Spruch:
1. Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 7. 12. 2000 (ON 21) wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstinstanzliche Entscheidung vom 24. 10. 2000 (ON 10), die in ihrem Punkt 2 als nicht mehr in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, in ihrem Punkt 1 aufgehoben und insoweit dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird.
2. Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 23. 2. 2001 (ON 33) wird dagegen nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Eltern der beiden Minderjährigen leben getrennt, ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Beide Elternteile beantragten zunächst die Übertragung der alleinigen Obsorge jeweils an den Antragsteller. In der Folge zog die Mutter ihren Antrag in Ansehung ihres Sohnes zurück, was sie damit begründete, dass dieses Kind bereits mehrere Trennungen habe verkraften müssen, und sie ihm eine abermalige Trennung von seinem heimatlichen Wohnsitz ersparen wolle.
Daraufhin stellte das Erstgericht unter Bezugnahme auf einen Bericht der Jugendwohlfahrt fest, dass die Obsorge für den mj Rene in Hinkunft dem Vater allein zustehe (Punkt 1 in ON 10).
Das Rekursgericht wies den von der Mutter gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs unzulässig sei. Die Mutter habe der Übertragung der Obsorge für den mj Rene an den Vater zugestimmt, weshalb es ihr an der für die Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels erforderlichen Beschwer mangle.
1. Der gegen diese Entscheidung (ON 21) gerichtete Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Mutter hat in ihrem Rekurs vorgebracht, die Übertragung der Obsorge für Rene an den Vater entspreche nicht dem Kindeswohl. Sie sei nunmehr nicht mehr damit einverstanden, dass dem Vater die Obsorge übertragen werde. Ihr Gesundheitszustand habe sich gebessert, sie sei nun in der Lage, für beide Kinder zu sorgen. Der Vater sei hingegen voll berufstätig und könne sich persönlich keinesfalls ausreichend um Rene kümmern. Die Einholung psychologischer Gutachten wäre geboten gewesen. Mit diesem Vorbringen machte die Mutter Neuerungen geltend, was auch im Außerstreitverfahren grundsätzlich unzulässig ist (EFSlg 79.674 uva). Im Rahmen der Obsorgezuteilung sind allerdings auch nach erstinstanzlicher Beschlussfassung eingetretene Umstände zu beachten (JBl 1999, 60; EFSlg 82.755; EvBl 1992/54). Die Nichtbeachtung zulässiger Neuerungen stellt einen Verfahrensmangel dar, der wahrgenommen werden kann, wenn tragende Grundsätze des Pflegschaftsverfahrens wie das Kindeswohl auf dem Spiel stehen und die Neuerung geeignet sein kann, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (EFSlg 73.565; 58.447 f). Ein solcher Verfahrensmangel ist hier gegeben, zumal die von der Mutter vorgebrachten Neuerungen nicht schon von vornherein als für eine Änderung der Entscheidungsgrundlage unwesentlich angesehen werden können. Wenn auch die Revisionsrekurswerberin als dem Antrag des Vaters zustimmend anzusehen war - was sie auch gar nicht bestreitet -, ist ihr dennoch das Rechtsmittelrecht nicht abzusprechen, weil es im Rahmen einer Obsorgezuteilung nicht allein darum geht, ob der Rechtsmittelwerber durch die Entscheidung in seinen Rechten beschwert wurde, sondern ob bei gebührender Beachtung des Kindeswohls die Rechte des Kindes verletzt sein könnten.
Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 7. 12. 2000 (ON 21) ist demnach Folge zu geben und der allein in Beschwerde gezogene Punkt 1 der erstinstanzlichen Entscheidung (ON 10) aufzuheben.
2. Der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung vom 23. 2. 2001 (ON 33) ist dagegen nicht berechtigt.
Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 7. 2. 2001 (ON 30) den Antrag der Mutter, ihr die einstweilige Obsorge für die mj Sara zu übertragen, ab und sprach aus, dass der Vater berechtigt sei, dieses Kind umgehend aus der Wohnung der Mutter abzuholen, und die Mutter verpflichtet sei, das Kind dem Vater herauszugeben. Die Mutter sei Ende November 2000 zu ihren Eltern ins Burgenland verzogen. Anfang Jänner 2001 habe sie den Antrag gestellt, die beim Vater verbliebenen Kinder für zwei Wochen zu sich nehmen zu können. Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts sei ihr für die Zeit vom 20. 1. bis 3. 2. 2001 ein Besuchsrecht in Ansehung der beiden Kinder eingeräumt worden. Sie habe die Minderjährigen am 20. 1. 2001 beim Vater abgeholt; diesem sei aufgetragen worden, die Kinder nach Ablauf der zwei Wochen wieder aus dem Burgenland abzuholen. Bei der Abholung habe die Mutter die Übergabe der mj Sara verweigert. Am 2. 2. 2001 habe sie die Übertragung der einstweiligen Obsorge beantragt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass das Kind eine äußerst enge Bindung zur Mutter entwickelt habe und bei einer Trennung das Wohl des Kindes massiv gefährdet sei. Die Übertragung der einstweiligen Obsorge an die Mutter sei jedenfalls nicht möglich, ohne den psychischen und physischen Gesundheitszustand der Mutter abgeklärt zu haben. Es sei unglaubwürdig, dass ein 14-tägiger Aufenthalt des Kindes bei der Mutter derartige Änderungen hervorgerufen habe, die eine massive Gefährdung des Kindeswohls vermuten ließen. Die Mutter habe das Kind, das seit der Trennung der Eltern überwiegend beim Vater gewesen sei, herauszugeben.
Das Rekursgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts insoweit auf, als der Antrag der Mutter auf Übertragung der einstweiligen Obsorge für die mj Sara abgewiesen worden war, und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es bestätigte aber die Entscheidung des Gerichts erster Instanz insoweit, als die Herausgabe des Kindes angeordnet wurde; es sprach aus, dass der Revisionsrekurs unzulässig sei. Den bestätigenden Teil der Entscheidung begründete es im Wesentlichen damit, dass sich die Mutter einer Entscheidung des Gerichts erster Instanz widersetzt habe, indem sie das Kind nach Ablauf der Besuchszeit nicht ausgefolgt habe. Es entspreche nicht dem Kindeswohl, wenn das Kind während eines behängenden Obsorgeentscheidungsverfahrens zwischen den Eltern hin- und hergerissen werde. Seit ihrer Geburt habe sich Sara in der vormaligen Ehewohnung in Tirol aufgehalten, und ein Pflegeplatzwechsel würde das Kindeswohl gefährden. Überdies sei eine Trennung der Kinder nicht wünschenswert.
Diesen Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz vermag die Revisionsrekurswerberin nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Die Mutter verkennt die Lage, soweit sie meint, die Entfernung des Kindes aus ihrem Obsorgebereich stellte einen "Pflegeplatzwechsel" dar. Nach den Feststellungen befand sich das Kind seit der Geburt in Tirol und ist nach Trennung der Eltern beim Vater verblieben. Der für 14 Tage anberaumte Besuch bei der Mutter führte nicht dazu, dass der Pflegeplatz gewechselt worden wäre, und es ist unstatthaft, sich im Wege der Nichtbefolgung gerichtlicher, selbst entrierter Anordnungen (14-tägiges Besuchsrecht und Abholung des Kindes durch den Vater) gleichsam im Wege der Selbsthilfe des Kindes zu "bemächtigen" und dann noch zu argumentieren, damit sei ein Pflegeplatz begründet worden, der bis zum Ende des Verfahrens, in dem über die Obsorgezuteilung entschieden wird, nicht gewechselt werden sollte. Der rechtmäßig begründete Pflegeplatz ist vielmehr nach wie vor beim Vater, und ein Wechsel wäre nur dann vorzunehmen, wenn dies infolge besonders wichtiger Gründe im Interesse des Kindes angebracht erschiene (EFSlg 75.181; EvBl 1994/123). Dermaßen gravierende Gründe vermag die Mutter aber nicht aufzuzeigen.
Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluss vom 23. 2. 2001 (ON 33) ist ein Erfolg zu versagen.
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