European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00074.13H.0521.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung
Der am 5. 11. 2011 in Innsbruck verstorbene Erblasser hatte weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Zu seinem Todestag unterhielt er ein Wertpapierdepot bei einer Bank in Innsbruck. Die Antragstellerin war die Ehefrau des Verstorbenen. Sie ist (auch) österreichische Staatsbürgerin.
Die Vorinstanzen verneinten die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte zur Abhandlung der Verlassenschaft über das Wertpapierdepot. Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Witwe, worin sie keine Rechtsfragen von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG geltend macht.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 106 Abs 1 Z 2 lit c JN ist die inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung einer Verlassenschaft und für diese ersetzende Verfahren (§§ 153 ff AußStrG) über das im Inland befindliche bewegliche Vermögen gegeben, wenn die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im Ausland unmöglich ist. Dazu wurde bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei der Beurteilung, ob die Durchsetzung des Erbrechts im Ausland unmöglich ist, ein strenger Maßstab anzulegen ist (10 Ob 17/06g = EvBl 2006/138, 726, ua; RIS‑Justiz RS0120641; im gleichen Sinn 4 Ob 75/11z = NZ 2011/113, 341). Die Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung kann entweder auf rechtliche (vor allem auf eine mangelnde internationale Zuständigkeit) oder auf faktische Umstände (zB Untätigkeit der zuständigen Behörde) zurückzuführen sein (RIS-Justiz RS0120641 [T1]; vgl auch Potyka in Burgstaller/Neumayr/ Geroldinger/Schmaranze r, IZVR, Kapitel 61 Verlassenschaftsverfahren Rz 13).
2. Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen zugrunde gelegt, dass der Antragstellerin die ihr nach dem in Saudi-Arabien geltenden Recht zustehende Erbquote zuerkannt wurde. Dieser Tatsachenannahme, die auf einer Mitteilung ihres Vertreters beruht, tritt die Antragstellerin auch im Revisionsrekursverfahren nicht entgegen, sondern geht erkennbar ebenfalls davon aus, dass sie den ihr nach dem geltenden Recht in Saudi-Arabien zustehenden Anteil am Nachlass erhalten „soll“. Damit kann aber nach ihren Behauptungen nicht angenommen werden, dass die Durchsetzung ihres Erbrechts in Saudi-Arabien im Sinne des § 106 Abs 1 Z 2 lit c JN wegen rechtlicher oder faktischer Umstände unmöglich wäre. Auch hat sie im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen nie geltend gemacht, dass ihr die nach der in Saudi-Arabien geltenden Rechtslage zustehenden Erbansprüche aus Gründen des Glaubens verweigert würden. Die von ihr erstmals im Revisionsrekursverfahren aufgestellte Behauptung, ihre Lebensführung entspreche nicht der in Saudi-Arabien vorherrschenden wahhabitisch‑konservativen Auslegung des Islam, weswegen sie befürchte, man werde ihre Rechte beschneiden, weil sie ungeachtet ihrer Konvertierung nicht als Muslimin anerkannt sei, verstößt daher gegen das auch im Verfahren außer Streitsachen geltende Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG; RIS‑Justiz RS0119918; RS0079200).
3. Bereits das Rekursgericht hat unter Verweis auf die zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 28 Abs 1 Z 2 JN (siehe dazu 10 Ob 17/06g) ergangene Judikatur zutreffend ausgeführt, dass eine subjektiv als Härte oder als ungerecht empfundene materielle ausländische Rechtslage allein die Begründung der sonst nicht gegebenen inländischen Gerichtsbarkeit nicht bewirken kann (vgl zu § 28 Abs 1 Z 2 JN RIS‑Justiz RS0117751). Es begründet damit noch kein unabweisbares Bedürfnis für die Gewährung inländischen Rechtsschutzes, dass die Revisionsrekurswerberin ‑ wie sie geltend macht ‑ durch das auf dem Koran beruhende Erbrecht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werde, weil danach ihre Erbquote als Witwe geringer sei, als es die eines überlebenden Mannes wäre. Ein unabweisbares Bedürfnis, inländischen Rechtsschutz zu gewähren, liegt nach vorherrschender Ansicht erst vor, wenn das zuständige Gericht (die zuständige Stelle) im Ausland aller Voraussicht nach das Begehren aus Gründen zurück- oder abweisen wird, die gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts, den österreichischen ordre public verstoßen, weshalb eine ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkennungsfähig wäre (10 Ob 17/06g = RIS‑Justiz RS0120641 [T2]; Burgstaller/Neumayr , Beobachtungen zu Grenzfragen der internationalen Zuständigkeit: Von Forum non conveniens bis Notzuständigkeit, FS Peter Schlosser [2005] 119 [132 f] mwN). Eine solche Entscheidung spricht die Revisionsrekurswerberin mit ihrem Verweis auf eine eingeschränkte Verfügungsberechtigung über das ererbte Vermögen, wie „dies generell nach den vorliegenden Informationen bei Frauen in Saudi-Arabien […] aufgrund der generellen Kuratel, unter der Frauen aufgrund ihres Geschlechts [...] stehen“, der Fall sei, nicht an. Mit diesen Ausführungen bezieht sie sich erkennbar auf die gesellschaftliche Stellung der Frau in Saudi-Arabien im Allgemeinen, nicht aber auf eine Entscheidung der in diesem Staat in den Angelegenheiten des Erbrechts ausschließlich zuständigen islamischen Gerichte (vgl dazu Ebert , Das Erbrecht arabischer Länder, 57), mit der die ihr aus dem Erbrecht zukommenden Rechte ab- oder zurückweisen würden.
4. Da die Revisionsrekurswerberin auch mit ihren Ausführungen zu den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit keine Korrekturbedürftigkeit der angefochtenen Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof aufzeigt, ist ihr Rechtsmittel zurückzuweisen.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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