OGH 1Ob654/88 (1Ob655/88)

OGH1Ob654/88 (1Ob655/88)11.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dipl.Ing. Gerhild G***, geboren am 10.Mai 1945 in Villach, ohne Beschäftigung, Velden, Rosentalerstraße 48, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte und widerklagende Partei Dipl.Ing. Heinz G***, geboren am 15. Mai 1941 in Mondsee, Landesbeamter, Mondsee, Schulweg 3, vertreten durch Dr. Georg Hetz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung und Unterhalt infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 25.Mai 1988, GZ 1 R 274,275/87-60, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29.Juni 1987, GZ 11 Cg 241/83-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden und widerbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten und widerklagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 23.9.1977 die Ehe. Für den Beklagten und Widerkläger (im folgenden Beklagten) handelte es sich um die zweite Ehe. Aus der ersten Ehe des Beklagten entstammt die 1973 geborene Tochter Andrea, die in seinem Haushalt gepflegt und erzogen wird. Die Ehewohnung befand sich im Haus der Eltern des Beklagten. Es bestanden aber zwei abgeschlossene Wohneinheiten. Aus der Ehe entstammt die am 25.6.1978 geborene Tochter Ingrid. Die eheliche Lebensgemeinschaft wurde am 5.2.1983 durch den Auszug der Klägerin und Widerbeklagten (im folgenden Klägerin) beendet. Eine vom Beklagten erhobene Aufhebungsklage, die darauf gestützt war, die Klägerin habe ihn zur Eingehung der Ehe dadurch bestimmt, daß sie arglistig verschwiegen habe, sie wäre dem Alkohol verfallen, wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 12.3.1985, 11 Cg 465/83-13, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 4.11.1985, 1 R 178/85-31, rechtskräftig abgewiesen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 17.2.1987, P 329/85-31, wurden alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB zu der mj. Ingrid dem Beklagten zugesprochen. In diesem Beschluß wurde festgestellt, daß die Klägerin fast täglich mehr oder weniger stark unter Alkoholeinfluß stehe.

Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten und die Zuerkennung eines monatlichen Unterhaltes ab Rechtskraft des Scheidungsurteiles von S 8500. Der Beklagte verhalte sich lieblos. Er habe seine Freizeit außer Haus verbracht, wenn er spät abends nach Hause komme, habe er ferngesehen. Er sei auf die Probleme der Klägerin nicht eingegangen. Die mj. Andrea, das Kind des Beklagten aus erster Ehe, sei schwer erziehbar. Die Eltern des Beklagten, die die Klägerin nicht akzeptiert hätten, hätten sich immer wieder in die Erziehung eingemengt; der Beklagte habe ihr, obwohl sie dieser Situation allein nicht gewachsen gewesen sei, jeden Beistand verweigert. Um eine Änderung herbeizuführen und um ihre Isolierung von der Außenwelt zu beenden, habe die Klägerin vorgeschlagen, nach Salzburg zu übersiedeln. Obwohl dies dem Beklagten ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre, habe der Beklagte diesem Wunsch der Klägerin nicht Rechnung getragen. Zu Weihnachten 1982 sei sie vom Beklagten mißhandelt worden. Der Beklagte käme auch seinen Unterhaltsverpflichtungen nur unzureichend nach. Mit seiner ersten Gattin habe der Beklagte Ehebruch begangen. Die Klägerin sei nicht alkoholkrank oder alkoholabhängig. Sie habe nur unter dem Eindruck der häuslichen Verhältnisse, mit denen sie nicht fertig geworden sei, gelegentlich Alkohol zu sich genommen. So habe sie zu Weihnachten 1982 nur deshalb getrunken, weil es der Beklagte offenkundig darauf angelegt habe, sie fertigzumachen. Damals habe sie mehr getrunken, als sie vertragen habe. Der Beklagte, der am 4.1.1985 Widerklage erhob und die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin begehrte, brachte vor, die Klägerin sei eine Quartalsäuferin. Sei sie betrunken, vernachlässige sie die Pflege der ehelichen Tochter und die Führung des Haushaltes gröblich. Ihre Alkoholexzesse seien auch der Grund dafür, warum sie in der Erziehung seiner Tochter Andrea versagt habe. Sie habe die mj. Andrea auch wiederholt geschlagen. Um Unzukömmlichkeiten hintanzuhalten, habe er sogar angeordnet, daß die mj. Andrea nur mit ausdrücklicher Zustimmung eines der Streitteile seine Eltern besuchen dürfe. Eheliche Spannungen habe es nur wegen des Alkoholkonsums der Klägerin, die schon vormittags getrunken habe, gegeben. Dem Wohnungswechsel habe er zugestimmt, wenn die Klägerin auf die Dauer eines Jahres ihre Alkoholexzesse einstellen werde. Seiner Unterhaltspflicht sei er nachgekommen. Seine Freizeit habe er zu Hause verbracht, er sei mit der Klägerin gemeinsam auf Urlaub gefahren und habe mit ihr kulturelle Veranstaltungen besucht. Die Klägerin habe auch nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihre Alkoholexzesse fortgesetzt, die Pflege und Erziehung des Kindes vernachlässigt und die Ehe gebrochen.

Das Erstgericht gab nur dem Begehren des Beklagten statt und schied die Ehe aus dem Alleinverschulden der Klägerin. Es stellte fest: Die Streitteile seien ein Jahr vor der Eheschließung in eine nähere Beziehung zueinander getreten, ohne jedoch zusammen zu leben. Anläßlich der Eheschließung habe die Klägerin ihren Beruf als Architektin aufgegeben. Schon zu Beginn der Ehe habe die Klägerin immer häufiger zu alkoholischen Getränken gegriffen. Dies habe schließlich dazu geführt, daß sie durchschnittlich einmal wöchentlich so alkoholisiert gewesen sei, daß sie in der Wohnung herumtorkelte. In diesem Zustand sei die Klägerin kaum ansprechbar gewesen. Wenn der Beklagte die Klägerin auf die Trunksucht angesprochen und ihr mehrfach nahegelegt habe, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, habe sie dies mit der Begründung abgelehnt, der Alkohol stelle für sie kein Problem dar. Die Geburt des gemeinsamen Kindes habe nichts am Verhalten der Klägerin geändert. Die dadurch entstandene Mehrarbeit habe zu einer noch stärkeren Belastung und zu noch größerem Alkoholkonsum der Klägerin geführt. Trotz der enormen Schwierigkeiten, die sich für den Beklagten wegen des Verhaltens der Klägerin ergeben hätten, habe er versucht, an der Ehe festzuhalten und die Klägerin zu überreden, einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen. In dem immer häufiger werdenden Zustand der Trunkenheit habe die Klägerin nicht nur den Haushalt, sondern insbesondere die Pflege und Erziehung der beiden Kinder vernachlässigt. Es sei mehrfach vorgekommen, daß der Beklagte bei seiner Heimkehr von der Arbeit die Klägerin volltrunken, die Kinder aber unversorgt vorgefunden habe. Die Spannungen zwischen der Klägerin und der mj. Andrea hätten schließlich dazu geführt, daß die Klägerin im alkoholisierten Zustand das Kind mindestens zweimal körperlich mißhandelt habe. Um den Spannungen mit den Eltern des Beklagten zu entgehen und auch zu verhindern, daß die mj. Andrea diese aufsuche, habe die Klägerin den Beklagten ersucht, nach Salzburg zu übersiedeln. Der Beklagte sei nicht grundsätzlich abgeneigt gewesen, doch habe er der Klägerin die Bedingung gestellt, sie dürfe vorerst ein Jahr lang keinen Alkohol zu sich nehmen. Er habe es auf Grund der Trunksucht seiner Frau nicht gewagt, das Haus seiner Eltern zu verlassen. Da aber die Klägerin überhaupt nicht versucht habe, ihre Alkoholprobleme zu lösen, habe sich die Frage eines Wohnungswechsels nach Salzburg nicht mehr gestellt. Als die Klägerin den Beklagten erstmals darauf hingewiesen habe, daß die mj. Andrea des öfteren zu den Eltern des Beklagten ausweiche, habe der Beklagte seiner Tochter Andrea untersagt, in Zukunft ohne seine Zustimmung zu ihren Großeltern zu gehen. Da sich aber die Klägerin immer weniger um die Kinder gekümmert habe und sogar gegen die mj. Andrea tätlich geworden sei, seien beide Kinder immer mehr zu den Großeltern ausgewichen. Der gemeinsame Unterhalt sei aus dem Einkommen des Beklagten bestritten worden. Das Verfahren habe keinen Hinweis erbracht, daß die vom Beklagten der Klägerin gegebenen Beträge zur Haushaltsführung zu gering oder nicht ausreichend gewesen seien. Kurz vor Weihnachten 1982 habe der Beklagte die Klägerin in einem stark alkoholisierten Zustand mit einem blauen Auge vorgefunden. Die Klägerin habe nicht erklären können, woher diese Verletzung stamme. Auf Grund der Alkoholexzesse der Klägerin und der damit verbundenen Sorge um die Kinder habe der Beklagte die Klägerin vor die Alternative gestellt, entweder sich einer Entziehungskur zu unterziehen oder sich scheiden zu lassen. Die Klägerin habe sich daraufhin mit einem Rechtsanwalt in Verbindung gesetzt. Man sei übereingekommen, daß sie im Februar 1983 einvernehmlich die eheliche Wohnung verlasse. Die Klägerin habe auch nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft den regelmäßigen Alkoholkonsum fortgesetzt. Ob einer der Streitteile Ehebruch begangen habe, könne nicht festgestellt werden. Das Beweisverfahren habe auch nicht die Behauptung der Klägerin bestätigt, der Beklagte verhalte sich ihr gegenüber lieblos. Die häufig aufgetretenen Alkoholexzesse der Klägerin in Verbindung mit der Vernachlässigung des Haushaltes und der Kinder hätten zu einer so tiefen Zerrüttung der Ehe geführt, daß mit der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden könne. Die Weigerung der Klägerin, gegen den Alkoholmißbrauch anzukämpfen und entsprechende Schritte zu unternehmen, stelle einen schwerwiegenden Mangel an ehelicher Gesinnung dar. Der Beklagte habe keine Scheidungsgründe gesetzt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Dem Erstgericht sei beizupflichten, daß die bereits kurze Zeit nach der Eheschließung aufgetretenen Alkoholexzesse der Klägerin mit ihren Folgen als schwere Eheverfehlung der Klägerin im Sinne des § 49 EheG zu beurteilen seien. Es könne durchaus zutreffen, daß mit der Verehelichung für die Klägerin eine einschneidende Veränderung ihrer Lebensverhältnisse verbunden gewesen sei. Es dürfe aber nicht übersehen werden, daß die von der Klägerin in Mondsee vorgefundene Situation nicht plötzlich auf sie zugekommen sei. Allein schon das Eingehen einer Ehe stelle eine tiefgreifende Veränderung im Leben eines Menschen dar. Kämen nun weitere Umstände hinzu, so wäre es geradezu lebensfremd zu glauben, daß der Alltag völlig problemlos ablaufe. In einer intakten Familie sollten aber Probleme gelöst und nicht verdrängt werden, schon gar nicht durch den Genuß von Alkohol. Gleiches müsse auch dafür gelten, wenn die beruflichen und familiären Pläne der Klägerin durch die frühe Schwangerschaft durchkreuzt worden seien. Wenn der Beklagte sodann durch Jahre hindurch die von der Klägerin gesetzten Alkoholexzesse habe miterleben müssen, so werde nur allzu verständlich, daß es für ihn in dieser Situation jedenfalls nicht mehr tragbar gewesen sei, weit weg von seinen Eltern eine Wohnung zu nehmen, wenn die Klägerin ihren Sorgepflichten den Kindern gegenüber dann nicht nachgekommen sei, wenn sie Alkohol getrunken habe. Die Klägerin sei auch nicht bereit gewesen, den vestärkten Hang zum Alkohol aufzugeben bzw. dagegen anzukämpfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor. Auch die Rechtsrüge versagt. Eine Ehe ist dann unheilbar zerrüttet, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten durch schwere Eheverfehlungen des anderen bedingt auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg 51.601, 48.763, 46.178, 43.629 uva). Ständiger Rechtsprechung entspricht es auch, daß Alkoholmißbrauch, der zum Verlust der Achtung des Ehepartners führen muß, eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG darstellt (EFSlg 51.581, 48.730, 43.610 uva). Daß die Alkoholexzesse und deren Folgen sich kausal auf die Zerrüttung der Ehe auswirkten, stellte das Erstgericht, wenn auch im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung, entgegen den Ausführungen in der Revision ausdrücklich fest. Soweit die Klägerin ihr Verhalten mit der Behauptung entschuldigt, ihre Alkoholexzesse wären nur eine Reaktion auf das lieblose und damit ehewidrige Verhalten des Beklagten gewesen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Nach diesem hat der Beklagte der Klägerin mehrfach nahegelegt, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen; er versuchte Spannungen zwischen der Klägerin und seinen Eltern wegen der Erziehung der mj. Andrea hintanzuhalten und wäre auch, hätte die Klägerin nur auf den Genuß alkoholischer Getränke verzichtet, bereit gewesen, die Ehewohnung nach Salzburg zu verlegen. Dem Beklagten können keine Eheverfehlungen vorgeworfen werden, die nur im mindesten geeignet wären, den Alkoholmißbrauch der Klägerin in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Das Recht des Beklagten auf Scheidung wegen Verschuldens ist auch nach § 57 Abs 1 EheG nicht erloschen. Durch die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft war die Sechsmonatsfrist gehemmt. Abgesehen davon, daß die Klägerin auch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten vor Auflösung der ehelichen Gemeinschaft ehewidrige Handlungen setzte, handelt es sich um ein fortgesetztes, auch noch nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft andauerndes ehewidriges Verhalten, das als Einheit aufzufassen ist; in einem solchen Fall ist für die Einhaltung der Frist des § 57 Abs 1 EheG auf die letzten Eheverfehlungen abzustellen (EFSlg 51.639, 48.812, letztere einen Fall von Alkoholmißbrauch betreffend, ua).

Der Revision der Klägerin ist der Erfolg zu versagen. Die Klägerin strebte auch noch in der Revision die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung ihres auf Ehescheidung und gesetzlichen Unterhalt gerichteten Klagebegehrens an. Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt sind nach § 224 Abs 1 Z 4 ZPO Ferialsachen. Durch Verbindung eines Scheidungsbegehrens mit dem Begehren auf gesetzlichen Unterhalt wird auch die Ehesache zur Ferialsache (JBl 1985,630). Die Revision wurde dem Beklagtenvertreter am 21.7.1988 zugestellt. Die Revisionsbeantwortung wurde erst am 25.8.1988, somit nach Ablauf der Notfrist von vier Wochen (§ 507 Abs 2 ZPO), beim Prozeßgericht überreicht. Sie ist daher als verspätet zurüchzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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