OGH 1Ob759/77

OGH1Ob759/7728.6.1978

SZ 51/99

Normen

ABGB §918 Abs1
ABGB §936 Abs1
ABGB §1061 Abs1
ABGB §1447
ABGB §918 Abs1
ABGB §936 Abs1
ABGB §1061 Abs1
ABGB §1447

 

Spruch:

Der Verpflichtung, bestimmte Waren ausschließlich bei einem Verkäufer zu beziehen, steht dessen Verpflichtung zu ständiger Lieferbereitschaft nur dann gegenüber, wenn sie ausdrücklich vereinbart ist oder es sich um ständig vorhandene Massenprodukte handelt

OGH 28. Juni 1978, 1 Ob 759/77 (OLG Graz 6 R 135/77; LG Klagenfurt 16 Cg 426/75)

Text

Die Klägerin hat dem Beklagten im Rahmen einer seit dem Jahre 1965 bestehenden Geschäftsverbindung verschiedene Waren geliefert, darunter im Betriebe des Beklagten bei der Erzeugung von Räucherschränken benötigte flammenhemmende Dämmasse. In der am 15. Juli 1975 eingebrachten Klage werden für in den Jahren 1974 und 1975 erfolgte Dämmasselieferungen zuletzt 143 012.57 S samt 6% Zinsen seit 14. Juli 1975 gefordert. Der Beklagte hat diese Forderung nicht bestritten, jedoch Gegenforderungen in Höhe von 306 420 S eingewendet und hiezu ausgeführt: Zwischen den Streitteilen sei im Jahre 1971 ein Dauerlieferungsvertrag abgeschlossen, Garantie für prompte Lieferung seitens der Klägerin übernommen und sodann im Rahmen des Dauerlieferungsvertrages von ihm ein- bis zweimal monatlich Dämmasse abberufen und klaglos ausgeliefert worden. Ein am 11. Jänner 1975 für den 13. Jänner 1975 erfolgter Abruf sei jedoch unter nachträglichem Hinweis auf mangelnde Lagerbestände unerfüllt geblieben, wodurch ein vom 14. bis 17. Jänner 1975 dauernder, kurzfristig seitens des Beklagten nicht zu verhindernder Stillstand in der Räucherschrankproduktion und damit ein Schaden in Höhe der eingewendeten Gegenforderung eingetreten sei, welchen die Klägerin zufolge der schuldhaften Nichterfüllung des Vertrages zu ersetzen habe.

Die Klägerin hat den Bestand eines Dauerschuldverhältnisses und die Übernahme der Garantie prompter Lieferung bestritten. Um den Beklagten als interessanten Abnehmer zufriedenzustellen, habe man sich bemüht, ein auf seinen Bedarf abgestelltes Lager zu halten. Aus der laufenden, wenngleich unregelmäßigen Warenabnahme durch den Beklagten, könne aber keinesfalls eine Lieferpflicht der Klägerin gefolgert werden. Am 13. September 1971 habe der Beklagte mündlich zugesagt, in Zukunft bestimmte Waren bei der Klägerin zu beziehen, eine Lieferverpflichtung sei aber nicht übernommen worden; der Inhalt der Gespräche sei im unwidersprochen gebliebenen Schreiben festgehalten, von einer Lieferpflicht sei in diesem keine Rede. Die vom Beklagten in der Korrespondenz verlangte Garantie sei niemals erteilt worden. Wegen eines Streikes sei die von der Klägerin im November 1974 in Kanada getätigte eigene Rohstoffnachbestellung erst im Feber 1975 ausgeführt, der Beklagte aber sofort nach Eingehen seines Abrufes von diesem nicht von der Klägerin zu vertretenden Umstand und damit der Unmöglichkeit früherer Lieferung benachrichtigt worden. Mangels Übernahme einer Lieferverpflichtung treffe die Klägerin keine Schadenshaftung. Die Schadenshöhe werde bestritten, da der Beklagte das Anbot einer Ersatzfaser abgelehnt und daher gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen habe.

In den Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. November 1976 bzw. 25. Jänner 1977 brachte der Beklagte noch vor, daß auf Grund einer im September 1971 getroffenen Vereinbarung der Streitteile über den ausschließlichen Bezug von Dämmasse durch den Beklagten bei der Klägerin dieser weiterhin Dämmasse abberufen habe und daß außer dieser schriftlichen Vereinbarung vom September 1971 bereits im April 1971 zwischen den Streitteilen eine mündlich geschlossene und sodann schriftlich festgehaltene Vereinbarung zustande gekommen sei, wonach der Beklagte Dämmasse (und Farben) ausschließlich von der Klägerin beziehen werde. Tatsächlich habe die Klägerin sodann jahrelang prompte Lieferung geleistet derart, daß ein vormittägiger Warenabruf noch am selben Tage, spätestens jedoch am nächsten Tage, ausgeführt worden sei. Der Grund für die Nichtbelieferung im Jänner 1975 sei nicht in einem Streik gelegen; zudem wäre die Klägerin eine entsprechende Lagerhaltung von Asbestfasern zumutbar gewesen, da deren Anteil an der Dämmasse nur 5% betrage.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung in Höhe von 143 012.57 S samt 6% Zinsen seit 14. Juli 1975 zu Recht, die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung dagegen nicht zu Recht bestehe und gab dem Klagebegehren statt. Den Nichtbestand der Gegenforderung begrundete es damit, daß ein zwischen den Parteien abgeschlossener Rahmenvertrag, worunter die Streitteile eine Vereinbarung verstanden, wonach der Beklagte sich verpflichten mußte, für ein Jahr garantiert eine bestimmte Menge abzunehmen, während die Klägerin für diese bestimmte Menge die prompte Lieferung zu garantieren hatte, nicht erweislich sei, mangels einer Verpflichtung des Beklagten zur Abnahme auch keine Lieferverpflichtung der Klägerin angenommen werden könne und auch dierechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses fehlten, da von den Parteien keine Kündigungsmöglichkeit ins Auge gefaßt und nie ein Rücktritt vom Vertrag erklärt worden sei.

Der gegen dieses Urteil vom Beklagten wegen des Ausspruches über den

Nichtbestand seiner eingewendeten Gegenforderung und gegen die

Verurteilung zur Zahlung des Klagsbetrages erhobenen Berufung hat

das Berufungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß Folge

gegeben, das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt

aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und

Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Es war der Ansicht,

daß das Erstgericht lediglich das Bestehen eines Rahmenvertrages als

eine der möglichen Grundlagen der Lieferverpflichtung der Klägerin

verneint, nicht aber geprüft habe, ob nicht eine sonstige

Vereinbarung zwischen den Streitteilen getroffen worden sei, aus der

die vom Beklagten behauptete Lieferverpflichtung der Klägerin

abgeleitet werden könne. Diese Frage müsse aber allein schon auf

Grund des Inhaltes der in der mündlichen Berufungsverhandlung

verlesenen Urkunden bejaht werden. Das Berufungsgericht traf hierauf

aus den verlesenen Urkunden folgende Feststellungen: Mit dem

Schreiben an den Beklagten vom 2. August 1971 habe die Klägerin

selbst ausdrücklich auf eine Vereinbarung vom April 1971

hingewiesen, wonach "alle Ihre Bezüge in ... Dämmassen exklusiv bei

H (der Klägerin) gedeckt werden, um eine dauernd gleichbleibende

Qualität zu sichern und bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten

entsprechend reagieren zu können ......

Mit dem Schreiben an den Beklagten vom 1. September 1971 habe die Klägerin (unter Bezugnahme auf die am 18. August 1971 zwischen dem Beklagten und den Herren F und B der Klägerin in V stattgefundenen Gespräche) "gerne zur Kenntnis genommen, daß Sie erneut gewillt sind, in Zukunft Ihren gesamten Bedarf an ... Dämmasse bei uns zu decken, wobei wir Ihnen nochmals die Zusicherung geben, daß wir unsere Bemühungen, Sie in qualitativer und anwendungstechnischer Hinsicht zufrieden zu stellen, weiter intensivieren werden". Mit dem Schreiben vom 16. September 1971 habe der Beklagte an die Klägerin geschrieben: "Wir werden selbstverständlich unseren gesamten Bedarf an ... Dämmasse ... von Ihnen beziehen, allerdings müssen Sie uns Garantie für Qualität und prompte Lieferung geben". Mit dem Schreiben vom 7. Oktober 1971 habe der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin R an den Beklagten geschrieben: "Wie bisher werden wir Ihnen unser Service auch weiterhin in der gewohnten Weise zur Verfügung stellen und Ihnen

jeweils unsere Spitzenprodukte liefern bzw. vorstellen. Wir glauben, Ihnen echte Problemlösungen zu bieten und nehmen an, daß Sie durch die Belieferung von Produkten eines Weltunternehmens, wie es H darstellt, ...". Dieser auf Grund der Urkunden festgestellte Sachverhalt stellt sich nach Ansicht des Berufungsgerichtes als ein Vertrag zwischen den Streitteilen des Inhaltes dar, daß der Beklagte seinen gesamten künftigen Bedarf an Dämmasse bei der Klägerin decken werde. Die Klägerin habe den entsprechenden Abschlußwillen des Beklagten spätestens mit dem Schreiben vom 1. September 1971 ausdrücklich zur Kenntnis genommen. Sie habe außerdem mit dem Schreiben vom 2. August 1971 auf eine diesbezügliche Vereinbarung bereits vom April 1971 selbst ausdrücklich hingewiesen. Für das Zustandekommen eines Vertrages sei die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlußwillens erforderlich. Nach dem Vorgesagten liege eine ausdrückliche Willenseinigung über den künftigen exklusiven Bezug von Dämmasse des Beklagten bei der Klägerin vor. Eine Einigung über den Kaufpreis - eine solche ergebe sich aus den Urkunden nicht - sei bei Kaufleuten nicht erforderlich, da bei Handelsgeschäften bei beiderseitigem Abschlußwillen der Kauf trotzdem zustande komme und der jeweilige Marktpreis oder jedenfalls ein angemessener Preis als vereinbart gelte. Ob die Erklärung des Beklagten in seinem Schreiben vom 16. September 1971, ("... allerdings müssen Sie uns Garantie für Qualität und prompte Lieferung geben") einen Vorbehalt darstelle, der der Annahme einer Willenseinigung entgegenstunde, könne schon deshalb dahingestellt bleiben, weil, wie sich aus den erwähnten Urkunden ergebe, die Willenseinigung schon vorher, nämlich bereits im April 1971, spätestens aber durch das Schreiben der Klägerin vom 1. September 1971, womit eine derartige Erklärung des Beklagten vom 18. August 1971 angenommen worden sei, zustande gekommen sei. Abgesehen davon sei den Beklagten auch noch mit dem Schreiben vom 7. Oktober 1971, das Service und die Lieferung von Spitzenprodukten unter Hinweis auf die Weltstellung des klägerischen Unternehmens ausdrücklich zugesichert worden, was wohl nicht anders denn als eine Zusage in jeder Hinsicht anstandsloser und daher mit Rücksicht auf den Geschäftszweck naturgemäß auch prompter Belieferung verstanden werden könne, wie sie in der Folge ja auch jahrelang tatsächlich durchgeführt worden sei. Der Abschlußwille bezüglich des Exklusivlieferungsvertrages ergebe sich im übrigen auch daraus, daß ab 1972 bis zum Ende der Geschäftsbeziehungen im Jahre 1975 laufend Dämmasse an den Beklagten geliefert worden sei. Letzteres habe der Erstrichter in Übereinstimmung mit den beim Akt befindlichen Urkunden unbekämpft und auch unbedenklich festgestellt. Diese - unabhängig von den unerörtert zu belassenden erstrichterlichen Feststellungen über das Nichtzustandekommen eines Rahmenvertrages - vom Berufungsgericht festgestellte Willenseinigung zwischen den Streitteilen enthalte nun in ihrem rechtlichen Substrat alle Wesensmerkmale des in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Bezugsvertrages.

Nach den für diesen entwickelten Grundsätzen könne die Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten im Bedarfsfall, also bei Abruf, Dämmasse zu liefern, nicht zweifelhaft sein; es sei schon nach der Natur des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes Sache der Klägerin, das Nötige vorzukehren, um jedenfalls innerhalb des bereits durch die vorhergehenden zahlreichen Lieferungen stillschweigend abgesteckten Quantitätsrahmens jederzeit, zumindest aber derart lieferbereit zu sein, daß es beim Beklagten nicht zu einem auf Mangel an Dämmasse zurückzuführenden Produktionsausfall kommen habe können. Daß der unerfüllt gebliebene Abruf aus diesem Rahmen gefallen wäre, sei nicht behauptet worden und auch nicht hervorgekommen. Von dieser vertraglichen Lieferverpflichtung der Klägerin auf Grund eines Bezugsvertrages sowie von dem unbestrittenen Umstand, daß im Jänner 1975 eine abgerufene Teilleistung nicht erbracht worden sei, ausgehend, sei es aber Sache der Klägerin, gemäß § 1298 ABGB den Beweis für ihr mangelndes Verschulden an dieser Nichterfüllung zu erbringen. Auf Grund der bisher vom Erstgericht getroffenen Feststellungen könne die Frage, ob der Klägerin dieser Entlastungsbeweis gelungen sei, noch nicht entschieden werden; vor allem lägen auch Behauptungsmängel vor, weshalb gemäß § 182 Abs. 1 ZPO noch auf eine Vervollständigung der tatsächlichen Angaben der Klägerin in der Richtung hinzuwirken sei, wann und bei wem sie die betreffende Bestellung getätigt habe und ob sie mit Rücksicht auf diesen Zeitpunkt, die übliche Dauer der Anlieferung und den zur damaligen Zeit vorhandenen (oder nicht vorhandenen) Lagerbestand ohne unvorhergesehene Zwischenfälle objektiv noch damit rechnen habe dürfen, beim zu gegenwärtigenden nächsten Abruf des Beklagten lieferbereit zu sein. Im Falle des Mißlingens des Entlastungsbeweises sei davon auszugehen, daß der festgestellte Bezugsvertrag als Dauerschuldverhältnis dadurch ex nunc aufgelöst worden sei, daß die Geschäftsbeziehungen, wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 2. Juni 1975 eindeutig ergebe, "nunmehr ein Ende gefunden haben". Damit seien im Sinne des § 921 ABGB die Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch des Beklagten gegeben.

Über den Rekurs der Klägerin hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Den Rekursausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß sich der Beklagte zur Begründung seiner Gegenforderung nicht ausschließlich auf einen zwischen den Parteien abgeschlossenen Rahmenvertrag, sondern ausdrücklich auch auf einen Exklusivlieferungsvertrag stützte. Auf Grund der in der Berufung des Beklagten gesetzmäßig erhobenen Rechtsrüge ist das Berufungsgericht daher mit Recht in die Prüfung eines allfälligen Vertragsverhältnisses auch in dieser Richtung eingegangen. Seiner Ansicht, daß sich unabhängig von der Frage eines Rahmenvertrages schon aus den Urkunden allein der Abschluß eines Bezugsvertrages ergebe, kann allerdings nicht gefolgt werden. Nach dem Inhalte der vorgelegten Korrespondenz liefen zwischen den Parteien von April bis September 1971 mündliche und schriftliche Verhandlungen, welche ihre schon jahrelang bestehenden Geschäftsbeziehungen nunmehr auf eine Vertragsbasis stellen sollten. Werden die im Zuge dieser Unterhandlungen abgegebenen einzelnen Erklärungen nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenhang gesehen, dann erweist sich, daß die Parteien dem Geschäftszweck entsprechend offenkundig nicht zwei verschiedene Verträge, sondern ein einziges einheitliches Vertragsverhältnis anstrebten. Dies bestätigt auch noch zuletzt das Schreiben des Beklagten vom 16. September 1971, in welchem er erklärt "Wir werden selbstverständlich unseren gesamten Bedarf an ... Dämmasse... von Ihnen beziehen, allerdings müssen Sie uns Garantie für Qualität und prompte Lieferung geben". Der Beklagte geht also selbst nicht davon aus, daß bereits eine Lieferpflicht auf Grund eines bestehenden Bezugsvertrages vorliege und bringt auch hier keinen endgültigen Bindungswillen zum Ausdruck. Nach dem abschließenden, auf den bisherigen Schriftverkehr und ein neuerliches Gespräch vom 30. September 1971 Bezug habenden Schreiben der Klägerin vom 7. Oktober 1971 wurde dem Verlangen des Beklagten nach Garantie für prompte Lieferung aber auch in der Folge nicht entsprochen. Sie vertritt hierin eher den Standpunkt, daß die Vertragsverhandlungen ergebnislos geblieben seien und sie trotzdem ihr Service weiterhin in der bisherigen Weise zur Verfügung stellen werde. Der Annahme des Berufungsgerichtes, daß sich der Abschluß eines Exklusivlieferungsvertrages mit daraus folgender Lieferverpflichtung der Klägerin allein schon aus den Urkunden ergebe, kann daher nicht beigetreten werden. Die Feststellung des Zustandekommens eines Exklusivlieferungsvertrages kann somit nicht schon auf Grund des Urkundeninhaltes allein, sondern könnte nur im Zusammenhang mit anderen Beweisergebnissen getroffen werden. Das Erstgericht hat unter Heranziehung solcher anderer Beweisergebnisse, nämlich von Zeugenaussagen, ausdrücklich festgestellt, daß die Klägerin dem Beklagten oder seinen Leuten gegenüber nie die Zusage oder Garantie der prompten Lieferung von Dämmasse gemacht habe und es zu keinem Vertragsabschluß gekommen sei. Somit wäre das Berufungsgericht von vornherein verhalten gewesen, bei Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sämtliche mit dem Beweisthema zusammenhängenden Beweise aufzunehmen (SZ 23/112; ZVR 1965/43; SZ 46/34 u. a.). In der selbständigen und gegenteiligen Würdigung der Urkunden liegt daher gleichzeitig auch ein vom Rekurs mit Recht gerügter Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, welcher die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bewirkt und zur Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht führen muß.

Aber auch die grundsätzlich richtigen rechtlichen Darlegungen des Berufungsgerichtes zum Bezugsvertrag sind für die Beurteilung der Rechtsfolgen eines allfälligen Exklusivlieferungsvertrages im vorliegenden Fall nicht ausreichend.

Seiner Rechtsnatur nach ist der Exklusivlieferungsvertrag eine besondere Form des im Hinblick auf die Erfordernisse des Wirtschaftslebens und zufolge der bestehenden Vertragsfreiheit als atypischer Kaufvertrag herausgebildeten Bezugsvertrages, nämlich ein sogenannter Abnahmevertrag. Zweck eines solchen ist es, dem Käufer eine Ausschließlichkeitsbindung dahin aufzuerlegen, daß er bestimmte Waren bei keinem anderen Unternehmen als dem des Vertragspartners beziehen darf. Der ein Dauerschuldverhältnis begrundende Warenabnahmevertrag ist daher primär auf Unterlassung gerichtet (Hämmerle, Handelsrecht[2] 111, 95; Ehrenzweig, System[2] II/1, 144; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 26). Der Vertragspartner kann Zeitpunkt und Ausmaß der Leistung bestimmen, er hat das Recht auf Abruf (Koziol - Welser[4] I, 256). Allein der Käufer hat hier also Gestaltungsrechte, die er mit oder mangels Vereinbarung auch ohne absolute Bezugspflicht (= Abnahme einer bestimmten Mindestmenge) ausüben kann (vgl. Bydlinkski in Klang[2] IV/2, 205 Anm. 330 a; Godin in RGR Komm HGB[2] III, Anm. 9 zu § 346; HS 1754/137), so daß es allenfalls in seinem Belieben steht, überhaupt zu beziehen. Grundsätzlich ist bei den Verträgen "auf fortgesetzte Lieferung" nach Hürlimann (Der Sukzessivlieferungs- Kaufvertrag, in:

Abhandlungen zum schweizerischen Recht, Neue Folge, 168. Heft, 15)

"die Festlegung eines Gesamtquantums nicht möglich, weil einmal die

Lebensdauer des Vertragsverhältnisses nicht von vornherein bestimmt

sein muß und ferner der Bedarf des Käufers im allgemeinen kein

regelmäßiger ist. Der Käufer verpflichtet sich, einen sich

tatsächlich einstellenden Bedarf beim Verkäufer einzudecken, während

umgekehrt der Verkäufer ständig lieferungsbereit sein muß". Der

Ausschließlichkeitsverpflichtung des Käufers steht also

grundsätzlich auch eine Pflicht des Verkäufers zu ständiger

Lieferbereitschaft gegenüber. Dies gilt vor allem für den Fall der

sogenannten Zuleitungsverträge, zu welchen z. B. die Strom-, Gas-

und Wasserbezugsverträge zählen. Hier muß schon wegen der durch den

fixen Anschluß an das Versorgungsnetz gegebenen Ausschließlichkeit

der Bezugsmöglichkeit für die Dauer des Vertragsverhältnisses in der

Regel eine Pflicht zu ständiger Lieferbereitschaft angenommen

werden. Sie bedeutet für den Vertragspartner auch keine unzumutbare

Belastung, wenn in der Folge überhaupt nichts bezogen wird, da er

sein Massenprodukt gleichzeitig noch einer großen Anzahl von

weiteren Bezugsberechtigten ständig zur Verfügung stellt. Ähnlich

verhält es sich auch beim sogenannten Bierbezugsvertrag. Hier ist auch ohne bestimmte Mindestbezugsmenge die ständige Lieferbereitschaft dem Bierhersteller im Hinblick auf seine vom Bedarf des einzelnen Bezugsberechtigten weitgehend unabhängige Lagerhaltung ein durchaus zumutbares Äquivalent für die Ausschließlichkeitsverpflichtung.

Anders ist die gegenseitige Pflichtenlage jedoch bei einem Vertrag zu beurteilen, der Waren betrifft, die beim Verkäufer nicht selbstverständlich vorhanden sind, weil es sich etwa um Spezialanfertigungen handelt. In einem solchen Fall wird im Zweifel davon auszugehen sein, daß der Bezugsberechtigte die Verpflichtung hat, eine gewisse Menge in bestimmten Zeiträumen tatsächlich abzunehmen. Eine einseitige ständige Lieferbereitschaft auch für weniger gängige Waren oder nur vom Bezugsberechtigten gewünschte Sonderanfertigungen zu postulieren, erschiene im Hinblick auf das für jeden Unternehmer geltende Erfordernis der Wirtschaftlichkeit nicht ohne weiteres vertretbar. Bei mangelnder Abnahmeverpflichtung für bestimmte Mengen kann vielmehr selbst der Ausschließlichkeitsverpflichtete nur dann prompte Lieferung begehren, wenn dies vereinbart ist.

Vorliegendenfalls erfolgte nun die Erzeugung von Dämmasse im wesentlichen ausschließlich für den Beklagten. Es handelt sich daher um eine typische Spezialanfertigung der Klägerin. Ihre Pflicht zu prompter Lieferbereitschaft könnte bei Bedachtnahme auf alle Umstände dieses Falles nur über entsprechende Abrede oder bei einer Mindestbezugsverpflichtung des Beklagten angenommen werden.

Auf den Abschluß einer solchen Vereinbarung zielten die Verhandlungen der Parteien auch tatsächlich hin, doch ist sie nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zustande gekommen. Da das Erstgericht seine Feststellungen auf Grund zahlreicher Beweisaufnahmen getroffen hat, wird das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen zu übernehmen oder im Falle bestehender Bedenken eine Beweiswiederholung durchzuführen haben. Sollte es sodann den Bestand eines Exklusivlieferungsvertrages mit prompter Lieferpflicht der Klägerin feststellen, müßte die Nichterfüllung des Warenabrufes des Beklagten vom Jänner 1975 als Vertragsverletzung durch die Klägerin beurteilt werden. Sie hat allerdings vorgebracht, an einer allfälligen Vertragsverletzung schuldlos zu sein; derjenige, der behauptet, an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden zu sein, ist aber dafür beweispflichtig, weil das Gesetz verhindern will, daß der Gläubiger, für den die Lebensverhältnisse in der Sphäre des Schuldners nicht durchschaubar sind, in Beweisnotstand gerät (EvBl. 1976/63; 1 Ob 502/77 u. a.). Verletzt ein Kaufmann die ihm nach § 347 HGB obliegende Sorgfaltspflicht, kann er sich im übrigen nicht auf Unmöglichkeit der Leistung berufen; die Anwendung der Bestimmung des § 1447 ABGB ist daher ausgeschlossen (7 Ob 171/56). Wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt in diesem Belang aber noch nicht für genügend geklärt erachtete, könnte der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RZ 1965, 45; JBl. 1975, 549 u. v. a.).

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