OGH 1Ob696/88

OGH1Ob696/889.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma L***, Tischlerwerkstätten OHG, St. Lambrecht, Leitnersiedlung 1, vertreten durch Dr. Robert Winter-Holzinger, Rechtsanwalt in Neumarkt/Stmk., wider die beklagten Parteien 1.) Dipl.Ing. Abbas R***, Geschäftsführer, Graz, Reintalstraße 16 a, 2.) Anneliese R***, Hausfrau, Graz, Resselgasse 18, beide vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 24.169,- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 18. Mai 1988, GZ 27 R 86/88-38, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Februar 1988, GZ 25 C 3684/87-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zu neuerlicher Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Mit Auftragsbestätigung vom 10. Juli 1985 nahm die klagende Partei eine Bestellung der Beklagten vom 2. Juli 1985 zur Lieferung von Fenstern, Balkontüren und Balken für das in Bau befindliche Haus Graz, Reintalstraße 16, an. Der Bestellung ging eine Besichtigung von Arbeiten der klagenden Partei in Weiz voraus. Diese Arbeiten waren Grundlage und Bedingung für Muster, Art, Farbe und Qualität des herzustellenden Werkes. Bereits 14 Tage nach Lieferung und Einbau rügten die Beklagten diverse tatsächlich vorhandene Mängel, insbesondere die Nichtübereinstimmung in Qualität und Ausführung mit den Vergleichsobjekten. Zur Behebung dieser Mängel müßten die Fenster und Türen ins Werk der klagenden Partei gebracht werden. Für die Behebung der Mängel ist ein Kostenaufwand von ca. S 25.000,- bis S 30.000,- erforderlich.

Zwischen den Parteien war der 21. Jänner 1986 als Abholtermin vereinbart. Nach Rücksprache mit dem Baumeister der Beklagten, der erklärt hatte, mit einem Abholen der Türen und Fenster nicht einverstanden zu sein, wurde am 19. Jänner 1986 der Abholtermin 21. Jänner 1986 storniert. Die Beklagten waren auch nach Durchführung der Verputzarbeiten am Haus Anfang 1986 mit der Abholung nicht mehr einverstanden. Die Räumlichkeiten, in denen sich bereits wertvolle Installationen befanden, wären sonst frei zugänglich gewesen. Die klagende Partei nahm am 16. Jänner 1987 im Haus selbst durchzuführende Justierungsarbeiten vor. Die doppelflügelige Wohnzimmertür ist aber nach wie vor nicht richtig justiert.

Die klagende Partei begehrt den restlichen Werklohn von S 24.169,- samt Anhang. Nach Mängelrüge durch die Beklagten sei es am 16. Jänner 1986 unter Anerkennung der Reklamation zwischen den Streitteilen zu einer Vereinbarung gekommen, wonach Fensterflügel und Balkon sowie die Balkonbalken von der klagenden Partei abgeholt, im Werk saniert und wiederum eingebaut werden sollten. Die Beklagten hätten aber keinen Termin zur Verbesserung der gerügten Mängel genannt. Mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 24. März 1986 hätten die Beklagten zwar erklärt, mit der Mängelbehebung einverstanden zu sein, sie bestünden aber entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung darauf, daß von der klagenden Partei während der Zeit der Mängelbehebung andere Fensterflügel und Balken anzubringen seien. Dies sei von der klagenden Partei, da es sich um eine Sonderanfertigung gehandelt habe, abgelehnt worden. Die Beklagten hätten die Mängelbehebung vereitelt; sie befänden sich daher im Annahmeverzug. Sie hätten von ihrem Wahlrecht zwischen Preisminderung oder Verbesserung Gebrauch gemacht, sie könnten daher nicht anstelle der vereinbarten Verbesserung nunmehr Preisminderung begehren.

Die Beklagten wendeten ein, sie hätten der Behebung der Mängel an Türen und Fenstern im Werk der klagenden Partei nur unter der Bedingung zugestimmt, daß ihr Baumeister damit einverstanden sei; weiters hätten während der Zeit der Verbesserung andere Türen und Fenster eingehängt werden sollen. Dem Begehren auf Bezahlung des restlichen Werklohnes werde ein Preisminderungsanspruch entgegengesetzt. Eine Reparatur der Fenster und Türflügel sei jetzt, da das Haus bewohnt sei, auch unzumutbar. Es liege daher ein unbehebbarer Mangel vor. Das Werk sei überdies noch nicht vollendet, weil die im Haus selbst vorzunehmende Justierung mangelhaft durchgeführt worden sei. Die Wohnzimmertür schließe noch immer nicht richtig. Dies sei darauf zurückzuführen, daß die Türblätter nicht rechteckig, sondern zur Mitte hin konkav verlaufend gefertigt worden seien. Dieser Mangel könne auch durch Justierung nicht behoben werden; die Türblätter müßten neu angefertigt werden. Dazu sei die klagende Partei aber nicht bereit. Gemäß § 1168 ABGB sei bei Unterbleiben der Ausführung des Werkes, wenn die Umstände auf Seiten des Bestellers liegen, der vereinbarte Preis um das zu verringern, was infolge Unterbleibens der Arbeit erspart werde. Selbst wenn also die Beklagten schuldhaft die Verbesserung vereitelt hätten, so stehe der klagenden Partei das restliche Entgelt nicht zu, da sie sich durch diese Vereitelung mehr erspart habe, als sie bei Behebung aller Mängel noch zu bekommen hätte.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Es stellte fest: Auf Grund der Mängelrüge der Beklagten sei es am 16. Jänner 1986 zu einer Besichtigung durch die klagende Partei gekommen. Die klagende Partei habe die Behebung der angeführten Mängel versprochen. Die Streitteile hätten vereinbart, daß am 21. Jänner 1986 die Fenster und Türen abgeholt und im Werk saniert werden sollten. Die Beklagten hätten dies mit ihrem Baumeister besprochen. Der Baumeister habe aber erklärt, keine Zustimmung erteilen zu können, da seine Verputzarbeiten bevorstünden und die Räume verschlossen werden müßten. Voraussetzung für die Sanierungsarbeiten durch die klagende Partei sei jedoch nicht eine Zustimmung durch den Baumeister der Beklagten gewesen; desgleichen sei nicht vereinbart worden, daß Ersatzbalken und Ersatztüren zur Verfügung gestellt würden. Ursprünglich seien Montagefehler nicht vorhanden gewesen; diese seien erst später eingetreten und von der klagenden Partei auch nachträglich behoben worden.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß infolge Annahmeverzuges der Beklagten mit der vereinbarten Verbesserung der Entgeltanspruch der klagenden Partei fällig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Auf die Beweisrüge der Beklagten ging es nicht ein, weil schon auf Grund der unbekämpft gebliebenen Feststellungen das Begehren abzuweisen sei. Nach herrschender Rechtsprechung sei der Besteller, der seine Gegenleistung noch nicht erbracht habe und die Verbesserung des mangelhaften Werkes fordere, berechtigt, die gesamte Gegenleistung bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer zu verweigern. Dadurch solle dem Besteller die Erlangung eines einwandfreien Werkes gesichert werden. Ein solches Vorgehen werde als geeignetes Mittel angesehen, den Vertragspartner zu einer umgehenden Verbesserung und Vollendung des Werkes zu bestimmen und den Besteller der undankbaren Aufgabe zu entheben, auf die Erbringung der Verbesserung klagen oder selbst die Beseitigung der vorhandenen Mängel durch einen anderen Unternehmer erreichen zu müssen. Das Recht auf Leistungsverweigerung stehe grundsätzlich auch bei Vorliegen geringer Mängel zu und finde seine Grenze nur in den im § 1295 Abs.2 ABGB normierten Grundsatz, daß die Ausübung eines Rechtes nicht zur Schikane ausarten dürfe. Beinhalte die Leistungsverpflichtung der klagenden Partei auch die Montage der nach den Wünschen der Beklagten im Werk der klagenden Partei gefertigten Türen und Fenster samt Balken, so rechtfertigten die in diesem Zusammenhang aufgetretenen und dem Unternehmer zurechenbaren Mängel ein auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gegründetes Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten. Die Behebung der Montagefehler an der doppelflügeligen Wohnzimmertüre sei ungeachtet der Verbesserungsversuche der klagenden Partei nicht gelungen. Dieser wenn auch allenfalls geringfügige Mangel schiebe jedenfalls die Fälligkeit der restlichen Forderung der klagenden Partei hinaus. Ob eine Verbesserung sämtlicher Mängel des Werkes vereinbart worden sei oder nicht und ob sohin zufolge allfälliger Verhinderung der Verbesserung dieser Mängel der restliche Entgeltanspruch berechtigt wäre, sei sohin unerheblich.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß der restliche Werklohn der klagenden Partei schon deshalb nicht fällig sei, weil ungeachtet vorgenommenen Verbesserungsversuches die doppelflügelige Wohnzimmertür nicht richtig justiert sei. Abgesehen davon, daß Balkontüren bestellt und geliefert wurden, so daß, da die klagende Partei in ihrer Revision behauptet, es handle sich um eine Werkleistung, "die im übrigen nicht klagsgegenständlich sei", nicht abschließend beurteilt werden könnte, ob die nicht richtig justierte doppelflügelige Wohnzimmertür mit einer der Balkontüren ident sei, brachten die Beklagten, worauf sie in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hinweisen, schon in erster Instanz vor, daß der Verbesserungsversuch an der Tür schon deshalb habe fehlschlagen müssen, weil es sich nicht um eine unrichtige Justierung, sondern um eine unrichtige Herstellung der Tür handle. Die Türblätter seien nicht rechteckig, sondern zur Mitte hin konkav verlaufend. Es müßten daher neue Türblätter angefertigt werden. Es handelt sich demnach nach dem Prozeßstandpunkt der Beklagten wie bei den anderen von der klagenden Partei anerkannten Mängeln um solche, die nicht im Haus der Beklagten, sondern nur im Werk der klagenden Partei saniert werden können. Die Abweisung des Klagebegehrens kann daher nicht darauf gestützt werden, im Haus der Beklagten vorzunehmende Verbesserungsarbeiten seien nicht durchgeführt worden, der Werklohn sei daher noch nicht fällig.

Aus anderen rechtlichen Gründen erweist sich aber eine Befassung des Berufungsgerichtes mit der von den Beklagten erhobenen Beweisrüge entbehrlich. Selbst bei Übernahme der Feststellungen des Erstgerichtes besteht der von den Beklagten dem Klagebegehren entgegengehaltene Preisminderungsanspruch zu Recht. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes haben die Beklagten die Verbesserung nicht nur gefordert, es ist sogar mit der klagenden Partei eine Vereinbarung welchen Inhaltes auch immer, wie diese Verbesserung durchzuführen sei, getroffen worden. Es stellt sich somit die Frage, ob die Beklagten einseitig von dem Verlangen auf Verbesserung abgehen konnten und statt der Verbesserung Preisminderung begehren können. In seiner Entscheidung SZ 39/208 führte der Oberste Gerichtshof aus, daß ein Preisminderungsanspruch solange nicht bestehe, als der Besteller seiner Verpflichtung, dem Unternehmer die begehrte und zugesagte Verbesserung zu ermöglichen, nicht nachgekommen sei; nach redlicher Verkehrsübung müsse in einem solchen Fall der Eintritt der Fälligkeit des Entgeltanspruches des Unternehmers als für den Fall vereinbart angesehen werden, daß die verlangte und angebotene Verbesserung vom Besteller verhindert werde. Der Besteller sei nicht befugt, nach Belieben von der einmal getroffenen Wahl wieder abzugehen. Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 932 billigt diese Entscheidung mit der Bemerkung, das diene dem Schutz des sich auf das Verbesserungsbegehren Einrichtenden. Nach dem den Entscheidungen HS 10.889 und SZ 49/9 jeweils zugrundeliegenden Sachverhalt begehrten Unternehmer, denen die Verbesserung des mangelhaften Werkes verweigert worden war, von sich aus nur einen um die berechtigte Preisminderung eingeschränkten Werklohn. In der Entscheidung HS 10.889 sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß der Besteller, der die Verbesserung des Werklohnes zwar begehrte, aber schließlich nicht zuließ, sich nicht auf die mangelnde Fälligkeit des Entgelts berufen und nur Preisminderung (allenfalls Wandlung) begehren könne. Nach den Gründen der Entscheidung SZ 49/9 kann der Besteller, der die Behebung von Mängeln durch den Unternehmer nicht mehr zuließ, die Bezahlung des um den berechtigten Preisminderungsanspruch geminderten Werklohnes nicht mit der Begründung verweigern, das Werk sei noch nicht vollendet worden.

Im vorliegenden Fall teilten die Beklagten der klagenden Partei bereits drei Tage nach der mit ihr mit welchem Inhalt auch immer getroffenen Verbesserungsvereinbarung mit, daß der von ihnen beauftragte Baumeister mit dem Abholen der Türen und Fenster nicht einverstanden sei. Sie waren sich somit auch für die klagende Partei erkennbar der Folgen ihrer drei Tage vorher abgegebenen Erklärung, daß durch den Ausbau der Fenster und Türen die beabsichtigten Maßnahmen des Baumeisters entscheidend behindert würden, nicht bewußt. Über diesen Irrtum wurde die klagende Partei rechtzeitig zu einem Zeitpunkt, zu dem sie für die vorzunehmende Verbesserung noch keine Anstalten getroffen haben konnte, aufgeklärt. Sie kann sich dann nicht darauf berufen, es wäre ihr ein unbedingtes Recht auf Vornahme der auf ihre Kosten mit einem Aufwand von S 25.000,- bis S 30.000,- vorzunehmenden Verbesserung entstanden, so daß die Beklagten, die die Verbesserung nicht mehr zuließen, nun verpflichtet seien, ihr den vollen Werklohn für das auf Dauer mangelhaft bleibende Werk entrichten zu müssen. Jedenfalls dann, wenn der Unternehmer noch keinen Aufwand zur zunächst begehrten Verbesserung gemacht hat und der Besteller aus auch für den Unternehmer nachvollziehbaren anerkennenswerten Gründen die Verbesserung nicht mehr zuließ, kann es nicht im Sinne redlicher Verkehrsübung liegen, dem Besteller nun das Begehren auf Entgeltminderung zu versagen und dem Unternehmer für das mangelhaft bleibende Werk den vollen Werklohn zuzuerkennen. Das im § 1167 ABGB eingeräumte Wahlrecht zwischen Verbesserung und Entgeltminderung ist nicht so starr, um ein Abgehen von der einmal getroffenen Wahl auszuschließen. Hat der Besteller für einen Widerruf des Verbesserungsbegehrens Gründe und hat sich der Unternehmer noch nicht auf das Verbesserungsbegehren, wie es Reischauer aaO sagt, "eingerichtet", kann der Besteller demnach an Stelle der Verbesserung Entgeltminderung verlangen. Zumindest insofern ist die Entscheidung SZ 39/208 einschränkend zu verstehen; sie meinte im übrigen ohnehin nur, der Besteller sei nicht befugt, "nach Belieben" von der einmal getroffenen Wahl wieder abzugehen. Bloße Willkür kann dem Verhalten der Beklagten aber nicht unterstellt werden. Wie hoch die gerechtfertigte Entgeltminderung ist, kann allerdings noch nicht beurteilt werden, weil dazu nach der relativen Berechnungsmethode (SZ 49/124 ua; Koziol-Welser8 I 246; Grillberger in Schwimann, ABGB, Rz 23 zu § 1167) der objektive Wert der Sache ohne Mängel mit dem Wert der mangelhaften Sache ins Verhältnis zu setzen sein wird. Diese Wertdifferenz muß gerade dann, wenn die Verbesserung durch Ausbau und Einbau sowie Transport des Werkes einen größeren Aufwand notwendig machte, nicht unbedingt ident mit dem Verbesserungsaufwand sein.

Auf die Bestimmung des § 1168 ABGB können die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung des Begehrens nicht stützen. Die klagende Partei hat, wenn auch mangelhaft, erfüllt. § 1168 ABGB setzt aber voraus, daß die Erfüllung unterblieben ist.

Die Urteile der Vorinstanzen sind gemäß § 510 Abs.1 ZPO aufzuheben. Die Rechtssache ist zweckmäßigerweise an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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