OGH 1Ob652/90

OGH1Ob652/9012.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Dr. Elsa L***, Mittelschullehrerin, Baden, Elisabethgasse 60, vertreten durch Dr. Leo Breiteneder, Rechtsanwalt in Waidhofen a.d.Thaya, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Sophie S***, Pensionistin, Innsbruck, Anich Straße 6, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wegen Unterlassung (Streitwert S 50.000,--) infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems/Donau als Rekursgerichtes vom 8. Februar 1990, GZ 2 R 7/90-7, womit aus Anlaß des Rekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Waifhofen/Thaya vom 14. Dezember 1989, GZ C 577/89 -3, diese und das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und der Sicherungsantrag zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei (im folgenden Antragstellerin) ist Alleineigentümerin des Waldgrundstückes 1916 der Katastralgemeinde Thaya. Die Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden Antragsgegnerin) ist Alleineigentümerin des benachbarten Waldgrundstückes 1917. Beide Grundstücke erstrecken sich von Norden nach Süden und haben ein Ausmaß von etwa 450 x 50 m. Die Antragstellerin beantragte zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung unzulässiger Immissionen die Erlassung des gerichtlichen Verbotes an die Antragsgegnerin, auf ihrem Grundstück 1917 eine beabsichtigte Schlägerung durchzuführen und brachte dazu vor: Die Antragsgegnerin habe bei der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya im Juni 1989 die Schlägerung einer 1,5 ha großen Teilfläche des Grundstückes 1917 (Gesamtausmaß 2,2673 ha) beantragt. Infolge Einwendungen der Antragstellerin gegen diese Schlägerung wegen Verlustes des Deckungsschutzes habe die Antragsgegnerin ihr Schlägerungsvorhaben auf eine Teilfläche von 0,28 ha eingeschränkt, wofür eine Schlägerungsgenehmigung der Forstverwaltungsbehörde nicht erforderlich sei. Bei der Verhandlung an Ort und Stelle am 19.Juni 1989 sei der Antragsgegnerin aufgetragen worden, eine Fällung dieser Teilfläche nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Verhandlungstag durchzuführen. Die Antragsgegnerin habe ihre Schlägerungsabsicht auf eine Fläche des Grundstückes 1917, das zwischen 90 m bis 145 m südlich dem Weggrundstück 2007 liege, beschränkt. In diesem Bereich befinde sich auf dem Grundstück der Antragstellerin eine 50-jährige Waldkultur, bei der schon in den letzten Jahren bei Ostwind Wind-, Rauhreif- und Schneebrüche eingetreten seien. Da es sich beim Waldbestand der Hiebfläche der Antragsgegnerin um einen schon etwas dünneren Bestand handle, würde durch eine Entfernung dieses Bestandes die Waldkultur der Antragstellerin in diesem Umfang dem freien Angriff des Ostwindes ausgesetzt. Gemäß § 14 Abs 2 ForstG habe jeder Waldeigentümer Fällungen entlang seiner Grundgrenze in einer Entfernung von weniger als 40 m zu unterlassen, wenn durch die Fällung der nachbarliche Wald einer offenbaren Windgefährdung ausgesetzt werde. Es bestehe nun die Gefahr, daß die Antragsgegnerin ab 19.Dezember 1989 die Schlägerung durchführe und der Wald der Antragstellerin den Deckungsschutz verliere. Ein Schlägerungsverbot würde auch entsprechende Schadenersatzprozesse verhindern, die durch die immer wieder eintretende Schädigung des Waldes entstehen würden. Die Antragsgegnerin sprach sich gegen den Sicherungsantrag aus, weil durch die Schlägerung eine offenbare Windgefährdung nicht gegeben sei.

Das Erstgericht verbot der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Antragstellerin binnen drei Monaten einzubringenden Unterlassungsklage, längstens bis 30.November 1991, auf ihrem Grundstück 1917 der KG Thaya die beabsichtigte Schlägerung im Bereich 90 m bis 145 m südlich des Weges 2007 durchzuführen. In rechtlicher Hinsicht bejahte der Erstrichter den Anspruch der Antragstellerin auf Deckungsschutz gemäß § 14 ForstG. Die Frage, ob der Wald der Antragstellerin eines Deckungsschutzes bedürfe, sei im noch anhängig zu machenden streitigen Verfahren zu klären. Bei Durchführung der Schlägerungsmaßnahmen würde die Klärung dieser strittigen Frage vereitelt; die einstweilige Verfügung sei somit zur Abwendung eines unwiederbringlichen Schadens für die Antragstellerin erforderlich.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses die einstweilige Verfügung und das bisherige Verfahren als nichtig auf, wies den Sicherungsantrag zurück, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige, und ließ den ordentlichen Rekurs nicht zu. In rechtlicher Hinsicht vertrat es im wesentlichen die Auffassung, daß für den zu sichernden Unterlassungsanspruch und demgemäß auch schon für das Provisorialverfahren der Rechtsweg unzulässig sei, weil der Deckungsanspruch iS des § 14 ForstG ein öffentlich-rechtlicher subjektiver Rechtsanspruch des Eigentümers des zu schützenden Waldes sei, über den ausschließlich im Verwaltungsverfahren zu entscheiden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Nach § 378 Abs 1 EO kann auch schon vor Einleitung eines Rechtsstreites das Gericht zur Sicherung des Rechtes einer Partei auf Antrag einstweilige Verfügungen treffen, die sich im Rahmen des Hauptanspruches zu halten haben (JBl 1987, 728; JBl 1983, 652 ua). Gehört der zu sichernde Anspruch nicht auf den Rechtsweg, so kann auch nicht eine einstweilige Verfügung zu seiner Sicherung erlassen werden. Auch für das vor Einleitung des Prozesses anhängig gemachte Sicherungsverfahren ist somit die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu beachten (EvBl 1983/138, EvBl 1961/308, EvBl 1954/378; 8 Ob 655/87; Heller-Berger-Stix, EO4 2699) und daher zu prüfen, ob die Antragstellerin nach dem maßgeblichen Vorbringen, wobei in erster Linie der Inhalt der Klage und des gestellten Begehrens sowie auch die Natur des erhobenen Anspruches berücksichtigt werden müssen, einen privatrechtlichen Anspruch iS des § 1 JN (WBl 1989, 195; EvBl 1987/168; SZ 51/183 ua; Fasching I 62 f und Lehrbuch2, Rz 101) geltend macht.

Dies ist hier der Fall. Denn nach den Antragsbehauptungen ist die Antragstellerin Eigentümerin eines Waldgrundstückes und verlangt von der Antragsgegnerin die Unterlassung von Immissionen durch Fällung des Windgürtels (Deckungsschutz). Grundsätzlich kann der Grundeigentümer dem Nachbarn von dessen Grund ausgehende Immissionen verbieten, die das ortsübliche Maß übersteigen und ihn im Genuß seines Eigentums wesentlich beeinträchtigen (§ 364 Abs 2 ABGB). Solche Immissionen sind ein Fall rechtswidriger Eigentumsverletzung (JBl 1988, 323 ua). Die vorbeugende Unterlassungsklage ist eines der prozessualen Mittel, die dem Eigentümer als dinglich Berechtigten insbesondere im Rahmen des Nachbarrechtes zugebilligt werden (SZ 48/45 ua; Spielbüchler aaO, Rz 17; Pimmer in Schwimann, § 364 ABGB Rz 52 mwN; Wilhelm in JBl. 1986, 696; Fasching, Lehrbuch2, Rz 1070), um den Schadenseintritt zu verhindern. Eine solche vorbeugende, dem Schutz ihres Eigentumsrechtes dienende Unterlassungsklage beabsichtigt die Antragstellerin einzubringen.

Damit würde die Antragstellerin aber einen zivilrechtlichen Anspruch geltend machen, dessen meritorische Berechtigung bei Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit außer Betracht zu bleiben hat. Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen die einstweilige Verfügung, der inhaltlich auch die erstgerichtliche Sachverhaltsgrundlage in Frage gestellt hat, neuerlich zu entscheiden haben. Dabei wird in rechtlicher Beziehung auch zu prüfen sein, ob die Antragstellerin einen im bürgerlichen Recht wurzelnden Abwehranspruch schlüssig behauptet. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 78, 402 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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