European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00655.900.0912.000
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wie folgt zu lauten hat:
"Festgestellt wird, daß die gesonderte Wohnungsnahme durch die Antragstellerin G***** in *****, am 25. März 1990 bisher rechtmäßig war".
Begründung:
Die Antragsgegnerin zog am 25. März 1990 mit den beiden ehelichen Kindern aus der Ehewohung in *****, zu ihren Eltern nach *****. Das Erstgericht bewilligte der Antragstellerin wegen ehewidriger Beziehungen des Antragsgegners zu einer anderen Frau sowie wegen einiger Tätlichkeiten gegenüber der Antragstellerin im November 1989, Feburar 1990 und März 1990 die gesonderte Wohnungsnahme in *****, jedoch nur bis zum 31. August 1990, darüber hinaus nur für die Dauer eines bis zu diesem Zeitpunkt anhängig gemachten Ehescheidungsverfahrens. Es führt aus, die gesonderte Wohnungsnahme könne nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Da die eheliche Gemeinschaft der Parteien bereis seit zumindest März 1990 aufgehoben sei, erscheine eine etwa zweimonatige Fristsetzung für die weitere gesonderte Wohnungsnahme angemessen, wobei diese Frist bei zwischenzeitiger Einbringung eines Scheidungsbegehrens um dessen Dauer erweitert würde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin, der sich nur gegen die Fristsetzung richtete nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der lediglich gegen die Befristung der gesonderten Wohnungsnahme gerichtete ao Revisionsrekurs der Antragstellerin ist iS des § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 - für die Anfechtung von Beschlüssen über die Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme durch einen Ehegatten gelten die Bestimmungen des AußStrG (EFSlg 39.943, 32.703 ua) - wegen Fehlens einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zulässig und auch gerechtfertigt.
Die vom Außerstreitrichter vorzunehmende Entscheidung über die "gesonderte Wohnungsnahme" eines Ehegatten nach § 92 Abs 3 ABGB idF BGBl 1975/412, die nicht nur das in der Vergangenheit, sondern auch das gegenwärtige und noch andauernde Verhalten zu beurteilen hat, hat nur feststellenden Charakter ohne Leistungsauftrag und Zwangsfolgen und erschöpft sich in einer präjudiziellen Vorklärung für allfällige Unterhalts- oder Ehescheidungsverfahren (SZ 50/78; EFSlg 55.895, 52.893, 35.156; 4 Ob 518/90, 7 Ob 581/87 ua; Pichler in Rummel 2 Rz 5 a zu § 92 ABGB; Schwimann in Schwimann, Rz 12 zu § 92 ABGB und in ÖJZ 1976, 365 ff, 370 mwN; Koziol‑Welser, Grundriß8 II 191 f). Sie ist keine endgültige, sondern eine provisorische Konfliktregelung, die nicht auf Dauer bewilligt werden kann (EFSlg 44.823; Schwimann in Schwimann, Rz 7 zu § 92 ABGB) und die allgemeinen Grundsätze des § 90 ABGB in Ansehung der Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen von Ehegatten aus triftigen Gründen aussetzt. Bei Dauerzuständen kann dagegen nur auf Scheidung, allenfalls verbunden mit einem Antrag nach § 382 Z 8 lit b EO, geklagt werden (EFSlg 44.823 ua; Pichler aaO, Rz 5).
Die Feststellung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme als vorübergehende Maßnahme der Konfliktregelung im Familienrecht ist zeitlich begrenzt, bezieht sich auf ein Verhalten der Ehegatten in der Vergangenheit und der Gegenwart und kann schon mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung einer Frist, die die Dauer des Zustandes der gesonderten Wohnungsnahme absolut abgrenzt (SZ 50/78 mwN; Koziol-Welser aaO, 192), nicht im vorhinein für die Zukunft eine Zeitspanne festlegen, innerhalb der die gesonderte Wohnungsnahme als rechtmäßig zu beurteilen sein wird. Auch Gerichte zweiter Instanz haben schon bisher judiziert, daß bei der gesonderten Wohnungsnahme die Festlegung eines Zeitraumes für die Zukunft unzulässig sei (LGZ Wien EFSlg 47.427, 39.941). Dem Gericht kommt keine Kognition darüber zu, ob und wie lange die gesonderte Wohnungsnahme auch in Zukunft zulässig sein wird. Die hier von den Vorinstanzen erkennbar aus Zweckmäßigkeitsgründen vorgenommene Befristung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme durch die Antragstellerin ist somit durch das Gesetz nicht gedeckt und daher unzulässig. Demgemäß ist dem ao Revisionsrekurs Folge zu geben; im Spruch wird auf den nur feststellenden Charakter der Entscheidung Bedacht genommen.
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