Spruch:
Der Revisionsrekurs wird, insoweit er sich gegen die Zurückweisung des Teilbegehrens von 2.117,41 US-Dollar sA wendet, zurückgewiesen.
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in Ansehung des restlichen Klagebegehrens von 60.000 US-Dollar sA dahin abgeändert, daß die Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit verworfen werden.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Beklagte ist seit über 10 Jahren libanesischer Staatsbürger, er war als Rechtsanwalt in Beirut tätig und ist als in Zahle, Maallaka, Libanon, ansässig registriert. Aufgrund der gespannten politischen Lage im Libanon hielt sich der Beklagte immer schon über längere Zeiträume im Ausland auf, u.a. in Frankreich. Bei einem solchen Auslandsaufenthalt in Frankreich lernte der Beklagte 1976 seine nunmehrige Gattin, die österreichische Staatsbürgerin Margarete K***, kennen. Beide lebten ab 1977 gemeinsam bis zur Eheschließung im Jahre 1978 und in der Folge weitere zwei bis drei Monate im Libanon. Wegen des dort eskalierenden Bürgerkrieges kehrte die damals schwangere Gattin des Beklagten dann aber nach Österreich zurück, sie wohnt seither im Haus ihrer Eltern in Vöcklamarkt. Der Beklagte hielt sich im weiteren vornehmlich in Saudi-Arabien auf, er kam aber in Abständen von ein bis zwei, bisweilen auch von vier Monaten zu seiner Frau und den zwischenzeitlich geborenen gemeinsamen Kindern nach Vöcklamarkt zu Besuch, hielt sich dabei jeweils etwa eine Woche lang auf, insgesamt rund zwei Monate pro Jahr. 1984 wurde die A*** C*** Unternehmensberatungs-Gesellschaft mbH (im folgenden A*** C***), deren Gesellschafter der Beklagte ist, mit dem Sitz in Salzburg gegründet. Im Zuge seiner Tätigkeit für dieses Unternehmen hielt sich der Beklagte, von berufsbedingten Auslandsaufenthalten abgesehen, über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren, also bis 1985, weitgehend in Österreich auf, er wohnte zunächst kurze Zeit gemeinsam mit seiner Familie in Salzburg und in der Folge gemeinsam mit seiner Familie im Haus seiner Schwiegereltern in Vöcklamarkt. Nachdem der Beklagte nach rund eineinhalb Jahren nicht mehr für die A*** C*** tätig war, ging er in Frankreich seiner geschäftlichen Tätigkeit nach. In Österreich ist er nicht beruflich tätig. Die Gattin des Beklagten blieb weiterhin mit den Kindern bei ihren Eltern in Vöcklamarkt. Der Beklagte beschränkt seit 1986 seine Aufenthalte in Österreich auf Wochenendbesuche (Freitag bis Sonntag) bei seiner Familie in Vöcklamarkt in Abständen von zwei bis drei Wochen. Sie dienen ausschließlich der Aufrechterhaltung des familiären Kontaktes zu seiner Frau und seinen Kindern, weiters hält er sich üblicherweise im Sommer und zu Weihnachten je eine Woche lang bei seiner Familie in Vöcklamarkt auf. Der Beklagte ist unter der Anschrift seiner Schwiegermutter seit 19. Juli 1979 in Vöcklamarkt mit Zweitwohnsitz polizeilich gemeldet. In diesem Meldezettel ist als ordentlicher Wohnsitz des Beklagten "Rue Moussa Namour, Maallaka, Zahle, Libanon" angegeben. In die zuletzt durchgeführte Haushaltserhebung wurde der Beklagte nicht aufgenommen. Die Klage wurde vom Beklagten eigenhändig in Vöcklamarkt übernommen.
Der Kläger begehrt vom Beklagten den Gegenwert in öS von
a) 60.000 US-Dollar sA als ein spätestens am 25.Jänner 1987 zur Rückzahlung fälliges Darlehen,
b) 2.117,41 US-Dollar sA aus einer dem Kläger von der M*** E*** A*** D*** P*** abgetretenen Forderung
gegen den Beklagten, zu deren Rückzahlung sich der Beklagte ausdrücklich verpflichtet habe.
Der Beklagte erhob u.a. die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit, weil seine gelegentlichen Besuche bei seiner Familie in Vöcklamarkt keinen Wohnsitz in Österreich begründet hätten.
Das Erstgericht verneinte das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Zuständigkeit und wies die Klage zurück. Die Aufenthalte des Beklagten in Österreich beschränkten sich ausschließlich auf die Aufrechterhaltung seiner familiären Kontakte zu seiner Frau und seinen Kindern. Da diese Besuche zeitlich betrachtet in einem nur geringen Ausmaß erfolgten und der Beklagte allen sonstigen privaten und beruflichen Interessen im Ausland nachgehe, reichten sie nicht aus, um einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten iS des § 66 Abs 1 und 2 JN in Österreich zu begründen.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der ao. Revisionsrekurs des Klägers ist in Ansehung des eingeklagten Betrages von 2.117,41 US-Dollar sA unzulässig. Zwar ist im Zwischenstreit um das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit der Entscheidungsgegenstand nach § 528 ZPO mit der Klagsforderung gleichzusetzen (ZfRV 1986, 42), jedoch ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert 50.000 S nicht übersteigt (§ 528 Abs 2 Z 1 ZPO; Fasching, Lehrbuch, Rz 2015/1). Werden wie hier mehrere Ansprüche erhoben, die weder im tatsächlichen noch im rechtlichen Zusammenhang stehen, so muß als Entscheidungsgegenstand, auch für die Anfechtung, jeder dieser Ansprüche einzeln betrachtet werden, weil § 55 Abs 1 bis 3 JN auch für Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend ist (§ 55 Abs 5 JN). Der dem Kläger von der M*** E*** A*** D***
P*** abgetretene Anspruch auf Zahlung von 2.117,41 US-Dollar übersteigt nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Rekursentscheidung (vgl. EFSlg. 55.093, 25.355; EvBl. 1974/125) nicht 50.000 S und steht nach den Klagsbehauptungen mit dem Anspruch des Klägers auf Darlehensrückzahlung von 60.000 US-Dollar weder in einem tatsächlichen noch in einem rechtlichen Zusammenhang. Im übrigen ist der ao. Revisionsrekurs zulässig und gerechtfertigt.
Gemäß § 66 Abs 1 JN wird der allgemeine Gerichtsstand einer Person durch deren Wohnsitz bestimmt. Der Wohnsitz einer Person ist an dem Orte begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Um von einem Wohnsitz sprechen zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Das körperliche Moment des tatsächlichen Aufenthalts an einem Ort und das Willensmoment der erweislichen, nach außen erkennbaren, auch schlüssig zum Ausdruck gebrachten Absicht, dort bleibenden Aufenthalt zu nehmen (JBl. 1985, 629 = RZ 1985/53; RZ 1984/17; Fasching I 373 und Lehrbuch2 Rz 273). Im vorliegenden Fall hielt sich der Beklagte während seiner Tätigkeit für die A*** C***, deren Gesellschafter er war und noch ist, 1984/85 mit seiner Familie über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren weitgehend in Österreich auf und wohnte mit seiner Familie dabei zuerst in Salzburg, dann in einer Wohnung im Haus seiner Schwiegereltern in Vöcklamarkt, er begründete damit durch die jedenfalls schlüssig zum Ausdruck gebrachte Absicht, dort mit seiner Familie bleibenden Aufenthalt zu nehmen, seinen Wohnsitz (RZ 1984/17; JBl. 1965, 41). Es bleibt zu prüfen, ob dieser damit begründete Wohnsitz des Beklagten in Vöcklamarkt wieder aufgehoben wurde. Der Wohnsitzbegriff des österr. Zivilprozesses setzt nicht die dauernde körperliche Anwesenheit voraus; Reisen und auch längere geschäftliche Aufenthalte an anderen Orten vermögen den einmal begründeten Wohnsitz nicht zu beenden, solange die sich - allenfalls auch aus den Umständen des Einzelfalls schlüssig
ergebende - Absicht, am Ort der Niederlassung den bleibenden Aufenthalt weiter bestehen zu lassen, fortbesteht (JBl. 1965, 41; Fasching I 374; vgl. auch Gitter in Münchener Kommentar2, § 7 BGB Rz 22; Fahse in Soergel, BGB12, § 7 Rz 19; Westermann in Erman, Handkommentar zum BGB8; § 7 Rz 8; Palandt, BGB49, § 7 Anm 3). Obwohl der Beklagte nach den Feststellungen seit 1985 ausschließlich in Frankreich beruflich tätig ist, blieb dennoch in Vöcklamarkt der familiäre Mittelpunkt seines Lebens gegeben; der Beklagte hat dort seine Familie zurückgelassen, er besucht sie dort regelmäßig und in nicht allzu langen Zeitabständen. Bei der gegebenen Sachlage ist die Wohnung in Vöcklamarkt weiterhin der familiäre Mittelpunkt, zu dem der Beklagte immer wieder zurückkehrt und damit im familiären Bereich diese Wohnung zum Schwerpunkt seiner Lebensführung macht (RZ 1984/17; JBl. 1965, 41; Fasching I 374). Die Dauer des Inlandsaufenthaltes ist für sich allein kein ausschlaggebendes Moment, wesentlich ist vielmehr selbst bei kurzer Dauer des Aufenthaltes, ob Umstände vorliegen, die dauernde Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (RZ 1990/52; EFSlg. 49.259).
Der Hinweis der zweiten Instanz auf die E EvBl. 1985/110 geht deshalb fehl, weil es dort um die Begründung eines Wohnsitzes ging und nicht wie hier darum, ob ein bereits begründeter Wohnsitz durch beruflichen Auslandsaufenthalt wieder aufgehoben wird. Es ist daher entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen der seinerzeit in Vöcklamarkt begründete Wohnsitz des Beklagten von ihm durch die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit in Frankreich nicht aufgehoben worden.
Auch die inländische Jurisdiktion ist zu bejahen; ist sie nicht durch das Völkerrecht oder durch ausdrückliche inländische Vorschriften geregelt, dann darf sie zwar nur bei ausreichender Inlandsbeziehung bejaht werden, doch ist ein inländischer Wohnsitz, an den der allgemeine Gerichtsstand (§ 66 JN) geknüpft ist, als eine solche Inlandsbeziehung anzusehen, ohne daß noch weitere Umstände hinzutreten müßten (EvBl. 1987/25 = NZ 1988, 41). Demgemäß sind die Entscheidungen der Vorinstanzen in Ansehung des Klagebegehrens auf Zahlung von 60.000 US-Dollar sA durch Verwerfung der Prozeßeinreden abzuändern.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO (JBl. 1985, 629 mwN).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)