Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß gegen die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung mit der Einschränkung wiederhergestellt wird, daß der Antragstellerin und gefährdeten Partei aufgetragen wird, für alle ihrem Gegner durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung verursachten Nachteile durch gerichtlichen Erlag von S 50.000,-- Sicherheit zu leisten. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Begründung
Die R*** Ö*** (Antragstellerin und gefährdete Partei; im folgenden: Antragstellerin) ist Eigentümerin des Grundstückes 724/1 KG Tröpolach, auf dem sich Kriegsgräber im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1948 über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, BGBl. Nr. 175, befinden (Heldenfriedhof).
Mit der Behauptung, es mangle an einer Wegverbindung zum öffentlichen Wegenetz (Bundesstraße 90 - Naßfeldstraße) beantragte die Antragstellerin, ihr auf einem in Natur bereits vorhandenen Weg die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes über die Grundstücke 719/1 (Margarethe K***), 725/3 (Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei, im folgenden: Antragsgegnerin) und 724/2 (Dr. Karl B***) zugunsten der jeweiligen Eigentümer und Besucher des Grundstückes 724/1 als Notweg einzuräumen. Die Antragsgegnerin wendete unter anderem ein, es bestünde zum Friedhof ein anderer Weg, an diesem möge sich die Antragstellerin einen Notweg einräumen lassen, die beantragte Wegverbindung durchschneide eine geschlossene Hoffläche. Die Antragstellerin habe sich seinerzeit in auffallender Sorglosigkeit nicht um die Einräumung des im Schenkungsvertrag vom 27. Oktober 1921 eingeräumten Wegerechtes gekümmert.
Am 30. Juli 1986 beantragte die R*** Ö*** die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes, ihr werde Zufahrt und Zugang über die Grundstücke 725/3 und 724/2 je KG Tröpolach in dem im beiliegenden, einen integrierenden Bestandteil dieses Beschlusses bildenden Lageplan rot eingezeichnetem Umfang und Ausmaß und im Seitenabstand von 3 m rund um die Friedhofsmauer bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens gestattet. Die Antragstellerin habe feststellen müssen, daß auf dem Grundstück des Dr. Karl B*** mehrere Erdhaufen in der Höhe von etwa 1,5 m auf eine Länge von 10 m aufgeschüttet worden seien. Der Zugang sei überdies durch ein mit Ketten verschlossenes Gatter, das sich auf dem Grundstück der Antragsgegnerin befinde, abgesperrt worden. Kurz vor dem 17. Juli 1986 sei allerdings das Gatter wieder geöffnet worden. Durch diese Vorkommnisse werde zweifellos der Anspruch der Antragstellerin auf Einräumung eines Notweges gefährdet, vor allem aber die nachherige Durchsetzung vereitelt oder doch erheblich erschwert. Da die Antragstellerin diesen Weg auch als Zufahrt für LKWs zwecks Wiederherstellung des Friedhofes benötige, könne die Zufahrt zum Friedhof überhaupt nur dadurch gesichert werden, daß bereits während und auf Dauer des Notwegeverfahrens mittels einstweiliger Verfügung Zufahrt und Zugang zum Friedhof zugelassen werden. Der Friedhof, zu der die Bevölkerung seit Ende des ersten Weltkrieges Prozessionen unternommen habe und darüber hinaus das ganze Jahr über von Besuchern frequentiert worden sei, erfülle bereits seit etwa 1983 nicht mehr seinem Zweck als Gedenk- und Kultstätte, weil er einerseits schon äußerlich nicht mehr als solche erkennbar sei und darüber hinaus die Antragsgegnerin und Dr. Karl B*** der gefährdeten Partei den Zugang und die Zufahrt zum Friedhof zwecks Durchführung der Bauarbeiten verwehrten. Dadurch habe die Antragstellerin ihrer im § 1 des Bundesgesetzes über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem ersten und zweiten Weltkrieg normierten öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die Kriegsgräber in würdiger und geziemender Weise zu erhalten, nicht nachzukommen vermocht. Dies habe zur Folge gehabt, daß sich die Bevölkerung darüber errege, weil ihr der Zugang verwehrt werde; in den Massenmedien seien auch immer wieder Berichte erschienen, wonach die R*** Ö*** es verabsäume, ihren gesetzlichen
Verpflichtungen zur Pflege und Erhaltung der Kriegsgräber nachzukommen; sie lasse den Friedhof zur Schutthalde herabkommen, sodaß das Andenken an die Gefallenen der Weltkriege herabgewürdigt werde. Werde die R*** Ö*** daran gehindert, ihren
gesetzlichen Verpflichtungen unter Hintanhaltung der sogar strafgesetzlich verpönten Verunehrung von Totengedenkstätten nachzukommen, so drohe nicht nur dem Gedenken der gefallenen Soldaten, sondern der R*** Ö*** ein unwiederbringlicher, in Geld gar nicht ausdrückbarer Schaden, weil in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, sie wolle diesen rechtswidrigen, sogar gegen das Strafgesetzbuch und ein Bundesgesetz verstoßenden Zustand nicht abstellen. Nur durch die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung könne der der Antragstellerin unmittelbar drohende unwiederbringliche moralische und ethische Schaden verhindert werden. Das Erstgericht erließ, ohne die Antragsgegnerin und Dr. Karl B*** zu hören, die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Es sei amtsbekannt, daß die Antragsgegnerin und Dr. Karl B*** die dringend notwendige Wiedererrichtung des Tröpolacher Heldenfriedhofes dadurch verhinderten, daß der in der Natur vorhandene und in der Vergangenheit immer von Friedhofsbesuchern benützte Weg durch ein Gatter abgesperrt und dieses mit einer Kette versehen worden sei. Außerdem würden durch die auf dem Weg vorgenommenen Erdanhäufungen die Benützung des Weges durch Fahrzeuge und Besucher unmöglich gemacht. Da der derzeitige Zustand des Friedhofes sowie die Behinderung des Zuganges und der Zufahrt durch die Antragsgegnerin und Dr. Karl B*** die Bevölkerung bereits sehr erregt habe und darüber in den Massenmedien berichtet worden sei, bestehe auch ein öffentlich-rechtliches Interesse an der Beseitigung der Mißstände. Da die Antragstellerin ihren Anspruch und dessen Gefährdung sowie den drohenden und unwiederbringlichen moralischen und ethischen Schaden ausreichend bescheinigt habe und die Verhältnisse überdies amtsbekannt seien, habe von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung abgesehen werden können. Diese einstweilige Verfügung bekämpfte die Antragsgegnerin mit Rekurs und Widerspruch.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die gegen die Antragsgegnerin beantragte einstweilige Verfügung abgewiesen wird. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, aber nicht S 300.000 übersteige. Den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Bei im außerstreitigen Verfahren durchzusetzenden Rechtsgestaltungsansprüchen fehle es überhaupt an einem zu sichernden Anspruch, weil im Falle der Einräumung eines Notweges die Antragstellerin im Hinblick auf die gemäß § 4 Abs 1 NWG zu beachtenden Grundsätze und der nach § 12 Abs 3 NWG vorgesehenen Einbeziehung anderer Liegenschaften keinen Anspruch auf eine von vornherein bestimmte Trasse habe; deshalb könne eine Sicherungsmaßnahme im Wege einer einstweiligen Verfügung nur angeordnet werden, wenn die Rechtsverwirklichung des geltend gemachten Anspruches im Exekutionsverfahren überhaupt in Gefahr sei. Das sei im Falle eines Antrages auf Einräumung eines Notweges nur denkbar, wenn der Antragsgegner Maßnahmen setze, die die Einräumung eines Notweges überhaupt gefährdeten, also die Rechtsverwirklichung grundsätzlich in Frage stellten, etwa durch die Errichtung fester Bauten auf der allein in Betracht kommenden Trasse, nicht aber durch die bloße Errichtung einer jederzeit ohne besonderen Aufwand zu entfernenden Absperrung. Treffe es zu, daß die Antragsgegnerin durch die Errichtung eines versperrten Gatters die Durchsetzung des geltend gemachten Anspruches gefährde, dann könnte zur Sicherung nicht die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung erlassen werden, sondern nur die Anordnung einer Maßnahme im Sinn des § 382 Z 4 und 5 EO erfolgen. Auf § 381 Z 1 EO könne daher der Antrag nicht gestützt werden. Die Antragstellerin habe nie behauptet, einen materiellen Schaden erlitten zu haben. Zur Abwehr eines moralischen und ethischen Schadens, also eines immateriellen Schadens, könne aber eine einstweilige Verfügung im Sinn des § 381 Z 2 EO nicht erlassen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist teilweise berechtigt. Auch zur Sicherung von Ansprüchen, die im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen und dann nach den Grundsätzen der Exekutionsordnung vollstreckbar sind, können einstweilige Verfügungen nach den Verfahrensvorschriften der Exekutionsordnung erlassen werden (EvBl 1971/107; MietSlg 19.036/28; SZ 34/105;
JBl 1960, 302 ua, zuletzt 5 Ob 591/85; Heller-Berger-Stix 2696 f;
Rintelen, EV 29 f.; Ott, Rechtsfürsorgeverfahren 125, 273). Auch zur Sicherung des Anspruches auf Einräumung eines Notweges ist daher unter den Voraussetzungen des § 381 EO die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zulässig (JBl 1960, 302; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 480; Ehrenzweig 2 I/2, 348 FN 50;
Rintelen aaO 30; Ott aaO 273).
Dem Rekursgericht kann darin nicht gefolgt werden, daß eine Gefährdung des Anspruches der Antragstellerin nach § 381 Z 2 EO, mit der selbst der endgültigen Entscheidung inhaltlich vorgegriffen werden darf (JBl 1985, 423; EvBl 1983/144; SZ 55/78 uva; Heller-Berger-Stix 2723), zu verneinen wäre. Nach dieser Vorschrift kann zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen eine einstweilige Verfügung unter anderem dann erlassen werden, wenn dies zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint. Die Exekutionsordnung enthält keine Bestimmung, was unter Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO zu verstehen wäre. Diese Vorschrift verweist daher auf die allgemeine Regelung des § 1293 ABGB. Schaden ist demnach jeder Nachteil, der jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Der Schadensbegriff des § 1293 ABGB ist ein weiter, er umfaßt auch den immateriellen Schaden (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 1293). Gerade wenn der Eintritt eines immateriellen Schadens droht, wird in der Regel ein unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO anzunehmen sein, liegt doch ein immaterieller Schaden dann vor, wenn Interessen beeinträchtigt werden, die keinen Vermögenswert haben (Reischauer aaO Rdz 15). In Rechtsprechung und Lehre ist daher allgemein anerkannt, daß ein unwiederbringlicher Schaden dann vorliegt, wenn Geldersatz dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (JBl 1985, 423; EvBl 1983/144; SZ 55/78 ua; Heller-Berger-Stix 2724). So wurde in der Entscheidung 6 Ob 770/83 als Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO die Beeinträchtigung des Rufes und der Kreditwürdigkeit des Unternehmens einer offenen Handelsgesellschaft durch das Bekanntwerden von Liquidationsschwierigkeiten, der Verlust des Vertrauens der Finanzbehörden und Kunden in die Bonität des Unternehmens angesehen. In der Entscheidung JBl 1985, 423 wurde die Beeinträchtigung von Jagdrechten derart, daß nicht nur der Berechtigte selbst die Jagd nicht auszuüben imstande war, sondern ihm die Möglichkeit genommen wurde, Gäste ins Revier einzuladen und die Ausstellung von Jagdgastkarten zu begehren, in der Entscheidung SZ 55/78 die Untergrabung der gesellschaftsrechtlichen Stellung der gefährdeten Partei als Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO beurteilt. Schließlich wurde in der Entscheidung 1 Ob 634/81 gesagt, daß Ärger, Verdruß, Aufregung und Lärm zu den immateriellen Beeinträchtigungen zählen, die unter den Schadensbegriff des § 1293 ABGB fallen. Die Gefahr des Eintrittes eines Schadens in diesem Sinn wurde von der Antragstellerin bescheinigt. Auf dem Friedhof befinden sich Kriegsgräber im Sinne des Bundesgesetzes über die Fürsorge für die Kriegsgräber aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, BGBl. 1948/175. Nach § 2 Abs 1 dieses Gesetzes ist der Eigentümer eines Grundstückes, in dem solche Gräber liegen, verpflichtet, die Gräber dauernd zu belassen, sie gut zugänglich zu erhalten und alle Vorkehrungen zu dulden, die der Instandhaltung der Gräber dienen. Solange die Zufahrt und Zugangsmöglichkeit nicht rechtlich abgesichert ist, kann die Antragstellerin dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen. Durch die derzeit bestehende Situation wird der Anschein gefördert, der Staat selbst, der jeden zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet und dies durch Ausübung von Befehl und Zwang zu erreichen sucht, komme den von ihm aus Pietätsgründen erlassenen Verpflichtungen nicht nach. Ein solches Verhalten ist geeignet, nicht nur in der Öffentlichkeit Ansehen, Ruf und Gesetzestreue des Normgebers herabzusetzen, sondern zu bewirken, daß jeder einzelne in Zukunft eher ihm gesetzlich auferlegte Pflichten zu vernachlässigen gedenkt.
Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin ergibt sich aus dem Akt nicht, daß eine öffentliche Wegeverbindung zum Grundstück der Antragstellerin bestünde oder daß es sich beim Grundstück der Antragsgegnerin um einen Bestandteil eines geschlossenen Hofraumes handelt, sodaß die Voraussetzungen nach § 1 Abs 1 NWG bescheinigt wurden. Ob aber die Einräumung eines Notweges nach § 2 Abs 1 NWG unzulässig wäre, wurde noch nicht geprüft. Mangels ausreichender Anspruchsbescheinigung ist daher gemäß § 390 Abs 1 EO der Antragstellerin eine angemessene Sicherheit von S 50.000 aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO. Diese Vorschrift gilt auch für erfolgreiche Rekurse der gefährdeten Partei im Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (JBl 1976, 534; 3 Ob 596/80). Nach § 25 Abs 1 letzter Halbsatz NWG kann eine Kostenersatzpflicht des Antragsgegners im vorhinein nicht ausgeschlossen werden.
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