European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0010OB00707.76.1201.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 4.459,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 960 S Barauslagen und 259,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte übernahm im Jahre 1971 gegenüber der Klägerin als Bürge und Zahler die Haftung für sämtliche Schulden seines Sohnes H*. Auf Grund eines Vergleiches vor dem Handelsgericht Wien vom 10. April 1973 zwischen der Klägerin und H* verpflichtete sich letzterer einen Teilbetrag von 110.000 S in Monatsraten von 10.000 S ab 1. Mai 1973 zu bezahlen. In der Zeit zwischen Juni 1973 und September 1973 sollten sich diese Raten auf 12.000 S monatlich erhöhen. Bei nicht fristgerechter Bezahlung sollte Terminsverlust eintreten, außerdem wurde eine 8 %ige Verzinsung vereinbart.
Mit der Behauptung, H* habe auf diesen Vergleich keine Zahlungen geleistet, es sei daher Terminsverlust und die Fälligkeit des Gesamtbetrages eingetreten, stellte die Klägerin unter Hinweis auf die vom Beklagten abgegebene Bürgschaftserklärung, das auf Zahlung des Betrages von 110.000 S samt Anhang gerichtete Klagebegehren.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, die von ihm für seinen Sohn abgegebene Bürgschaft habe sich nur auf Forderungen der Klägerin gegenüber H* aus dem Betrieb der E* M* erstreckt. Die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen beträfen aber die Abrechnung der E* R*, während sich aus der Abrechnung der Tankstelle M* kein Saldo zugunsten der Klägerin ergebe.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten auf Grund nachstehender weiterer wesentlicher Feststellungen im Sinne des Klagebegehrens schuldig: Mit Schreiben vom 16. Juni 1971 machte der Beklagte der Klägerin das Anbot, sich für sämtliche Forderungen der Kläger in – auch für Forderungen aus übernommenen Bürgschaften – gegenüber H* als Bürge und Zahler zur ungeteilten Hand zu verpflichten. Mit Schreiben vom 23. Juni 1971 erklärte die Klägerin dem Beklagten gegenüber dieses Anbot anzunehmen.
H* war vom April 1971 bis Dezember 1971 Pächter der Tankstelle der Klägerin in M* und ab Jänner 1972 Pächter der Tankstelle der Klägerin in R*. Eine Beschränkung der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten bei den Vorbesprechungen zwischen ihm und dem Gebietsleiter der Tankstellen der Klägerin in Kärnten – W* – auf Forderungen der Klägerin gegen H* lediglich aus dem Betrieb der Tankstelle in M* erfolgte nicht. Nach Abschluß des Pachtvertrages über die Tankstelle in R* ersuchte H* die Klägerin um Stundung eines Betrages von 200.000 S für die Auslieferung von Kraftstoff und verwies hiebei auf die von seinem Vater abgegebene Bürgschaftserklärung.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß der Beklagte die Haftung für die eingeklagte Forderung, welche der Klägerin gegen H* als Hauptschuldner zustehe, als Bürge und Zahler übernommen habe. Den Nachweis, daß sich nun die übernommene Bürgschaft nicht auf die eingeklagte Forderung bezogen habe, vielmehr auf Forderungen aus dem Betrieb der Tankstelle M* beschränkt gewesen sei, habe der Beklagte nicht erbracht. Die Klägerin sei daher berechtigt, den Klagsbetrag zu dessen Bezahlung sich H* durch gerichtlichen Vergleich verpflichtet habe, gegenüber dem Beklagten als Bürge und Zahler geltend zu machen.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Zur erhobenen Rechtsrüge führte das Berufungsgericht aus, entgegen der Ansicht des Beklagten reiche der festgestellte Text der Erklärung des Beklagten keineswegs nur zur Annahme einer Bürgschaft für bereits vorhandene, ziffernmäßig bekannte Forderungen aus; die Formulierung „sämtliche Forderungen“ beinhalte vielmehr auch die Verbürgung für künftige Forderungen, zumal diese bei Übernahme der Bürgschaft noch keineswegs individualisiert sein müßten. Da eine Einschränkung des Bürgschaftsvertrages auf Forderungen der Klägerin aus dem Betrieb der Tankstelle in M* nicht habe festgestellt werden können, erstrecke sich der Vertrag nach seinem Wortlaut auch auf Forderungen der Klägerin aus dem Betrieb der Tankstelle R*. Die Bestimmung des § 1353 ABGB, wonach die Bürgschaft nicht weiter ausgedehnt werden könne, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt habe, greife nur soweit Platz, soweit nicht die besondere Abrede den Umfang der Bürgschaftshaftung bestimme. Da der Umfang der Bürgschaftserklärung des Beklagten nach deren Wortlaut nicht zweifelhaft sei, bedürfe es nicht der Auslegungsregeln der §§ 1353 und 915 ABGB.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zurückzuverweisen, allenfalls es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt Berechtigung nicht zu.
Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Berufungsgericht erblickt der Beklagte darin, daß es auch das Gericht zweiter Instanz nicht für erforderlich gehalten habe, den Akt 11 Cg 152/72 des Handelsgerichtes Wien zu Beweiszwecken beizuschaffen. Hat aber das Berufungsgericht bereits erkannt, daß der gerügte Mangel nicht vorliegt, kann deshalb nicht Revision begehrt werden (SZ 22/106, SZ 27/4 u.v.a.). Die Fragen aber, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, oder aber ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig oder entbehrlich hält, gehören der Beweiswürdigung an und sind nicht revisibel (8 Ob 20/69, 1 Ob 90/75, 7 Ob 586/76, 6 Ob 630/76 u.v.a.).
Soweit der Beklagte in der Revision auf den Inhalt der Berufungsschrift verweist ist ihm zu entgegnen, daß solche Verweisungen für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich sind (7 Ob 188/75, 7 Ob 571/76, 2 Ob 108/76 u.v.a.).
Geht man aber von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, erweist sich auch die Rechtsrüge als nicht zielführend. Im gegenständlichen Fall hat sich der Sohn des Beklagten um die Pachtung einer Tankstelle der Klägerin beworben. Diese begehrte von ihm die Beibringung einer Bürgschaftserklärung für sämtliche allfällig entstehenden Forderungen der Klägerin gegen ihn. Eine Feststellung, daß sich die vom Beklagten in der Folge abgegebene Bürgschaftserklärung nur auf Forderungen gegen seinen Sohn aus dem Betrieb der Tankstelle M* bezogen hätte, konnte nicht getroffen werden. Soweit der Beklagte diese Feststellung bekämpft, bekämpft er in Wahrheit und in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Die Verbürgung für künftige Forderungen ist zulässig, die letzteren brauchen bei Übernahme der Bürgschaft noch nicht individualisiert sein; so kann z.B. die Bürgschaft für die Verbindlichkeiten aus einer Geschäftsführung erfolgen, wie im gegenständlichen Fall (siehe hiezu Ohmeyer in Klang2 VI S. 214). Es trifft zu, daß die Bürgschaftsverpflichtung nicht über den Umfang der Haftung des Hauptschuldners hinaus reicht. Wie weit aber innerhalb dieser Grenze der Bürge die Haftung übernimmt, dafür ist in erster Linie die Vereinbarung zwischen den Parteien maßgebend. Wenn es auch richtig ist, daß gemäß § 1353 ABGB die Bürgschaft nicht weiter ausgedehnt werden kann, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt hat und im Zweifel davon auszugehen ist, daß sich der Bürge eher die geringere als die schwerere Last auf legen wollte, so läßt sich im vorliegenden Fall aus der festgestellten Erklärung, wonach sich der Beklagte für sämtliche Forderungen der Klägerin gegenüber H* als Bürge und Zahler verpflichtete, keine Einschränkung in der vom Beklagten behaupteten Art ableiten; „ausdrücklich“ im Sinne des § 1353 ABGB bedeutet nicht mehr als „deutlich erkennbar“. Ist aber der Umfang der Bürgschaftserklärung nicht zweifelhaft, dann ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß es in einem solchen Falle einer Heranziehung der Auslegungsregeln der §§ 915 und 1353 ABGB nicht bedarf (siehe auch hiezu Ohmeyer a.a.O. S. 218 f.).
Die Revision erweist sich sohin als unbegründet.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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