Spruch:
Für den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegen den Nachlaß des anderen kann nur eine einstweilige Verfügung nach § 379 EO bewilligt werden, dessen Abs. 3 im Gegensatz zu § 382 Z. 8 lit. a EO eine vorläufige Vorwegnahme der Entscheidung im Prozeß nicht gestattet
OGH 29. August 1979, 1 Ob 678/79 (LGZ Wien 45 R 251/79; BG Innere Stadt Wien 26 C 147/78)
Text
Die Beklagte ist Erbin nach dem am 5. April 1975 verstorbenen Fritz H, des früheren Ehemanns der Klägerin, von dem sie am 3. November 1967 aus seinem überwiegenden Verschulden rechtskräftig geschieden wurde. Bis zu seinem Tode bezahlte Fritz H der Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 2500 S. Die Klägerin begehrt von der Beklagten unter Hinweis auf das Ausmaß der Verlassenschaft die Bezahlung eines monatlichen Unterhalts von 3000 S und beantragte im Laufe des Rechtsstreites die einstweilige Verfügung, daß die Beklagte ihr ab 16. Feber 1979 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites, längstens bis 30. Juni 1980, einen monatlichen Unterhalt von 3000 S zu bezahlen hätte.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag auf Bewilligung der begehrten einstweiligen Verfügung abwies. Die Auferlegung einer vorläufigen Unterhaltsleistung sei begrifflich keine einstweilige Verfügung im Sinne der Exekutionsordnung, weil dadurch nicht ein Leistungsanspruch gesichert werden soll, sondern dem Berechtigten einstweilen ein Unterhalt zugebilligt wird. Im Hinblick auf diese Sonderstellung der Norm des § 382 Z. 8 EO sei ihre Anwendbarkeit einschränkend auszulegen; die Bestimmung eines Provisorialunterhaltes könne nur in dem im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen erfolgen. Durch das Bundesgesetz über die Neuregelung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe sei zwar eine weitgehende und tiefgreifende Änderung der Rechtslage erfolgt, jedoch sei nach wie vor auf ein familienrechtliches Naheverhältnis abgestellt worden. Wenn der Ehegatte gestorben sei, sei das Naheverhältnis, das zwischen dem Berechtigten und dem Zahlungsverpflichteten bestanden habe, weggefallen. Der Erbe könne - wie im gegenständlichen Fall - ein vollkommen Fremder sein. Der Wortlaut des § 382 Z. 8 EO, der den Kreis der Personen, die durch eine nach dieser Gesetzesstelle vorgesehene einstweilige Verfügung zu einer vorläufigen Unterhaltsleistung verpflichtet werden können, erschöpfend aufzähle, bilde keine Grundlage für die Anwendung dieser Norm auch auf Ansprüche, die gemäß § 78 EheG geltend gemacht werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zu den Mitteln, die das Gericht zur Sicherung von Ansprüchen auf Antrag anordnen kann, gehört gemäß § 382 Z. 8 lit. a EO u. a. im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhaltes auch die Bestimmung eines einstweilen von einem geschiedenen Ehegatten dem anderen zu leistenden Unterhalts. Die Einordnung dieser Bestimmung in den § 382 EO war verfehlt, da die Auferlegung eines einstweiligen Unterhaltes begrifflich keine einstweilige Verfügung im Sinne der Exekutionsordnung ist, weil dadurch nicht ein Leistungsanspruch gesichert werden soll, sondern ein Exekutionstitel geschaffen wird, der zur Geltendmachung des Unterhalts als Grundlage für ein einzuleitendes Exekutionsverfahren dient (Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau, Komm. zu EO[4], 2761). Es handelt sich um eine ganz besonders geartete Verfügung, die dem Berechtigten einen in der Regel endgültig zustehenden einstweiligen Unterhalt zubilligt (SZ 49/69; SZ 43/182 u. a.). Dessen war sich auch die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. 412/1975, 851 BlgNR, XIII. GP, bewußt, wollte jedoch eine grundlegende Neuordnung der Gewährung des einstweiligen Unterhalts einer Neuordnung des Exekutionsrechts vorbehalten. Die grundsätzliche Einordnung und Bedeutung der bis dahin geltenden Bestimmung des § 382 Z. 8 EO sollte daher nicht berührt werden, sondern nur eine - wenn auch großzügige - Anpassung dieser Bestimmung an das geänderte materielle Recht stattfinden. Die Erweiterung bestand vor allem darin, daß kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung einstweiliger Unterhalt, wie es die Rechtsprechung allerdings ohnehin schon zuvor zugelassen hatte (SZ 43/77; SZ 38/209; SZ 22/186 u. a.), auch dem geschiedenen Ehegatten zustehen sollte. Kein Anhaltspunkt besteht aber dafür, daß, sieht man von der neuen Unterhaltspflicht der Ehefrau ab, der Kreis der Personen, die zur Leistung eines einstweiligen Unterhaltes verpflichtet werden können, auch in anderer Weise erweitert werden sollte. Als mögliche Verpflichtete nennt das Gesetz nur den Ehegatten und den geschiedenen Ehegatten. Gemäß § 78 Abs. 1 EheG geht allerdings die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten, soweit sie nicht nur nach § 68 EheG auferlegt worden war (§ 78 Abs. 3 EheG), auf die Erben als Nachlaßverbindlichkeit über. Dem Gesetzgeber mußte die Rechtsprechung zum alten § 382 Z. 8 EO bekannt gewesen sein, wonach die Besonderheit dieser Bestimmung es erforderte, daß sie nicht ohne weiteres ausdehnend ausgelegt wird und auf jene Fälle beschränkt bleiben muß, in denen es sich tatsächlich um Unterhaltsansprüche handelt, die der Ehemann selbst seiner Gattin und seinen Kindern zu erbringen hat; weshalb die Anwendung des § 382 Z. 8 EO nur als in jenen Fällen in Betracht kommend angesehen wurde, in denen die Ehegattin aus dem familienrechtlichen Naheverhältnis heraus vom Mann aus dem Titel des Gesetzes Unterhaltsleistungen begehrte (SZ 43/182); daß das Wort "insbesondere" in der Einleitung des § 382 EO an sich bedeutet, daß das Gesetz die Sicherungsmittel nicht taxativ aufzählen wollte (Heller - Berger - Stix a. a. O., 2729), galt daher nicht für den § 382 Z. 8 EO. Es wurden demnach einstweilige Verfügungen auf vorläufige Gewährung von Geldrenten nicht familienrechtlicher Natur, die sich allenfalls gegen einen fremden Erben richten könnten, nicht zugelassen; das galt sowohl für Ansprüche der Witwe nach § 796 ABGB (SZ 43/182; SZ 23/329) als auch für solche nach § 78 Abs. 1 EheG (SZ 43/182; EvBl. 1958/249). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß mit der Neufassung des § 382 Z. 8 EO eine Änderung dieser Rechtslage herbeigeführt werden sollte. Im Gegenteil: In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde hervorgehoben, daß das Gesetz genau die Arten der Verfahren bezeichne, mit denen die beantragten einstweiligen Verfügungen jeweils im Zusammenhang stehen müßten. Die von der Regierungsvorlage vorgesehene Regelung wurde durch den Justizausschuß des Nationalrates nur dahin erweitert, daß einstweiliger Unterhalt nicht nur im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhaltes, sondern auch im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe bestimmt werden kann (1662 BlgNR, XIII. GP). Heller - Berger - Stix a. a. O., 2768 f., stehen daher auch zur neuen Rechtslage auf dem Standpunkt, daß § 382 Z. 8 lit. a EO für Ansprüche nach § 796 ABGB und auch bei Unterhaltsansprüchen des geschiedenen Gatten gegen den Nachlaß den anderen Ehegatten (§ 78 EheG) mangels Bestehens eines familienrechtlichen Naheverhältnisses unanwendbar ist. Auch der Revisionsrekurs gesteht zu, daß der Wortlaut des § 382 Z. 8 EO den Kreis der Personen, die durch eine einstweilige Verfügung zu einer vorläufigen Unterhaltsverpflichtung verpflichtet werden können, erschöpfend aufzählt; dieser Grundsatz kann nicht, wie der Revisionsrekurs meint, dadurch eingeschränkt werden, daß der Nachlaß an sich leistungsfähig ist; die Ertragsfähigkeit des Nachlasses wäre nur einer der weiteren Umstände, die bei einem an sich zulässigen Anspruch berücksichtigt werden müßten (§ 79 Abs. 2 EheG). Ebenfalls zu Unrecht vertritt der Revisionsrekurs subsidiär den Standpunkt, daß das Erstgericht nunmehr die Gefährdung des Unterhalts überprüfen hätte müssen. Gewiß kann für Unterhaltsforderungen, auf die § 382 Z. 8 lit. a EO nicht anwendbar ist, eine einstweilige Verfügung nach § 379 EO bewilligt werden (Heller - Berger - Stix a. a. O., 2703); es stehen aber nur die Sicherungsmittel des § 379 Abs. 3 EO zur Verfügung, welche Bestimmung im Gegensatz zu § 382 Z. 8 lit. a EO eine vorläufige Vorwegnahme der Entscheidung im Prozeß nicht gestattet (SZ 43/182). Nur einen solchen Anspruch will aber die Klägerin durchsetzen. Eine Gefährdung ihres Anspruches behauptet sie hingegen nicht, sondern hebt im Gegenteil die Leistungsfähigkeit des Nachlasses und die hohen Erträge aus dem Nachlaßvermögen, die der Beklagten angeblich zukommen, hervor.
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