Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden und gefährdeten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien die mit 5.706 S (darin enthalten 951 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger und gefährdeten Parteien (in der Folge kurz Kläger) begehrten, die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Parteien (im folgenden kurz Beklagte) schuldig zu erkennen, die "Ausübung des Klavierspielens" in der Wohnung top Nr 22 eines Hauses in Wien-Josefstadt "in einer Art und Weise" zu unterlassen, dass dadurch erzeugte maximale Pegelspitzenwerte - mit Ausnahme einer täglichen Dauer von 1 1/2 Stunden, und auch diese nur im Zeitraum von Montag bis Freitag von 10.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 18.00 Uhr sowie an Samstagen und Sonntagen von 18.00 bis 21.00 Uhr, wobei die hiebei erzeugten maximalen Pegelspitzenwerte in der Wohnung der Kläger nicht mit mehr als 35 dB wahrgenommen werden dürfen - nicht mit einer mit mehr als 20 dB in der Wohnung der Kläger wahrnehmbaren Lautstärke hörbar werden. Zugleich beantragten die Kläger die Erlassung einer mit dem Urteilsbegehren gleichlautenden einstweiligen Verfügung bis zur Rechtskraft des über ihre Klage ergehenden Urteils. Sie brachten vor, Mieter der Wohnung top Nr 20 zu sein. Diese Wohnung befinde sich unterhalb der Wohnung top Nr 22, die vom Vater der Beklagten gemietet worden sei; die Beklagte sei Mitbewohnerin. Sie studiere Klavier, um sich als Konzertpianistin auszubilden. Sie spiele täglich stundenlang in einer Art und Weise, dass die dem Wohnzweck und dem Ruhebedürfnis entsprechende Benützung der Wohnung der Kläger nicht mehr möglich sei. Deren Versuche, eine gütliche Einigung herbeizuführen, seien gescheitert. Manchmal spiele die Beklagte täglich bis zu 9 3/4 Stunden, die Spielzeiten seien zudem völlig unregelmäßig über den Tag verstreut. Wegen der ständigen, durch dieses Klavierspiel hervorgerufenen Geräuschimmissionen, denen die Kläger hilflos ausgeliefert seien, seien sie psychisch und physisch beeinträchtigt und seit Juni 1997 deshalb auch in ärztlicher Behandlung. Die Zweitklägerin leide an Schlafstörungen und an reaktiver Depression, was eine ständige medikamentöse Behandlung erfordere. Durch das Klavierspiel der Beklagten werde das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten; außerdem sei die ortsübliche Benützung der Wohnung der Kläger wesentlich beeinträchtigt. Es bestehe daher ein wesentliches Interesse der Kläger daran, dass das Klavierspiel der Beklagten auf einen Zeitraum von täglich 1 1/2 Stunden und auf einen bestimmten Zeitrahmen eingeschränkt werde. Sonst sei zu befürchten, dass sich die bei den Klägern bereits aufgetretenen gesundheitlichen Probleme verstärkten.
Die Beklagte wendete ein, es entspreche nicht den Tatsachen, dass die dem Wohnzweck und dem Ruhebedürfnis der Kläger entsprechende Benützung deren Wohnung nicht mehr möglich sei. Sie habe sich den Forderungen der Kläger insoweit angepasst, als sie an Werktagen nicht vor 09.00 Uhr und "an Wochenenden" nicht vor 10.30 Uhr mit dem Spielen beginne. Im Hinblick auf ihre Ausbildung zur Konzertpianistin stehe ihr das Recht zu, täglich mehrere Stunden am Klavier zu üben. Lediglich die Kläger fühlten sich durch das Klavierspiel der Beklagten gestört. Das Ausmaß habe täglich nie mehr als fünf - und in Ausnahmsfällen sieben - Stunden betragen. Die Wohnung der Kläger befinde sich in keiner besonders ruhigen Wohngegend, sondern an der Ecke zu einer stark befahrenen Straße. Die psychischen Probleme der Zweitklägerin seien nicht erst durch das Klavierspiel der Beklagten entstanden. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Klavierspielens sei auf das Empfinden eines normal empfindlichen Durchschnittsmenschen abzustellen. Die Beklagte sei bisher von den Verwaltungsbehörden wegen "Lärmerregung" nicht bestraft worden. Es sei völlig unmöglich, in einer Wohnung Klavier zu spielen, ohne dass in einer direkt angrenzenden Wohnung ein Geräuschpegel von 20 dB nicht überschritten werde. Überdies fehle der Hinweis auf eine konkrete Gefährdung des Erstklägers.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung insoweit, als es der Beklagten verbot, das Klavierspiel in der Wohnung top Nr 22 in einer Art und Weise auszuüben, daß dadurch erzeugte maximale Pegelspitzenwerte - mit Ausnahme einer täglichen Dauer von zwei Stunden, und auch diese nur im Zeitraum von Montag bis Freitag von 10.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 18.00 Uhr sowie an Samstagen und Sonntagen von 18.00 bis 21.00 Uhr, wobei die hiebei erzeugten maximalen Pegelspitzenwerte in der Wohnung der Kläger (top Nr 20) nicht mit mehr als 40 dB wahrgenommen werden dürfen - nicht mit einer mehr als 25 dB in der Wohnung der Kläger wahrnehmbaren Lautstärke hörbar werden; das Mehrbegehren wies es ab. Zur Begründung führte es aus, es komme durch das Klavierspiel der Beklagten in der von den Klägern gemieteten Wohnung zu Lärmimmissionen in einem Ausmaß, dass deren gewöhnliches Maß in einer innerstädtischen (Wiener) Wohnung überschritten und deren normale Benützung zu Wohnzwecken, namentlich, um dort Ruhe zu finden und zur Entspannung sowie zur Freizeitgestaltung, wesentlich beeinträchtigt werde. In Anbetracht der bescheinigten Gesundheitsgefährdung durch die Geräuschimmission sei auch eine Gefährdung der Kläger als bescheinigt anzunehmen, zumal Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht durch Geldersatz ausgeglichen werden könnten. Der Beklagten sei das Klavierspielen insoweit zu untersagen, als es den Klägern nach Dauer und Intensität nicht zumutbar sei. Es sei aber zu berücksichtigen, dass ein Geräuschpegel von 20 dB realistischerweise nicht eingehalten werden könne.
Das Rekursgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es der Beklagten verbot, das Klavierspielen in der Wohnung top Nr 22 in der Form auszuüben, dass eine tägliche Spieldauer von vier Stunden, diese ausschließlich im Zeitraum von Montag bis Freitag von 10.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 18.00 Uhr und an Samstagen und Sonntagen von 16.00 bis 21.00 Uhr, überschritten werde; das Mehrbegehren wies es ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und erklärte letztlich den Revisionsrekurs als zulässig. Es führte aus, Immissionen könnten nach § 364 Abs 2 ABGB dann untersagt werden, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Bestandobjekts wesentlich beeinträchtigen. Bei der von einer Wohnung ausgehenden Musik sei nicht nur die (objektiv meßbare) Lautstärke, sondern auch die subjektive Lästigkeit maßgeblich, doch sei auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners der betroffenen Wohnung und nicht auf eine besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person abzustellen. Klavierspielen in einer Wohnung sei grundsätzlich als ortsüblich zu dulden, selbst wenn durch die hiebei entstehende Geräuschentwicklung der in der Wohnung des Störers sonst herrschende Schallpegel überschritten werde. Das übliche Klavierspielen ohne Zuhilfenahme technischer Schallverstärker müsse in städtischen Wohngegenden geduldet werden. Die natürliche Lautstärke des Klavierspiels dürfe nicht beschränkt werden. Die Einschränkung des Klavierspielens auf das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß sowie zur Verhinderung einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung der Nachbarwohnung könne ausschließlich über die zeitliche Komponente erreicht werden. Unter Bedachtnahme darauf, dass die Beklagte Klavier studiere, sei ihr zwar eine Zeit intensiver Übung zuzugestehen, aber allgemein übliche Ruhezeiten am Abend, während der Nacht, am Morgen und zu Mittag einzuhalten. Eine tägliche Übungszeit von vier Stunden beeinträchtige die übliche und widmungsgemäße Wohnungsbenützung noch nicht in unzumutbarer Weise. Da den Klägern die Gefährdung ihres Anspruchs dadurch, dass sie durch ein Übermaß an Geräuschbelästigung gesundheitlichen Schaden erleiden könnten, gelungen sei, sei die einstweilige Verfügung im verfügten eingeschränkten Umfang zu erlassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Kläger ist zwar zulässig, indes nicht berechtigt.
Immissionen können nach § 364 Abs 2 ABGB dann untersagt werden, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Die unzulässige Einwirkung wird mithin durch zwei Kritierien bestimmt: Einmal, dass die Störung nicht (mehr) ortsüblich ist, und zum anderen, dass die ortsübliche Benützung des Grundstücks durch den Eingriff wesentlich beeinträchtigt wird (SZ 66/147 uva). Da diese beiden Kriterien kumulativ vorliegen müssen, sind selbst übermäßige Immissionen zu dulden, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (8 Ob 372/97g; Spielbüchler in Rummel, ABGB2, § 364 Rz 13). Bei der Auslegung der Begriffe "örtliche Verhältnisse" und "ortsübliche Benutzung" ist nicht jedenfalls auf die Gegebenheiten der jeweiligen politischen Gemeinde zurückzugreifen; je nach Lage des Falles sind auch nur die Verhältnisse bestimmter Teile einer Gemeinde darunter zu verstehen, weil auf die Umstände in der unmittelbaren Umgebung des betroffenen Objekts abzustellen ist (8 Ob 372/97g; SZ 65/145). Namentlich in größeren Städten ist der betroffene Stadtteil ("Viertel") maßgeblich, doch können einige Häuser oder Gassen noch nicht als eigenes Viertel angesehen werden (vgl die Nachweise bei Oberhammer in Schwimann, ABGB2 § 364 Rz 12). Im vorliegenden Fall sind demnach für die Ortsüblichkeit der Störung bzw die ortsübliche Nutzung die im Stadtkern von Wien (8. Wiener Gemeindebezirk) herrschenden Verhältnisse maßgeblich; dem Umstand, dass sich die beiden Wohnungen im unmittelbarer Nähe einer stark befahrenen Straße befinden, ist deshalb keine wesentliche Bedeutung beizumessen, weil die durch den Straßenverkehr bewirkte Geräuschkulisse völlig anders geartet ist als die durch das Klavierspiel hervorgerufenen "Geräusche". Die Lage der beiden Wohnungen erweist sich im Immissionsstreit nur insoweit als bedeutsam, als deshalb dabei nicht von einer ruhigen Wohngegend gesprochen werden kann.
Zunächst ist zu prüfen, ob das Klavierspiel in Wohnhäusern - jedenfalls im großstädtischen Bereich - als ortsüblich anzusehen ist. Die Frage, ob eine Immission (noch) als ortsüblich zu beurteilen sei, ist nicht allein auf Grund rein empirischer Ergebnisse, sondern auch anhand normativer Wertungen zu prüfen; die Ortsüblichkeit ist somit auch ein wertungsabhängiger Rechtsbegriff (Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung, 278 f). Gefährdet die Einwirkung die Gesundheit davon betroffener Menschen ganz allgemein, so kann sie nicht als ortsüblich beurteilt werden.
Allgemeiner Erfahrung nach wird von den Musikinstrumenten gerade auch das Klavier im städtischen Raum vielfach in Wohnungen erlernt und geübt. Demgemäß ist das Klavierspiel seit jeher in Wohnvierteln üblich (WoBl 1999, 100; Säcker in MünchK3 § 906 BGB Rz 103), soweit es nicht während der üblichen Ruhestunden - namentlich in der Mittagszeit und in den Nachtstunden - betrieben wird (Roth in Staudinger, BGB13 § 906 Rz 147, der allerdings - indes ohne nähere Begründung - das "Musizieren von ... Musikstudenten" generell für unzulässig hält).
Selbstredend kann nur zeitlich beschränktes Klavierspiel als (noch) ortsüblich angesehen werden. Ein bis zwei Stunden täglich können selbst nach Gaisbauer (in WoBl 1999, 87), der die Entscheidung WoBl 1999, 100 kritisiert, noch als ortsüblich gelten, aber auch die Kläger gestehen der Beklagten das Recht zu, in der von ihr mitbenützten Wohnung - wenngleich mit eingeschränkter Lautstärke - ein bis eineinhalb Stunden täglich Klavier zu üben. Der dritte Senat hat in der (soeben erwähnten) Entscheidung WoBl 1999, 100 in einem gleich gelagerten Fall einer Musikstudentin eine "Übungszeit" von vier Stunden täglich "als übliche und den anderen Hausbewohnern zumutbare widmungsgemäße Wohnungsbenützung" zugebilligt. Die Frage, ob das Klavierspiel in diesem zeitlichen Ausmaß noch ortsüblich ist, wird im deutschen Schrifttum (vgl nur Roth aaO; Gramlich in NJW 1985, 2132; vgl auch Runge in NJW 1958, 1999) überwiegend verneint (vgl dazu auch OLG Hamm in NJW 1981, 465 bzw OLG Frankfurt in NJW 1985, 2138); selbst Größ (WoBl 1999, 192), der der Entscheidung WoBl 1999, 100 im Ergebnis beipflichtet, bezweifelt die Zulässigkeit eines solchen Ausmaßes, zumal überhaupt Zweifel angebracht seien, ob professionelle Musikausübung in Wohnvierteln üblich ist (so übrigens auch Säcker aaO Rz 103; Roth aaO; Runge aaO). Diese Frage muss indes hier nicht abschließend beantwortet werden, weil dem Rechtsmittel der Kläger - wie noch zu erörtern sein wird - aus anderem Grund kein Erfolg beschieden ist:
Selbst wenn man zum Ergebnis gelangte, die vom Gericht zweiter Instanz der Beklagten zugebilligte tägliche Übungszeit von vier Stunden sei nicht mehr ortsüblich, gälte es immer noch, die Frage nach der wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Wohnungsbenützung zu beantworten, wäre doch - wie schon weiter oben dargelegt wurde - die bekämpfte Einwirkung nur dann unzulässig, wenn sie nicht (mehr) ortsüblich wäre und die ortsübliche Benützung der Wohnung wesentlich beeinträchtigte.
Nach Rechtsprechung (WoBl 1999, 100; JBl 1990, 786 uva) und Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht II2 324; Oberhammer aaO Rz 16) ist bei der Beantwortung der Frage, ob die von einer Wohnung ausgehende Musik die ortsübliche Benützung der Nachbarwohnung wesentlich beeinträchtigt, nicht bloß die (objektiv meßbare) Lautstärke, sondern auch die subjektive Lästigkeit in Anschlag zu bringen; dabei sei jedoch nicht auf die besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Beeinträchtigten abzustellen. Wie Größ (aaO 192) zutreffend bemerkt, begegnet die Umsetzung dieses Maßstabs aber deshalb großen Schwierigkeiten, weil zum einen das Empfinden des "normalen" Durchschnittsmenschen nur sehr schwer, wenn überhaupt bestimmbar ist und zum anderen die Einschätzung des Klavierspielens auch im besonderen Maß von der persönlichen Einstellung abhängt (Runge aaO 1997). Im Anschluss an Hagen (in Erman, BGB8 § 906 Rz 15) vertritt der Bundesgerichtshof - bei durchaus vergleichbarer Rechtslage, zumal § 906 BGB Vorbild für das durch die 3. Teilnovelle geschaffene zivilrechtliche Nachbarrecht war (WoBl 1999, 100 mwN), - in jüngster Zeit die Ansicht, bei der Prüfung der Frage, ob der Lärm die Benützung des Grundstücks (der Wohnung) nur unwesentlich beeinträchtige, dürften gesetzliche Wertungen nicht unberücksichtigt bleiben, sodass die Wesentlichkeit des Lärms im Sinn einer wertenden Abgrenzung durch eine situationsbezogene Abwägung zu bestimmen sei; dies bedeute, dass nicht etwa auf das Empfinden eines "normalen", sondern auf das eines "verständigen" (gemeinschaftsbezogenen) Durchschnittsmen- schen abgestellt werden könne (BGHZ 111, 63, 65; BGHZ 120, 239, 255), das den Nachbarn im "Rahmen einer wertenden Abgrenzung" im Interesse der Allgemeinheit (in casu: an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung) zur Hinnahme von "etwas höheren Grenzwerten für Lärm" nötige, als sie sonst generell zulässig seien (BGHZ 121, 249, 255 f). Die herrschende Ansicht (in Deutschland) spricht in diesem Zusammenhang von einem differenziert-objektiven Maßstab (BGHZ 111, 63, 65; BGH in LM Nr 6 ua); er sei deshalb objektiv, weil es nicht auf die individuelle Person des mehr oder minder sensiblen Nachbarn, sondern auf das Empfinden des Durchschnittsmenschen ankomme, und differenziert, weil nicht etwa das Empfinden eines von den gegebenen örtlichen Verhältnissen losgelösten Durchschnittsmenschen schlechthin bestimmten, sondern jenes des verständigen Durchschnittsbenützers des betroffenen Grundstücks in dessen konkreter Beschaffenheit maßgebend sei (Säcker aaO Rz 34 f; Roth aaO Rz 159).
Diese Abstimmungen im Maßstab können auch für den österreichischen Rechtsbereich fruchtbar gemacht werden, dient das Nachbarrecht doch dem Ausgleich der Interessen des Einwirkenden und des (der) Betroffenen, sodass es im hohen Maß der wertenden Auslegung zugänglich ist (Oberhammer aaO Rz 11). Dieser sozialrelevante Interessenausgleich erfordert es, die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens auch Bedacht nimmt. Das kann nicht zuletzt aus der systematischen Einordnung des § 364 Abs 2 ABGB abgeleitet werden, konkretisiert diese Bestimmung doch Abs 1 dahin, dass bestimmte vom Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen zu dulden sind (Oberhammer aaO Rz 1): § 364 Abs 1 ABGB schränkt aber die Ausübung des Eigentums nicht bloß zur Sicherung der Rechte Dritter, sondern auch zur Wahrung des öffentlichen Wohls ein (Größ aaO 192 f). Im vorliegenden Fall kommt diesen Erwägungen wie folgt Bedeutung zu:
Die Kläger wenden sich - wie schon erwähnt - bloß gegen das Zeitausmaß und die Lautstärke des Klavierspiels der Beklagten. Das Gericht zweiter Instanz hat dieser eine tägliche Übungszeit von vier Stunden bewilligt, aber gleichzeitig die Zeiträume, innerhalb welcher sie das Instrument spielen darf, auf Tageszeiten eingeschränkt, in welchen die übrigen Bewohner üblicherweise in ihren Wohnungen nicht Ruhe und Erholung suchen. Während jener Zeiträume im Tagesablauf, während welcher im Haus Ruhe zu bewahren ist, also am späten Abend und in der Nacht, aber auch in den Morgenstunden und in der Mittagszeit, wird der Beklagten ohnehin das Klavierspiel zu deren musikalisch-beruflichen Ausbildung verwehrt (vgl dazu auch SZ 65/145). Sie muss sich somit - soweit es um die Zeiträume sowie die Dauer des Klavierspiels geht - ohnedies den Anschauungen und Lebensumständen der übrigen Hausbewohner unterwerfen (WoBl 1999, 100 unter Berufung auf Säcker aaO Rz 103). Andererseits müssen auch beim Zusammenleben mehrerer Personen (Familien) in einem Haus ganz einfach dadurch bedingte Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden (ImmZ 1985, 397).
Eine erhebliche Belästigung des Nachbarn kann nur dann angenommen werden, wenn die Geräuschentwicklung einer durchschnittlich empfindlichen Person auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht zugemutet werden kann (BGHZ 120, 239, 255). Wird demgemäß als Maßstab das Empfinden des verständigen Durchschnittsbenützers der Nachbarwohnung angelegt, so erweist es sich entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber keineswegs als bedeutungslos, dass die Beklagte Klavierstudentin ist und deshalb ohne intensiv genützte Übungszeiten ihr Ausbildungsziel gar nicht erreichen könnte. So wie den Klägern ihr Lebensrhythmus nicht vorgegeben werden kann, darf auch die Beklagte erwarten, dass ihr die Mitbewohner des Hauses auch für die unabdingbaren Studienerfordernisse Verständnis entgegenbringen. Es darf daher mit Fug angenommen werden, dass der verständige Durchschnittsbenützer der Wohnung der Kläger im Sinn eines sachgerechten, für ihn akzeptablen Ausgleichs der gegenläufigen Interessen der Streitteile das Klavierspiel der Beklagten in der zwar beträchtlichen, aber für sie unabdingbaren Dauer von vier Stunden täglich, aber stets außerhalb der üblichen Ruhezeiten, auf sich nimmt.
Die Zweitklägerin bekundete, sie sei dem Klavierspiel der Beklagten schon morgens, ehe die Kläger die Wohnung verlassen, beim Mittagessen, nachmittags und abends ausgesetzt: Das Rekursgericht hat der Beklagten aber das Klavierspiel ohnehin gerade in den Morgenstunden bis 10.00 Uhr, während der Mittagszeit (12.00 Uhr bis 14.00 Uhr) sowie in den späteren Abendstunden und zur Nachtzeit untersagt. Die Beeinträchtigung der Kläger durch das Übungsspiel der Beklagten wird sich realistischer Weise somit auf einen wesentlich geringeren Zeitraum als die der Beklagten bewilligte tägliche Gesamtübungszeit beschränken; außerdem sind die Zeiträume, innerhalb deren die Beklagte die bewilligte Übungszeit konsumieren darf, ohnehin so angesetzt, dass das Ruhe- und Erholungsbedürfnis eines verständigen Durchschnittsbenützers der betroffenen Nachbarwohnung geringst möglich gestört wird. Die Kläger haben daher das von der zweiten Instanz bewilligte Klavierspiel außerhalb der Ruhezeiten zu dulden, weil es unter diesen Gesichtspunkten die ortsübliche Benützung ihrer Wohnung nicht wesentlich beeinträchtigt.
Es mag zutreffen, dass besondere Umstände wie etwa eine Krankheit eines Nachbarn oder der Aufenthalt von Kleinkindern in der betroffenen Wohnung besondere Rücksichtnahme gebieten (was die Entscheidung WoBl 1999, 100 unter Berufung auf Roth aaO Rz 147 anklingen läßt), entspricht dies doch dem nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebot, von dem selbstredend auch jener Nachbar, von dessen Wohnung die beanstandete Einwirkung ausgeht, betroffen ist. Dieses Rücksichtnahmegebot hat aber nicht zur Folge, dass überempfindliche Menschen das einer in Berufsausbildung befindlichen Person in den aufgezeigten Grenzen zuzubilligende Recht auf Erlernen der angestrebten Fertigkeiten deshalb untersagen könnten. Wird der durchschnittlich empfindsame verständige Mensch bei der Benützung der Nachbarwohnung durch die vom Klavier ausgehenden Klänge nicht wesentlich beeinträchtigt, sondern ist die - wie hier als bescheinigt angenommene - gesundheitliche Beeinträchtigung der Zweitklägerin auf eine besondere Sensibilität zurückzuführen, so kann dies für sich noch nicht zum Anlass genommen werden, den Musikstudenten das Klavierspiel auch in der unumgänglichen Dauer zu untersagen (weil Überempfindlichkeit - wie Hagen aaO Rz 14 betont - ein Los ist, das jeder selbst zu tragen hat). Die Frage, ob das Klavierspiel im bewilligten Ausmaß überhaupt, und nicht nur für übersensible Menschen, gesundheitsgefährdend sei, kann nur im Hauptverfahren - auf Grund eines entsprechenden Vorbringens und Beweisanbots der Kläger - geprüft werden. Gleiches gilt für die Frage zumutbarer Dämm-Maßnahmen. In diesem Zusammenhang ist abschließend noch auszuführen:
Es darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß die Beschränkung auf "Zimmerlautstärke" sinnvolles Musizieren auf dem Klavier selbst beim Übungsspiel nicht immer ermöglicht. Mit diesen Ausführungen löste der Oberste Gerichtshof im gleich gelagerten Fall der Entscheidung WoBl 1999, 100 keineswegs "Sachverhaltsfragen", sondern legte seiner Beurteilung nicht bloß in Fachkreisen geradezu selbstverständliche Erfahrungswerte zugrunde. Es trifft auch entgegen der Behauptung der Kläger nicht zu, dass bei Geräuschimmissionen das Unterlassungsgebot in jedem Fall durch den zulässigen Geräuschpegel eingegrenzt werden müsse. Richtig ist nur soviel, als bei solchen Klagen die Unterlassungspflicht derart deutlich gekennzeichnet sein muss, dass ihre Verletzung nach § 355 EO exekutiv getroffen werden kann (SZ 67/138 mwN). Die von den Klägern zur deutlichen Umschreibung der Unterlassungspflicht geforderte präzise Anführung von Meßeinheiten erscheint dem erkennenden Senat in Übereinstimmung mit den Grundsätzen seiner Entscheidung SZ 67/138 im vorliegenden Fall weder notwendig noch zielführend, wenngleich die Aufnahme eines zulässigen Geräuschpegels (in dB) in den Urteilsspruch in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein mag (vgl dazu SZ 65/145; SZ 50/99).
Auf die Frage, ob bzw inwieweit das Spielen auf anderen - mit wesentlich größerer Lautstärke verbundenen - Instrumenten zulässig sei, ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil darüber im vorliegenden Fall nicht zu befinden ist.
Dem Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402 und 78 EO sowie den §§ 41 und 50 ZPO.
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