OGH 1Ob677/90

OGH1Ob677/9028.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef J***, Landwirt, St. Primus i.J., Müllern 3, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Adolf S***, Kaufmann, Kühnsdorf-Mitte 64, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 1. Februar 1990, GZ 2 R 16/90-79 (richtig 2 R 16/90-22), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 16. Oktober 1989, GZ 2 C 1773/88v-72 (richtig 2 C 1773/88v-15), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Auf einer Liegenschaft in St. Kanzian am Klopeinersee errichtete 1959 der damalige Eigentümer Josef W*** aus Eigenmitteln eine eingeschoßige Verkaufshalle in der von Norden nach Süden vier Räumlichkeiten untergebracht sind. Südlich der südlichsten Räumlichkeit befindet sich noch ein Zeitungskiosk, den der Beklagte 1970 in Bestand nahm. Der Beklagte schloß (weiters) am 7. März 1981 mit dem Sohn des damaligen Eigentümers, Walter W***, für zwei Sommersaisonen einen Bestandvertrag über das südlichste Geschäftslokal zu einem Bestandzins von S 60.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer pro Saison ab. Walter W*** wurde als Erbe des am 4. März 1982 verstorbenen Josef W*** mit Einantwortungsurkunde vom 19. Oktober 1982 Eigentümer der Liegenschaft und trat zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, jedoch vor dem 7. Oktober 1982, an den Beklagten wegen einer Mietzinserhöhung für das südlichste Geschäftslokal heran und erwähnte dabei ua, daß er daran denke, das Geschäftslokal allenfalls an eine Bank zu vermieten. Der Beklagte nahm dies zum Anlaß, einen der beiden Geschäftsführer der Raiffeisenkasse E*** reg. Genossenschaft mbH (im folgenden Raiffeisenkasse E***) von dieser Absicht zu unterrichten. Da die Raiffeisenkasse E*** insbesondere verhindern wollte, daß ein Konkurrenzbankunternehmen in dem bisher vom Beklagten benützten südlichsten Geschäftslokal eine Filiale eröffnet, trat sie hierauf an Walter W*** wegen einer Inbestandnahme in Verhandlungen; der Beklagte wußte davon und war damit einverstanden. Am 7. Oktober/22. Dezember 1982 vermietete Walter W*** für die Zeit vom 1. Jänner 1983 bis 31. Dezember 1992 das südlichste Geschäftslokal einschließlich der daran südlich, östlich und westlich anschließenden unverbauten Grundflächen an die Raiffeisenkasse E*** zu einem jährlichen Bestandzins von S 150.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer; der Bestandvertrag, der die Unterbestandgabe für zulässig erklärte, wurde verbüchert. Der Beklagte - und nicht die Raiffeisenkasse E*** - benützte weiterhin das südlichste Geschäftslokal (und den daran im Süden anschließenden Zeitungskiosk) und überwies in den Jahren 1983 bis 1987 jeweils Ende August/Anfang September mit dem Verwendungszweck "Miete" gewidmete Beträge incl Umsatzsteuer von S 129.600,--, S 132.000,--, S 120.000,--, S 132.000,-- und S 132.000,-- an die Raiffeisenkasse E***. Am 28. Dezember 1987 verkaufte der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Walter W*** die Liegenschaft an Ferdinand und Lieselotte C***, die sie am 23. März 1988 an den Kläger weiterverkauften. Für den Kläger war es eine der wesentlichen Bedingungen für den Kaufabschluß, daß das südlichste Geschäftslokal der Verkaufshalle nicht vermietet ist. Deshalb sprachen im März 1988 der Kläger und Ferdinand C*** mit Vertretern der Raiffeisenkasse E*** über eine Ablöse der Bestandrechte. Die Raiffeisenkasse E*** erklärte sich schließlich gegen eine einmalige Zahlung von S 300.000,-- durch Ferdinand C*** bereit, das Mietverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 1987 aufzulösen. Der Bestandvertrag wurde am 16. August 1988 im Grundbuch gelöscht.

Der Kläger als nunmehriger Liegenschaftseigentümer begehrte vom Beklagten die Räumung des südlichsten Geschäftslokals und des daran anschließenden unverbauten Teiles des Grundstücks. Der Beklagte sei titelloser Benützer und habe das Bestandobjekt lediglich aufgrund einer Vereinbarung mit der Raiffeisenkasse E*** als Unterbestandnehmer benützt.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, der 1982 mit der Raiffeisenkasse E*** abgeschlossene Bestandvertrag habe auf sein, aus dem Bestandvertrag vom 7. März 1981 resultierendes Bestandrecht keinen Einfluß gehabt. Die Raiffeisenkasse E*** sei zwar an ihn wegen Abschlusses eines Unterbestandvertrages herangetreten, er habe den vorbereiteten Vertragsentwurf aber nicht unterfertigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es könne nicht festgestellt werden, welche konkreten Vereinbarungen zwischen dem Beklagten, Walter W*** und den Vertretern der Raiffeisenkasse E*** im Zusammenhang mit dem Abschluß des Mietvertrages vom 7. Oktober/22. Dezember 1982 bezüglich einer Weiterbenützung des südlichsten Geschäftslokales der Verkaufshalle und der daran anschließenden unverbauten Grundflächen durch den Beklagten getroffen worden seien. Rechtlich folgerte die Erstrichterin, daß der für einen aufrechten Rechtstitel an der Benützung des Bestandobjektes beweispflichtige Beklagte nicht habe dartun können, daß sein 1981 abgeschlossener Bestandvertrag bei Abschluß des Mietvertrages mit der Raiffeisenkasse E*** keine Änderung erfahren habe, insbesondere nicht im Einvernehmen mit Walter W*** aufgelöst und durch einen Unterbestandvertrag mit der Raiffeisenkasse E*** ersetzt worden sei. Der Beklagte sei im günstigsten Fall nur Untermieter der Raiffeisenkasse E*** und benütze nach der einvernehmlichen Auflösung des Bestandverhältnisses durch die Raiffeisenkasse E*** mit den Eheleuten C*** das Bestandobjekt titellos.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, daß der Streitgegenstand S 50.000,-- übersteigt. Es ließ die ordentliche Revision zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht zulässig.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß der Fall der konkludenten Begründung eines Untermietverhältnisses in der bisherigen oberstgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sei. Gemäß § 502 Abs 1 ZPO idF der WGN 1989 ist gegen das Urteil des Berufungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen

Rechtes ..... abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Zur Frage, wann eine derart erhebliche Rechtsfrage vorliegt, führt der Bericht des Justizausschusses zur Regierungsvorlage der ZVN 1983 (1337 BlgNR XV.GP, 19), aus, daß die vorgeschlagene (und dann Gesetz) gewordene Formulierung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sicherstellen wolle, daß "der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nur mit wichtigen, zumindest potentiell für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsamen Rechtsfragen befaßt wird, um seiner Leitfunktion besser gerecht werden zu können." Daran hat sich durch die WGN 1989 nichts geändert. Die für die Revisionszulässigkeit in diesem Bereich maßgebende Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen (1 Ob 504/90, 7 Ob 701/86). Maßgeblich ist, ob das Rechtsproblem potentiell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt. Von einer erheblichen Rechtsfrage kann nicht mehr gesprochen werden, wenn erst die besonderen Umstände des Einzelfalls als einer von vielen möglichen Fallgestaltungen den Ausschlag geben;

die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht in ÖJZ 1983, 177; VersRdSch 1987, 197;

MietSlg 36.789; 7 Ob 693/89 ua).

Der Revisionswerber behauptet hier gar nicht, daß das Berufungsgericht von einer einheitlichen und von der Lehre anerkannten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung eines Verhaltens (§ 863 ABGB) abgewichen wäre, und legt auch keine Umstände dar, welche die Richtigkeit der generellen Aussage im speziellen Einzelfall in Frage stellen. Angesichts der ungewöhnlichen Umstände des Einzelfalls (Veranlassung und Einverständnis des Erstmieters zum Bestandvertrag des Vermieters mit dem Zweitmieter betreffend das idente Bestandobjekt, Zahlung des erhöhten Bestandzinses durch den Erstmieter an den Zweitmieter durch fünf Jahre hindurch, Nichtbenützung des Bestandobjektes durch den Zweitmieter) liegt ein derart singulärer Fall vor, der sich für generelle Aussagen zum konkludenten Verzicht auf das Mietrecht und der konkludenten Begründung eines Untermietverhältnisses mit einem Nachmieter nicht eignet. Die Revision ist trotz des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruches ihrer Zulässigkeit durch das Berufungsgericht (§ 508 a Abs 1 ZPO) zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

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