OGH 1Ob689/87

OGH1Ob689/8710.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Andreas Z***, geboren am 6. Februar 1971, wohnhaft bei der Mutter Ilona Z***, Angestellte, Salzburg, Goethestraße 29, infolge Revisionsrekurses der Mutter Ilona Z***, vertreten durch Dr.Berthold Thunn-Hohenstein, Rechtsanwalt in Salzburg-Aigen, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg, als Rekursgerichtes vom 24. September 1987, GZ 33 c R 68/87, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7.Mai und 12.Mai 1987, GZ 20 P 53/87-212 und 215, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der mj. Andreas Z*** entstammt der Ehe der Ilona

Z*** und des Alfred Z***; die Ehe der Eltern wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15.September 1980, 11 Cg 234/80, rechtskräftig geschieden. Der Minderjährige befinde sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter. Der am 16.März 1982 verstorbene Großvater des Minderjährigen Andreas Z*** setzte den Minderjährigen in seinem Testament zum Erben ein und räumte seinem Sohn Alfred Z***, dem Vater des Minderjährigen, verschiedene Rechte ein. Alfred Z*** gab im Abhandlungsverfahren A 154/82 des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis die Erklärung ab, seinen Pflichtteil in Anspruch zu nehmen. Dem Abhandlungsverfahren wurde ein reines Nachlaßvermögen von S 3,750,334,-- zugrundegelegt. In den Nachlaß fiel eine Kaufpreisrestforderung des Erblassers gegen Johann G*** in der Höhe von S 800.000,--. Am 11.August 1982 wurde im Rahmen des Abhandlungsverfahrens vereinbart, daß Alfred Z*** an den in den Nachlaß fallenden Liegenschaften EZ 636 KG Ried im Innkreis und EZ 39 KG Neuhofen im Sinne der Bestimmungen des Testamentsnachtrags vom 12.September 1981 bis zur Erreichung des 59.Lebensjahres, sohin bis zum 24.Juli 2009, das unentgeltliche Fruchtgenußrecht und von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod das unentgeltliche Wohnungsrecht an näher bestimmten Wohnungen zusteht. Der Erbe verpflichtete sich, "die Kaufpreisrestforderung gegen Johann G*** zur Bezahlung der Erbschaftssteuer und der Abhandlungskosten und der erforderlichen Instandsetzungs- und Erhaltungskosten des Hauses Bahnhofstraße 68 zu verwenden". Alfred Z*** verpflichtete sich, über die von ihm vorgenommenen Instandsetzungs- und Erhaltungsarbeiten Rechnung zu legen. Investitionen und Verbesserungen am Haus, die über die Kaufpreisforderung hinausgehen, waren von Alfred Z*** ohne Ersatzsansprüche aus eigenem zu tragen. Festgehalten wurde im Übereinkommen, daß die Zahlungen des Johann G*** auf ein Sparbuch des Minderjährigen bei der R*** N*** zu

erfolgen haben und Zahlungen für Instandsetzungs- und Erhaltungsarbeiten auf Grund genauer Rechnungslegung des Alfred Z*** zu Lasten dieses Sparbuches zu tätigen sind. Der Minderjährige verpflichtete sich weiters seinem Vater als Pflichtteil einen Barbetrag von S 440.000,-- zu bezahlen, jedoch konnte diese Forderung von Alfred Z*** nicht vor dem 1. Jänner 1991 zur Zahlung fällig gestellt werden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 18.August 1982, A 154/82-16, wurde der Nachlaß des Andreas Z*** dem Minderjährigen eingeantwortet. In der Folge ließ Alfred Z*** umfangreiche Arbeiten durchführen, ohne hierüber Rechnung zu legen; dennoch wurden an ihn Zahlungen geleistet (ON 59).

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 24.November 1983 (ON 95) wurde Ing.Karl H*** zur Hereinbringung seiner Forderung von

S 435.328,12 s.A. die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Alfred Z*** gegen den Minderjährigen zustehenden Forderung auf Ersatz von Aufwendungen bewilligt. Da auch andere Gläubiger die Pfändung dieser Forderung erwirkt hatten und Drittschuldnerklagen gegen den Minderjährigen eingebracht worden waren, wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23.Mai 1984 (ON 117) der Mutter mit ihrem Einverständnis das Recht zur Vertretung und Vermögensverwaltung des Minderjährigen für alle Angelegenheiten entzogen, die im Zusammenhang mit der im Erbwege auf den Minderjährigen übergegangenen Kaufpreisrestforderung gegen Johann G*** in der Höhe von S 800.000,-- stehen; Dr.Herbert H***, Rechtsanwaltsanwärter in Salzburg, wurde zum Sachwalter des Minderjährigen bestellt. An Ing.Karl H*** wurden in der Folge Zahlungen geleistet (ON 126, 169, 181). Mit der am 24. Jänner 1985 beim Landesgericht Salzburg zu 14 a Cg 25/85 gegen den Minderjährigen erhobenen Drittschuldnerklage begehrte Ing.Karl H*** die Bezahlung des Betrages von S 449.825,82 s.A. Die Klage wurde dem Minderjährigen zu Handen des Sachwalters Rechtsanwaltsanwärter Dr.Herbert H*** zugestellt. Am 25. Februar 1985 wurde über das Klagebegehren mit Versäumungsurteil erkannt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 7. Jänner 1987, 1 E 43/86-3, wurde Ing.Karl H*** zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 449.825,82 s.A., die Exekution durch Zwangsversteigerung der dem Minderjährigen gehörigen Liegenschaften EZ 636 KG Ried im Innkreis und EZ 39 KG Neuhofen im Innkreis bewilligt. Nach der Aktenlage wurden weiteren Gläubigern des Alfred Z*** die Exekution durch Pfändung der ihm gegen den Minderjährigen zustehenden Forderung auf Ersatz von Investitionskosten und des Pflichtteilsanspruchs bewilligt.

Am 12.Mai 1987 stellte die Mutter, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.Berthold Thunn-Hohenstein, den Antrag (ON 214) auf I. sofortige Entlassung des Sachwalters, Dr.Herbert H***, Rechtsanwalt in Salzburg, gemäß § 254 ABGB, II. ihre Wiedereinsetzung in Vertretungsrecht und Vermögensverwaltung, III. Ermächtigung zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen das im Verfahren 14 a Cg 25/85 des Landesgerichtes Salzburgs ergangene Versäumungsurteil, IV. Entscheidung darüber, ob ein Versäumungsurteil im vorgenannten Verfahren ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung ergehen durfte, V. Aufschiebung der vom Bezirksgericht Ried im Innkreis bewilligten Liegenschaftsexekution gemäß § 19 AußStrG,

VI. pflegschaftsbehördliche Genehmigung eines Einstellungsantrages, Kostenbestimmungsantrages und Rekurses. Die Mutter führte aus, schon die Bestellung des Sachwalters Dr.Herbert H*** habe nicht dem Gesetz entsprochen, weil sie, die Mutter, das Wohl des Kindes nicht gefährdet habe. Der Sachwalter sei pflichtwidrig vorgegangen. Er hätte die Gläubiger, welche die dem Alfred Z*** gegen den Minderjährigen zustehende Forderung gepfändet haben, ihrem Rang gemäß nach Maßgabe des Einlangens von Zahlungen des Johann G*** zu befriedigen gehabt. Der Sachwalter habe aber im Verfahren 14 a Cg 25/85 des Landesgerichtes Salzburg zu Unrecht ein Versäumungsurteil ergehen lassen, das mit Nichtigkeitsklage anzufechten sei, um die auf Grund des Versäumungsurteils bewilligte Liegenschaftsexekution gegen den Minderjährigen zur Einstellung zu bringen.

Das Erstgericht wies diese Anträge ab. Gründe für die Enthebung des Sachwalters lägen derzeit nicht vor. Mit seiner Bestellung sei die Mutter einverstanden gewesen; Dr.Herbert H*** übe seine Tätigkeit zum Unterschied vom Vertreter der Mutter, der für sein Einschreiten schon Kosten in der Höhe von S 395.123,20 verzeichnet habe, unentgeltlich aus. Die Auszahlung von Beträgen an Gläubiger des Alfred Z*** sei pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Die Aufrechterhaltung der Sachwalterschaft sei im Interesse des Minderjährigen geboten.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß (und den Beschluß des Erstgerichtes vom 7.Mai 1987, ON 212) erhobenen Rekurs der Mutter nicht Folge. Es sei allerdings aufklärungsbedürftig, wieso gegen den Minderjährigen im Verfahren 14 a Cg 25/85 des Landesgerichtes Salzburg ein Versäumungsurteil ergehen konnte. Der Drittschuldnerklage seien Ansprüche des Alfred Z*** gegen den Minderjährigen zugrundegelegen. Nach der vertraglichen Regelung habe der Minderjährige aber nur für Aufwendungen bis zum Betrag von S 800.000,-- aufzukommen gehabt, von welchem Betrag auch noch die Erbschaftssteuer und die Abhandlungskosten in Abzug zu bringen waren. Darüber hinausgehende Investitionen hatte Alfred Z*** aus eigenen Mitteln zu tragen. Aufgabe des Sachwalters war es, die Exekution führenden Gläubiger ihrem Range gemäß, nach Maßgabe der Fälligkeit der Kaufpreisrestforderung und der Eingänge zu befriedigen. Alle diese Umstände seien aufklärungsbedürftig, ließen aber derzeit keinen Schluß darauf zu, daß Rechtsanwalt Dr.Herbert H*** seine Pflicht als Sachwalter verletzt habe, zumal auch in Betracht zu ziehen sei, daß er im Einverständnis mit dem Pflegschaftsgericht gehandelt haben konnte. Die Bestellung des Sachwalters habe dem Gesetz entsprochen, weil die Mutter offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, die Interessen des Kindes entsprechend zu vertreten. Seine Belassung sei schon deshalb geboten, weil das Einschreiten des Vertreters der Mutter bisher Kosten im Betrag von ca. S 400.000,-- verursacht habe und bei einer Vertretung des Minderjährigen durch Rechtsanwalt Dr.Thunn-Hohenstein den Minderjährigen Kosten belasten könnten, wogegen Rechtsanwalt Dr.Herbert H*** die Sachwalterschaft unentgeltlich ausübe. Der Antrag, die eingeleitete Zwangsversteigerung gemäß § 19 AußStrG einzustellen, beruhe auf unhaltbarer Rechtsauffassung. Der Sachwalter habe gemäß § 154 Abs. 3 ABGB zur Vertretung des Minderjährigen in einem Passivprozeß keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft. Ein Einschreiten der Mutter im Exekutionsverfahren bedürfe keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs der Mutter ist zurückzuweisen.

Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, ist der Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit zulässig. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehenden Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 49.930, 47.208 u.a.). Ein derartiger Verstoß gegen die Bestimmungen des materiellen Rechts oder eine Nichtigkeit haftet der angefochtenen Entscheidung nicht an. Nach dem Inhalt des Beschlusses des Erstgerichtes vom 23.Mai 1984 (ON 117) wurde Dr.Herbert H*** zum Sachwalter des Minderjährigen für alle Angelegenheiten bestellt, die im Zusammenhang mit der im Erbweg auf den Minderjährigen übergegangenen Kaufpreisrestforderung gegen Johann G*** stehen. Dr.Herbert H*** war demnach auch zur Vertretung des Minderjährigen in dem von Ing.Karl H*** gegen ihn erhobenen Rechtsstreit, der mit dieser Forderung im Zusammenhang stand, befugt. Die Vertretung des Minderjährigen in einem gegen ihn eingeleiteten Passivprozeß bedarf, wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannte, keiner besonderen pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 15 zu §§ 154, 154 a ABGB). Dies muß auch für prozeßrechtliche Dispositionsakte des gesetzlichen Vertreters gelten. Da der Minderjährige, wie ausgeführt, im Verfahren 14 a Cg 25/85 durch den bestellten Sachwalter gehörig vertreten war, kommt die Anfechtung des in diesem Verfahren ergangenen Versäumungsurteiles mit Nichtigkeitsklage nicht in Betracht.

Zu den Punkten I, II, V und VI des erstgerichtlichen Beschlusses enthält der Revisionsrekurs keine konkreten Ausführungen. Demzufolge ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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