Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.482,56 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 552,96 Umsatzsteuer und S 1.500,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte bestellte bei der Klägerin am 23. April 1986 eine Markise. Es wurde eine Lieferfrist von ca. drei Wochen vereinbart. Da die Klägerin bis 28. Juni 1986 mit der Beklagten weder Kontakt aufnahm noch die Markise lieferte, richtete die Beklagte am 28. Juni 1986 an die Klägerin ein Schreiben folgenden Inhaltes:
"Nachdem bis heutigem Tag Ihrerseits keine Markise geliefert wurde und wir auch von Ihnen seit 23. April 1986 (Liefertermin 3 Wochen !!) nicht gehört haben, stornieren wir die Bestellung bzw. Auftrag vom 23. April 1986 ist als gegenstandslos zu betrachten."
Der Gatte der Klägerin rief darauf am 1. Juli 1986 die Beklagte an und teilte ihr mit, daß es sich bei der Markise um eine Maßanfertigung handle und ein Rücktritt nicht möglich sei. Ein bestimmter Liefertermin wurde nicht angeboten. Am 15. Juli 1986 legte die Klägerin über die Markise eine Rechnung über S 17.500,--. Sie wies darauf hin, daß die Markise fertig sei, die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug, sie selbst sei aber bereit, den Vertrag zu erfüllen.
Die Klägerin begehrt den Zuspruch des Betrages von S 17.500,-- samt Anhang.
Die Beklagte wendete ein, sie habe wegen Verzuges der Klägerin die Bestellung storniert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe am 28. Juni 1986 wegen Lieferverzuges ohne ausdrückliche Setzung einer Nachfrist den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Die Frist brauche nicht gesetzt, sondern nur gewährt werden. Sie müsse so ausreichend erteilt werden, daß die bereits vorbereitete Erfüllung beschleunigt und vollendet, nicht aber eine noch gar nicht in Angriff genommene Erfüllung bewirkt werden könne. Der Rücktritt ohne Nachfristerteilung wirke erst nach Ablauf einer angemessenen Frist. Um die Rücktrittserklärung der Beklagten unwirksam zu machen, hätte die Klägerin innerhalb einer angemessenen Frist die Erfüllungsbereitschaft bekunden müssen. Dies sei nicht geschehen. Ihr Vertreter habe im Telefonat vom 1. Juli 1986 lediglich darauf hingewiesen, daß wegen Maßanfertigung der Markise ein Rücktritt nicht möglich sei. Die Lieferbereitschaft durch Zusendung der Rechnung sei erst 17 Tage nach dem Rücktrittsschreiben, somit verspätet, abgegeben worden. Die Klägerin hätte schon früher ihre Erfüllungsbereitschaft durch Angebot eines bestimmten Liefertermines bekunden müssen.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Die Revision ließ es zu. Da die Klägerin den vereinbarten Liefertermin nicht eingehalten habe, seien die Voraussetzungen für den Rücktritt vom Vertrag durch die Beklagte gegeben. Das Gesetz verlange für die Wirksamkeit der Rücktrittserklärung aber, daß sie unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung der Leistung abgegeben werde. Die Nachfrist brauche im allgemeinen nicht ausdrücklich gesetzt werden, es genügt wenn sie bloß gewährt werde. Eine Rücktrittserklärung, die nicht mit einer Nachfristsetzung (oder Gewährung) verbunden sei, entbehre allerdings der rechtlichen Wirkung. Der Kaufvertrag sei daher aufrecht, so daß sich die Beklagte infolge ungesetzlichen Vertragsrücktrittes im Annahmeverzug befinde, der Kaufpreis sei fällig.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist berechtigt.
Die Bestimmung des § 918 ABGB gewährt dem Gläubiger bei Schuldnerverzug ein Wahlrecht: Er kann entweder Erfüllung und allenfalls Schadenersatz wegen Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären. Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung bilden eine Einheit. Es genügt nicht, daß der Gläubiger bei Schuldnerverzug vor der Rücktrittserklärung Nachfristen setzte oder gewährte. Die Nachfrist hat der Rücktrittserklärung zeitlich nachzufolgen. Das Verstreichenlassen einer angemessenen Frist vor der Rücktrittserklärung genügt für einen wirksamen Rücktritt nicht (JBl. 1976, 535; HS 6334/34; HS 4295/14; 1 Ob 589/85; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 15 zu § 918); dem Schuldner ist nochmals eine Chance zu geben, den Verzug zu beenden (JBl. 1976, 535 mwN; Koziol-Welser8 I 228; Reischauer aaO); ihm ist die drohende und nur durch Leistung abwendbare Vertragsauflösung vor Augen zu halten, sein Erfüllungswille ist zu mobilisieren (Wilhelm, Festsetzung und Gewährung der Nachfrist beim Rücktritt vom Vertrag, JBl. 1976, 521). Eine Nachfristsetzung kann nur dann entfallen, wenn der Schuldner die Erfüllung derart verweigert, daß es ausgeschlossen erscheint, er werde eine ihm gesetzte Nachfrist zur Nachholung der Erfüllung benützen (SZ 40/53; SZ 32/118 ua; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 381). Dies wurde weder behauptet noch festgestellt. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß jeder ohne Nachfristsetzung erfolgte Rücktritt vom Vertrag wirkungslos wäre. Es entspricht vielmehr herrschender Rechtsprechung und Lehre, daß auch ein ohne Setzung einer Nachfrist erfolgter Rücktritt bei weiterer Annahmebereitschaft des Gläubigers nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist wirksam wird (HS 8307, 1705;
Reischauer aaO Rz 13); die Frist braucht nicht ausdrücklich gesetzt werden, es genügt, daß sie vom Gläubiger gewährt wird (EvBl 1978/2;
JBl. 1976, 535 je mwN; Reischauer aaO Rz 15). Die Angemessenheit der Nachfrist richtet sich nach den konkreten Umständen. Die zwischen Fälligkeit und Rücktrittserklärung verstrichene Zeit ist dabei zu berücksichtigen (JBl. 1975, 262; HS 6333/34; HS 4295/14 ua; Reischauer aaO Rz 11). Wilhelm aaO 520 f ist allerdings der Ansicht, daß in der ohne Setzung einer Nachfrist erfolgten Rücktrittserklärung schon an sich eine Annahmeverweigerung des Gläubigers zu erblicken ist. Er nimmt eine sehr schuldnerfreundliche Haltung ein und billigt dem Schuldner zu, oft nicht rechtskundig genug zu sein, um zu wissen, daß er auch gegen den Willen des Gläubigers noch leisten und den Rücktritt verhindern kann. Er frägt:
"Wer ahnt denn wirklich, daß er trotz einer Rücktrittserklärung, die sich als sogleich wirksam gibt, noch leisten kann? Wer kommt als Nichjurist auf die Idee, daß die Rechtsordnung eine solche Rücktrittserklärung zulassen, aber heimlich mit verzögerter Wirkung ausstatten sollte?" Er hält die Rechtskenntnis des Schuldners für unzumutbar, mutet aber dem Gläubiger Kenntnis der Rechtslage zu. Reischauer aaO Rz 15 weist aber zutreffend darauf hin, daß Wilhelm damit an den Vertragstreuen, der wie auch im vorliegenden Fall, meist nicht Kaufmann ist, strenge Anforderungen stellt, während er den bereits säumig und damit sich nicht an den Vertrag Haltenden seine Rechtsunkenntnis nachsehen will. In aller Regel ist der Wissensstand und das den Beteiligten demnach Zumutbare genau anders, als es Wilhelm meint. Wohl jeder Unternehmer weiß, daß ihm eine Nachfrist gesetzt werden muß, sündigt er doch gerade in diesem Wissen häufig bei Zusage und Nichteinhaltung von vereinbarten Lieferfristen, wogegen der rechtlich häufig ganz unwissende Besteller, verärgert durch die Vertragsuntreue, nicht selten der Überzeugung ist, nach längerem Zuwarten über die Lieferfrist hinaus nun ohne Setzung einer Nachfrist Schluß machen zu können. Schon im Geiste des Konsumentenschutzgesetzes ist diesen tatsächlich gegebenen Umständen, selbst wenn das Konsumentenschutzgesetz zum Problem nichts sagt, auch in der Judikatur Rechnung zu tragen. Die Rechtslage ist ähnlich wie bei Setzung einer zu kurzen, nicht angemessenen Nachfrist. Der säumige Schuldner darf dann nicht die Rücktrittserklärung einfach als wirkungslos ansehen, er hat vielmehr die Verlängerung der zu kurz bemessenen Nachfrist zu verlangen (Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 380); eine solche Klarstellung ist ihm, befindet doch er sich im Verzug, auch zumutbar. Auch wenn eine wegen Verzuges ausgesprochene Rücktrittserklärung ohne ausdrückliche Setzung einer Nachfrist erfolgte, ist es dann aber Sache des säumigen Schuldners, den Gläubiger auf den Anspruch auf Setzung einer angemessenen Nachfrist hinzuweisen und auch die geschuldete Leistung innerhalb dieser Frist anzubieten. Ein solches Verhalten kann jedenfalls von einem seine Rechte in Anspruch nehmenden Unternehmer einem seine gesetzliche Pflicht zur Setzung einer Nachfrist offenbar nicht kennenden Besteller - die Beklagte ist Hausfrau - gegenüber verlangt und erwartet werden. Eine entsprechende Aufklärung der Beklagten unterließ aber die Klägerin bzw. ihr beauftragter Ehegatte. Nach dem vorliegenden Sachverhalt wies dieser vielmehr die Rücktrittserklärung der Beklagten mit dem unrichtigen Hinweis zurück, ein Rücktritt sei nicht möglich, weil es sich um eine Maßanfertigung handle; ein Anbot, die Leistung innerhalb einer angemessenen Frist nachzuholen, machte er nicht. Die Klägerin konnte so gar nicht behaupten, die Beklagte hätte auch bei richtiger Belehrung erklärt, daß sie auch innerhalb einer angemessenen Nachfrist die von der Klägerin zu erbringende Leistung nicht annehmen werde. Grundsätzlich muß aber angenommen werden, daß sich bei Schuldnerverzug der vertragstreue Gläubiger zumindest bei Hinweis auf seine Pflichten auch dem Gesetz gemäß verhalten und eine innerhalb angemessener Nachfrist angebotene Leistung annehmen werde. Ein Leistungsanbot der Klägerin erfolgte erst mit Zusendung der Rechnung vom 15. Juli 1986, also mehr als zwei Wochen nach der wegen des bereits rund eineinhalb Monate währenden Verzuges der Klägerin erfolgten, nur für den Fall einer Nichterfüllung innerhalb einer angemessenen Nachfrist zulässigen Vertragsrücktrittes. Überschritt ein Schuldner aber die ursprünglich vorgesehene Lieferfrist bereits um rund das Doppelte, hatte nach den Umständen des Falles die Erfüllung spätestens innerhalb einer Woche ab Beginn der Nachfrist zu erfolgen. Das Erfüllungsanbot der Klägerin war demnach verspätet. Der Vertrag war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst. Das Begehren auf Erfüllung des Vertrages durch die Klägerin ist demnach unberechtigt.
Der Revision ist Folge zu geben; das Urteil des Berufungsgerichtes ist dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)