Spruch:
Auch Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, die schon vor der Einleitung eines Verfahrens auf Scheidung der Ehe zustande kamen, stehen mit einem solchen Verfahren "in Zusammenhang" im Sinne des § 97 Abs. 2 EheG, wenn damit die Regelung der Scheidungsfolgen der §§ 81 ff. EheG beabsichtigt war
Von einem Ehegatten kann auch allein die Entscheidung des Gerichtes über die vom anderen Ehegatten zu leistende Ausgleichszahlung nach § 94 EheG begehrt werden
OGH 1. Oktober 1980, 1 Ob 685/80 (LGZ Wien 43 R 247/80; BG Mödling 2 F 13/79)
Text
Die Antragstellerin und der Antragsgegner erwarben während des Bestandes ihrer Ehe zur Hälfte 6/8-Anteile der Liegenschaft EZ 1070 KG V. Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 14. Februar 1979 überließ die Antragstellerin dem Antragsgegner ihren 3/8-Anteil an dieser Liegenschaft. Der Antragsgegner verpflichtet sich, das auf der Liegenschaft verbücherte Darlehen der Volksbank M im Betrag von 400 000 S allein zurückzuzahlen und die Antragstellerin diesbezüglich schad- und klaglos zu halten. Am 23. März 1979 stellten die Ehegatten beim Erstgericht den Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung nach § 55a EheG und schlossen vor Gericht für den Fall der Scheidung eine Vereinbarung (Vergleich) nach § 55a Abs. 2 EheG, in der sie unter u. a. auf die bereits mit Schenkungsvertrag erfolgte Überlassung der 3/8-Anteile der Liegenschaft EZ 1070 KG V, auf der sich auch die Ehewohnung befindet, verwiesen. Vor Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses vom 23. März 1979 zog die Antragstellerin den Antrag auf Scheidung zurück, womit der Scheidungsbeschluß wirkungslos wurde. Mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27. Juni 1979, 7 Cg 204/79-4, wurde die Ehe der Parteien aus beiderseitigem Verschulden geschieden.
Die Antragstellerin begehrt die Aufteilung der insbesondere aus der ehelichen Wohnung (6/8-Anteile der Liegenschaft EZ 1070 KG V) bestehenden ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff. EheG derart, daß ihr unter Berücksichtigung der Schulden eine Ausgleichszahlung von 400 000 S zugesprochen werde. Diesem Begehren stehe die vor dem Bezirksgericht Mödling geschlossene Vereinbarung infolge Zurückziehung des Scheidungsantrages nicht entgegen.
Der Antragsgegner beantragte Abweisung des Antrages mit der Begründung, daß eine wirksame Einigung vorliege, die ein Verfahren nach den §§ 81 ff. EheG ausschließe.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch eines Betrages von 400 000 S ab. Es stellte fest, daß der Schenkungsvertrag vom 14. Februar 1979 im Hinblick auf eine beabsichtigte Ehescheidung geschlossen worden sei, wobei die Antragstellerin dem Antragsgegner die ihr gehörigen Liegenschaftsanteile deshalb unentgeltlich überlassen habe, weil er sonst in eine Scheidung nicht eingewilligt hätte. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß es über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nur dann zu entscheiden habe, wenn sich die Ehegatten über diese Frage nicht geeinigt hätten. Der im Verfahren auf einvernehmliche Ehescheidung geschlossene Vergleich besitze allerdings keine Gültigkeit, da er nur für den Fall einer Ehescheidung im Einvernehmen geschlossen worden sei. Eine Einigung liege aber in dem unter Bedachtnahme auf die beabsichtigte Ehescheidung geschlossenen Schenkungsvertrag. Dies hindere eine Entscheidung durch den Außerstreitrichter vor allem deshalb, weil nach Abschluß des Schenkungsvertrages nicht auf die dem Antragsgegner damals gehörigen 3/8-Anteile gegriffen werden könne, mit dem Vertrag über die Anteile der Antragsgegnerin verfügt wurde und der Antrag nicht auf Zuweisung der Ehewohnung, sondern auf Zuspruch einer Ausgleichszahlung gerichtet sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurse der Antragsstellerin nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Die zweite Instanz billigte die Ansicht des Erstgerichtes, daß der im Verfahren auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen geschlossene Vergleich nur für den Fall des wirksamen Ausspruches der dort beantragten Scheidung und nicht auch für den Fall einer sonst ausgesprochenen Scheidung der Ehegatten gelten sollte. Die Frage sei jedoch nicht präjudiziell, weil der vorher geschlossene notarielle Schenkungsvertrag wirksam sei. Die darin beurkundete Schenkung sei in Regulierung der Vermögensverhältnisse aus der gescheiterten Ehe erfolgt. Es könne nicht angenommen werden, daß die Antragstellerin ihre 3/8-Liegenschaftsanteile dem Antragsgegner unter Verzicht auf einen Widerruf geschenkt habe, um sich dann an dem Schätzwert des geschenkten Anteiles wegen der Erhebung eines Anspruches nach §§ 81 ff. EheG wieder zu beteiligen. Der Vertrag widerspreche auch nicht den Vorschriften der §§ 85, 97 EheG; er sei in der gebotenen Notariatsaktsform abgeschlossen worden und enthalte insbesondere keinen unzulässigen Vorausverzicht auf die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens; im übrigen sei die Notariatsaktsform für Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung der Ehe über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens geschlossen wurden, nicht erforderlich. Der vom Gesetz geforderte Zusammenhang sei nicht erst bei Anhängigsein eines Scheidungsverfahrens, sondern schon dann gegeben, wenn eine Vermögensleistung im Hinblick auf eine demnächst einzuleitende Scheidung erfolgen sollte. Eine Vereinbarung der Ehegatten über die Aufteilung müßten nicht die gesamten ehelichen Ersparnisse umfassen, sondern könne sich auch auf einen Teil derselben beziehen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gegenstand der Aufteilung bei Scheidung der Ehe sind gemäß § 81 Abs. 1 EheG das eheliche Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 81 Abs. 2 EheG gehört zum ehelichen Gebrauchsvermögen die Ehewohnung. Es ist nicht strittig, daß die 6/8-Anteile der Liegenschaft EZ 1070 KG V die Ehewohnung der früheren Ehegatten betrafen. Damit handelt es sich hiebei entgegen den Darlegungen der Antragstellerin nicht um eheliche Ersparnisse, die nach § 81 Abs. 3 EheG nur jene während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelten Wertanlagen sind, die überlicherweise für eine Verwertung während der Ehe bestimmt sind. Die Ehewohnung ist aber, auch wenn sie sich in einem Eigenheim befindet und allenfalls verkauft werden kann, überlicherweise nicht für eine solche Verwertung bestimmt. Im vorliegenden Fall geht es allerdings auch nicht um die reale Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, weil die ehemaligen Ehegatten sich auch in diesem Verfahren darüber einig sind, daß die Ehewohnung allein dem Antragsgegner verbleibt. Was die Antragstellerin begehrt, ist vielmehr die Auferlegung einer Ausgleichszahlung an den Antragsgegner, weil mit der einvernehmlich vorgenommenen realen Aufteilung des Gebrauchsvermögens durch Überlassung der Ehewohnung an den Antragsgegner eine Aufteilung nach den Grundsätzen der §§ 83 ff. EheG nicht erzielt werden konnte (§ 94 Abs. 1 EheG). Gerade bei Überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten kann es ein Gebot der Billigkeit sein, daß der Ehegatte, der die Wohnung er(be)hält, durch eine Geldzahlung den anderen bei der Beschaffung einer neuen Wohnung unterstützt (JAB 916 BlgNr, GP, 19).
Gemäß § 85 EheG hat auf Antrag das Gericht über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu entscheiden, soweit sich die Ehegatten hierüber nicht geeinigt haben. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß das Gesetz die einvernehmliche Regelung der Scheidungsfolgen nicht nur zuläßt, sondern gleichsam einen Aufruf an die Ehegatten enthält, sich um ein Einvernehmen über die Aufteilung im Sinne des noch fortwirkenden Partnerschaftsgedankens und des Grundsatzes der Subsidiarität staatlichen Eingreifens zu bemühen; das Wort "soweit" drückt aber auch aus, daß die Entscheidung des Gerichtes nicht immer das gesamte Gebrauchsvermögen und die gesamten Ersparnisse zu erfassen hat, sondern die Ehegatten die Entscheidung des Gerichtes auch nur für einzelne Vermögensgegenstände begehren können (so JAB 196 BlgNR, GP, 15). Es kann daher auch, wenn die Ehegatten sich zwar darüber einig sind, welcher von ihnen die Ehewohnung und das damit verbundene Miteigentum an einer Liegenschaft übernimmt, nicht aber darüber, ob und welche Ausgleichszahlungen der die Ehewohnung übernehmende Ehegatte dem anderen zu leisten hat, der die Ehewohnung dem anderen überlassende Ehegatte die Entscheidung des Gerichtes im außerstreitigen Verfahren allein darüber begehren.
Gemäß § 97 Abs. 1 EheG kann auf den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens im voraus rechtswirksam nicht verzichtet werden. Dies muß auch für einen Ausgleichsanspruch gelten, wenn zwar die Ehewohnung einem der Ehegatten überlassen wurde und überlassen bleiben soll, aber wegen Verletzung der Aufteilungsgrundsätze eine Ausgleichszahlung billig erscheint. Gemäß § 97 Abs. 2 EheG gilt jedoch § 97 Abs. 1 EheG nicht für Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung der Ehe über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens schließen. Letzterer Regelung kommt besonders im Zusammenhang mit einer einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG Bedeutung zu (Ent in NZ 1979, 153). Die Ehe darf nämlich nach dieser Bestimmung nur dann geschieden werden, wenn die Ehegatten nicht nur über die Scheidung selbst, sondern auch über die Scheidungsfolgen Übereinstimmung herbeiführen. Die Vereinbarung muß sich insbesondere auf die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander (§ 98 ABGB, §§ 81 ff. EheG) beziehen und dem Gericht entweder schriftlich vorgelegt oder vor Gericht geschlossen werden (§ 55a Abs. 2 EheG). Mit dieser Regelung soll vermieden werden, daß nach der Scheidung zwischen den Ehegatten langwierige und aufwendige Verfahren über die Scheidungsfolgen geführt werden (JAB 916 BlgNR, XIV. GP, 8 f.). Die Erreichung dieses Zieles setzt voraus, daß die Ehegatten über das Gebrauchsvermögen und Ersparnisse auch schon vor der Scheidung mit der Wirkung des Ausschlusses einer nachfolgenden gerichtlichen Regelung Vereinbarungen treffen können. Daraus folgt, daß auch solche Vereinbarungen mit einem Ehescheidungsverfahren "in Zusammenhang" stehen, die unmittelbar vor der Einleitung eines solchen Verfahrens zustandekamen (in diesem Sinne auch JAB 916 BlgNR, XIV. GP, 21), wenn mit ihnen die Regelung der Scheidungsfolgen der §§ 81 ff. EheG bezweckt und so der Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren hergestellt war. "Unmittelbar" ist der Zusammenhang dann, wenn er nicht durch irgend welche Zwischenursachen (z. B. vorübergehende Versöhnung) beseitigt wurde. Steht ein unmittelbarer Zusammenhang in diesem Sinne fest, ist es dann unerheblich, ob zwischen der Vereinbarung und der tatsächlichen Ehescheidung einige Monate vergehen und ob die Scheidung letztlich auf Grund des Verhaltens des sich nun an die Vereinbarung nicht voll gebunden erachtenden Vertragspartners nicht nach § 55a EheG, sondern nach § 49 EheG erfolgte. Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Schenkungsvertrag nur für den Fall einer Scheidung nach § 55a gelten sollte, besteht nicht. Die gemäß Abs. 2 EheG zulässige Vereinbarung zwischen den Ehegatten kann auch darin bestehen, daß einem Ehegatten das gesamte Gebrauchsvermögen oder ein Teil dieses Vermögens, etwa die Ehewohnung, überlassen wird und dafür keine Gegenleistung (Ausgleichsleistung) zu erbringen ist.
Die Revisionsrekurswerberin bestreitet, daß es sich beim Schenkungsvertrag vom 14. Februar 1979 um eine die Regelung der Scheidungsfolgen bezweckende Vereinbarung gehandelt habe. Sie beruft sich darauf, daß nach dem Wortlaut des Schenkungsvertrages keine Aufteilungsvereinbarung zustande gekommen sei. Die Vorinstanzen stellten nun aber ausdrücklich fest, daß der Schenkungsvertrag zwischen den Parteien "im Hinblick auf die beabsichtigte Ehescheidung" geschlossen wurde. Das kann aber nichts anderes bedeuten, als daß damit eine Regelung für die bereits damals in Aussicht genommene Scheidung der Ehe getroffen wurde. Es handelte sich also um eine Vereinbarung, die die Ehegatten "im Zusammenhang" mit dem Verfahren auf Scheidung der Ehe trafen. Sie war aber auch insoweit eine Vereinbarung über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, als die Vereinbarung die Ehewohnung betraf, also eine der Sachen, die § 81 Abs. 2 EheG ausdrücklich als eheliches Gebrauchsvermögen bezeichnet. Daß die Aufteilung so erfolgen sollte, wie sie im Vertrag vom 14. Februar 1979 vereinbart wurde, ist auch nicht strittig. Die Antragstellerin will den Vertrag nur insoweit nicht gegen sich gelten lassen, daß sie damit auch auf eine Ausgleichszahlung nach § 94 Abs. 1 EheG verzichtete. Richtig ist zwar, daß ein solcher Verzicht nicht ausdrücklich erklärt wurde. Das Wesen der Schenkung liegt aber in der unentgeltlichen Überlassung einer Sache an jemand anderen (§ 983 ABGB). Es war also beiden Vertragspartnern klar, daß der Antragsgegner dafür, daß ihm die 3/8- Anteile der Antragstellerin an der Liegenschaft EZ 1070 KG V überlassen wurden, keine Gegenleistung erbringen mußte. Gerade eine solche Gegenleistung verlangt die Antragstellerin aber mit ihrem nunmehrigen Antrag. Da sie aber durch den Schenkungsvertrag ausgeschlossen wurde und damit eine gültige Vereinbarung nach § 97 Abs. 2 EheG zustande kam, wurde der Antrag der Antragstellerin von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen. Daß die Antragstellerin die Ehewohnung an den Antragsgegner deshalb unentgeltlich überließ, weil er sonst nicht in die (sofortige) Scheidung eingewilligt hätte, ist unerheblich. Es handelt sich dabei um das Motiv für einen schenkungsweisen Verzicht auf einen Ausgleichsanspruch, das aber am Vertragswillen der unentgeltlichen - und damit ausgleichszahlungsfreien - Überlassung der Ehewohnung an den Antragsgegner nichts änderte.
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