OGH 1Ob7/52

OGH1Ob7/5216.1.1952

SZ 25/11

Normen

ABGB §36
ABGB §37
ABGB §36
ABGB §37

 

Spruch:

Österreichisches Recht maßgebend, wenn in der Okkupationszeit eine in Österreich gelegene Liegenschaft von einer im damaligen Sudetenland wohnhaften Person dort gegen Gewährung einer Leibrente zahlbar nach Wunsch des Berechtigten daselbst oder an einem anderen Ort des Großdeutschen Reiches verkauft wurde.

Entscheidung vom 16. Jänner 1952, 1 Ob 7/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 3. März 1941 haben in I. die Streitteile - Beklagter ist der Stiefsohn der Klägerin - eine Vereinbarung getroffen, laut welcher die Klägerin dem Beklagten, der damals ebenso wie heute in Wien, IV., wohnte, die ihr eigentümlich gehörige Liegenschaftshälfte des Hauses Wien, II., X.gasse 19, ins Eigentum übertrug, wogegen sich Beklagter für sich und seine Rechtsnachfolger verpflichtete, der Klägerin eine am 1. Oktober 1940 beginnende, monatlich am Ersten eines jeden Monates im vorhinein fällige, auf das Leben der Übergeberin abgestellte Monatsrente von 400 RM zu bezahlen, die an die Übergeberin an ihren Wohnort in I. oder sonst an einen von ihr mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugebenden Ort und Gebiet des Deutschen Reiches einschließlich des Protektorates Böhmen und Mähren spesen- und abzugsfrei auszuzahlen ist ... Die Vertragsparteien setzen einverständlich fest, daß im Falle der Erhöhung oder Verminderung des amtlichen Lebenshaltungskostenindexes um mehr als 10% sich die monatlich festgesetzte Rente von 400 RM im gleichen prozentualen Verhältnis wie der amtliche Lebenshaltungskostenindex erhöht oder vermindert.

Die Klägerin behauptet nun, daß der Beklagte die sich aus der angeführten Wertsicherungsklausel ergebenden Zahlungen über den Nominalwert der Rente von 400 RM nicht geleistet habe und begehrt erstens Feststellung, daß Beklagter dem Gründe nach schuldig sei, an Stelle des im Notariatsakte vom 26. April 1941 festgestellten monatlichen Rentenbetrages von 400 RM jene Beträge zu bezahlen, die im Zeitpunkt der Fälligkeit dem vom österreichischen statistischen Zentralamt Wien herausgegebenen Lebenshaltungskostenindex verhältnismäßig entsprechen, zweitens den Beklagten zur Bezahlung der Rückstände von 74.836 S s. A., zu verurteilen.

Die Unterinstanzen verurteilten.

Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Vertrag wurde im damaligen Protektorat abgeschlossen. Das damals geltende Recht enthielt keine interlokalen obligationsrechtlichen Vorschriften. Es gelten daher die vor 1938 in den einzelnen, das Großdeutsche Reich bildenden Gebieten geltenden internationalen Privatrechtsnormen grundsätzlich als interlokale Vorschriften weiter, soweit sie nicht durch die Vereinheitlichung der Staatsgebiete als weggefallen anzusehen waren.

Diese Ausnahme spielt aber im vorliegenden Fall keine Rolle, weil § 37 ABGB. keine zwingenden Beschränkungen enthält, wenn außerhalb des Geltungsgebietes der österreichischen Gesetze gegenseitig verbindliche Handlungen vorgenommen werden, und die Lokalisierung des maßgebenden Rechtes in diesem Falle der freien richterlichen Auslegung überläßt.

Wird aber in Betracht gezogen, daß der gegenständliche Rentenvertrag nur eine Gegenleistung für die Veräußerung eines in Wien gelegenen Grundstückes betrifft und daß Beklagter, der sich zur Rentenleistung verpflichtete, in Wien seinen ständigen Wohnsitz hatte, so kann nur das in Wien geltende Recht als maßgebendes Vertragsrecht angesehen werden. Daß sich Beklagter verpflichtet hat, der Klägerin das Geld nach jedem von ihr gewünschten Ort im Großdeutschen Reich spesenfrei zu überweisen, hat auf das maßgebende Recht keinen Einfluß, da diese Klausel nur eine Schickschuldverpflichtung enthält, die den Schuldinhalt nicht berührt.

Es ist daher das österreichische Recht maßgebend und maßgebend geblieben. Es ist demnach nur zu untersuchen, ob das 1941 geltende Recht Klauseln der angegebenen Art verboten hat und ob sie etwa nachträglich für unwirksam erklärt wurden. (Der Oberste Gerichtshof verneint die obige Frage und fährt dann fort):

Da das Reichsrecht die Preiskontrolle der Preisbildungsbehörde am Sitze der zuständigen Finanzbehörde überwies, so mußte ein nach den maßgebenden Preisvorschriften der lex rei sitae an einem Ort des Reiches gültiges Geschäft auch in allen anderen Teilen des Großdeutschen Reiches als gültig angesehen werden.

Interlokalrechtlich war demnach für die preisrechtliche Beurteilung nicht der Ort des Vertragsabschlusses, sondern der der gelegenen Sache maßgebend, also diesmal Wien. Da das Geschäft, so wie es abgeschlossen wurde, nach dem oben Ausgeführten verbindlich war, so kann die Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel zur Zeit des Vertrages nicht mit Erfolg bestritten werden.

Gesetzliche Vorschriften, die gültig vereinbarte Wertsicherungsklauseln nachträglich außer Kraft setzen würden, sind in Österreich niemals erlassen worden; auch die Revision versucht gar nicht, das Bestehen solcher Vorschriften zu behaupten. Die Vereinbarung muß daher auch heute noch als gültig und verbindlich angesehen werden.

Auch die aus dem Devisenrecht gezogenen Folgerungen sind verfehlt. Beklagter hat in Wien zu erfüllen, u. zw. nach dem hier maßgebenden österreichischen Recht. Der Inhalt der Schuld wird durch die Überschickungsmöglichkeiten ins Ausland nicht berührt. Ob mit Rücksicht auf Punkt 7 der Kundmachung 8 zum Devisengesetz überhaupt eine devisenbehördliche Bewilligung zur Verurteilung zur Leistung im gegenständlichen Falle erforderlich war, wie das Berufungsgericht im Punkt 2 seiner Entscheidung annimmt, kann dahingestellt bleiben (verneinend die Entscheidung SZ. XXIII/332), da jedenfalls die Feststellung einer Forderung von der devisenrechtlichen Zulässigkeit der Verurteilung zu einer Leistung nicht abhängig ist (Punkt 3 a der Kundmachung 8 zum Devisengesetz).

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