Normen
Außerstreitgesetz §97
Außerstreitgesetz §104
Außerstreitgesetz §97
Außerstreitgesetz §104
Spruch:
Die Frage des Besitzes der zu inventarisierenden Gegenstände ist im Abhandlungsverfahren zu klären. Der Umstand allein, daß sich die Gegenstände am Todestag in der Wohnung, deren Hauptmieterin die Erblasserin war, befunden haben, genügt zur Lösung der Besitzfrage noch nicht.
Entscheidung vom 16. September 1953, 1 Ob 720/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Hinsichtlich der unter PZl. 1 bis 29 und 39 bis 42 im Schätzungsgutachten angeführten Gegenstände behauptete die Schwiegertochter der Erblasserin Martha H. Eigentümerin zu sein, und begehrte, daß diese Sachen nicht in das Inventar einbezogen werden. Dagegen verlangte der Sohn der Erblasserin Anton H. die Aufnahme dieser Gegenstände in das Inventar und Verweisung der Martha H. mit ihren Eigentumsansprüchen auf den Rechtsweg.
Das Erstgericht wies mit Beschluß des Rechtspflegers vom 2. Juni 1953 unter Punkt 1 Anton H. mit seinen Ansprüchen auf Einbeziehung dieser Gegenstände in den erbl. Nachlaß mit der Begründung auf den Rechtsweg, Voraussetzung der Einbeziehung der Fahrnisse in den Nachlaß sowie Aufnahme und Auswerfung des Wertes im Inventar sei, daß die Sachen unbestritten der Erblasserin gehörten. Sei diese Frage jedoch bestritten, so müsse darüber im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden, und sei auf den Rechtsweg derjenige zu verweisen, der den Besitz der Erblasserin behaupte.
Der Erstrichter gab dem von Anton H. und dem für den minderjährigen Dietmar Peter H. bestellten Kollisionskurator erhobenen Rekursen nicht gemäß § 56a GOG. selbst Folge, sondern legte die Rechtsmittel dem Rekursgericht vor. Dieses gab mit dem angefochtenen Beschluß den Rekursen Folge und wies in Abänderung des Punktes 1 des erstgerichtlichen Beschlusses vom 2. Juni 1953 die erbl. Schwiegertochter Martha H. mit ihren Eigentumsansprüchen an den fraglichen Gegenständen auf den Rechtsweg, da nach §§ 97 und 104 AußstrG. dann, wenn der Besitz des Erblassers feststehe, die Gegenstände, an denen von einem Dritten Eigentumsansprüche geltend gemacht werden, ins Inventar aufzunehmen und der Dritte mit seinen Ansprüchen auf den Rechtsweg zu verweisen sei, der Besitz oder zumindest Mitbesitz der Erblasserin am Todestage bis zur Erlassung des angefochtenen Beschlusses nicht bestritten gewesen sei und auch nicht ausgeschlossen werden könne, zumal Martha H. die Wohnung gemeinsam mit der Erblasserin bewohnt habe und die Erblasserin Hauptmieterin der Wohnung gewesen sei, auch die Feststellung, daß die Erblasserin sich nicht im Besitz befunden habe, durch die Aktenlage nicht gedeckt sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Martha H. Folge und trug unter Aufhebung der Beschlüsse der Untergerichte dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rekursgericht ist wohl darin vollständig beizupflichten, daß es nach den §§ 97 und 104 AußstrG., abgesehen von den im Besitz eines Dritten befindlichen Gegenständen des Erblassers, nur darauf ankommt, ob die fraglichen Fahrnisse im Besitz des Erblassers am Todestage gewesen sind, die Sachen bejahendenfalls in das Inventar aufzunehmen sind und der Dritte mit seinen Eigentumsansprüchen auf den Rechtsweg zu verweisen wäre. Die Frage des Besitzes ist aber im Abhandlungsverfahren zu klären. Der Vertreter des Anton H. hat in seinem Schreiben an den Gerichtskommissär vom 8. Juli 1952 eine Reihe von Gegenständen mit dem Beisatze angeführt, daß sie sich im Eigentum der Erblasserin befunden haben. Bei der Inventierung und Schätzung des Nachlasses hat Martha H. lediglich behauptet, daß die unter PZ. 1 - 29 und 39 - 42 des Schätzungsgutachtens angeführten Gegenstände ihr Eigentum seien, während Anton H. dies bestritt. Auch vor Gericht hat Martha H. und der Vertreter des Anton H. nur zur Frage des Eigentums, nicht aber auch zur Frage des Besitzes klar Stellung genommen. In den Gründen des erstgerichtlichen Beschlusses vom 2. Juni 1953 wurden Eigentum und Besitz nicht entsprechend auseinandergehalten. Bei ihrer Vernehmung vom 29. Juni 1953 gab dann Martha H. an, sie sei auch Besitzerin der Gegenstände, sei Untermieterin in der Wohnung, deren Hauptmieterin die Erblasserin gewesen sei, gewesen, habe dort ihre Möbel eingebracht und einen selbständigen Haushalt geführt. Dagegen behauptete Anton H. in seinem Rekurse, die Erblasserin sei Hauptmieterin der Wohnung und damit Besitzerin der Gegenstände, die sich immer in der Wohnung befunden hätten, gewesen. Demnach besteht über die Besitzfrage keineswegs Übereinstimmung zwischen den Beteiligten. Der Umstand allein, daß sich die Gegenstände am Todestag in der Wohnung, deren Hauptmieterin die Erblasserin war, befunden haben, genügt zur Lösung der Besitzfrage noch nicht; denn steht ein Raum allein in Benützung des Untermieters und verfügt dieser allein dort z. B. über Gegenstände, die er selbst mitgebracht hat, so kann von einem Besitz oder auch nur Mitbesitz des Hauptmieters an diesen Sachen wohl noch nicht gesprochen werden. Somit reichen weder die Behauptungen der Beteiligten noch der Umstand, daß sich die Gegenstände am Todestage der Erblasserin in der Wohnung befunden haben, deren Hauptmieterin sie gewesen ist, zur Lösung der Besitzfrage aus. Das Erstgericht hatte zu erklären, ob die fraglichen Gegenstände sich am Todestage im Besitz der Erblasserin befunden haben, wenn diese Frage eben nicht unbestritten ist. Da dies nicht der Fall ist, fehlt es noch an einer hinreichenden Entscheidungsgrundlage.
Daher war dem Revisionsrekurs der Martha H. Folge zu geben und wie im Spruche zu entscheiden.
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