskraft, als normalerweise zu erwarten ist. Was der Kläger geltend macht, ist also der Entgang eines erhofften Gewinnes, auf den er einen Anspruch noch nicht erworben hatte. Nur soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Kündigung seines bisherigen Dienstpostens und der Ausweisung aus der Tschechoslowakei vielleicht vorübergehend gehindert war, seine Arbeitskraft auch nur im normalen Ausmaße zu verwerten, könnte ein wirklicher Schaden eingetreten sein. Der Kläger hat aber nicht Ersatz wegen einer solchen vorübergehenden Behinderung, sondern nur wegen des Verlustes seines Postens überhaupt, also wegen eines entgangenen Gewinnes begehrt. Der Anspruch ist also nicht begrundet, selbst wenn man im Gegensatz zu den Untergerichten annehmen wollte, daß Entschädigung auch für die durch die Haft nur mittelbar verursachten Folgen gebührt.

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