Spruch:
Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit der am 3. Juli 1986 eingebrachten Scheidungsklage begehrt die Klägerin und gefährdete Partei (im folgenden: Klägerin) die Scheidung ihrer Ehe aus dem Verschulden des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei (im folgenden: Beklagter). Als Scheidungsgründe macht sie unter anderem ehebrecherische Beziehungen, nächtelange Zechtouren, Mißhandlungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ihrer Person, Verletzung der Unterhaltspflicht und Abhörung ihres Telefons geltend. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und stellte einen Mitschuldantrag. Die Klägerin beschimpfe ihn, werde gegen ihn tätlich, habe ihn verletzt, vernachlässige ihre Beistandspflicht und unterhalte selbst ehewidrige Beziehungen.
Am 8. März 1990 beantragte die Klägerin die Erlassung der einstweiligen Verfügung, dem Beklagten werde aufgetragen, die Ehewohnung zu verlassen und sie bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens nicht zu betreten. Der Beklagte habe sie am 19. Februar und 26. Februar 1990 attackiert und ihr Hämatome zugefügt. Am 26. Februar 1990 habe er auch eine Tür eingetreten. Dies habe er, als er einmal in der Nacht auf den 22. Februar 1990 betrunken nach Hause gekommen sei, randalierend angedroht. Ein weiteres Zusammenleben mit dem Beklagten sei für die Klägerin unerträglich. Die Klägerin verfüge über keine andere Wohnmöglichkeit für sich und die 1977 und 1980 geborenen Kinder.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung: Es "stellte fest", im Februar 1990 habe der Beklagte die Klägerin unrichtigerweise beschuldigt, sie hätte sein Auftragsbuch vor ihm versteckt gehalten. Aus diesem Anlaß sei es vorerst zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. Nach Beschimpfungen habe der Beklagte die Klägerin an den Armen derart fest ergriffen, daß sie blaue Flecken am Oberarm erlitten habe. Am 26. Februar 1990 sei der Beklagte mit dem von der Klägerin für das Kind zubereiteten Mittagessen nicht einverstanden gewesen. Er habe zu dem Kind gesagt, es solle zur (mütterlichen) Großmutter mittagessen gehen. Damit sei die Klägerin nicht einverstanden gewesen. Sie habe versucht, das Kind festzuhalten und es so am Verlassen der Wohnung zu hindern. Der Beklagte habe darauf die Arme der Klägerin auseinandergebogen, um dadurch dem Kind zu ermöglichen, sich aus dem Griff der Mutter zu lösen. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen habe die Klägerin Hämatome am linken Oberarm und am rechten Oberschenkel erlitten. In der Ferienwoche Februar 1990 habe die Klägerin die Tür zu dem von ihr und dem Sohn bewohnten Zimmer versperrt gehalten. Der Beklagte habe deshalb diese Tür aufgebrochen. Das Erstgericht folgerte, das Zusammenleben sei dadurch für die Klägerin unerträglich geworden. Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Beklagten den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abwies. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Unter Anführung zahlreicher Vorentscheidungen führte es aus, durch das Sicherungsmittel des § 382 Z 8 lit b EO solle ein Ehepartner während der Dauer des Scheidungsverfahrens in der Ehewohnung vor Übergriffen des anderen geschützt werden. Hiebei sei eine strenge Prüfung der Voraussetzungen erforderlich, wobei Eheverfehlungen vorliegen müßten, die weit über jene hinausgingen, die das Verlassen der Wohnung rechtfertigten. Eine Unzumutbarkeit reiche nicht aus. Das weitere Zusammenleben müsse bei objektiver Wertung unerträglich sein. Für die Unerträglichkeit seien Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der Beeinträchtigung, aber auch die Lebensverhältnisse und das Milieu maßgebend. Abzuwägen sei, ob die psychische oder physische Integrität des Ehepartners durch den anderen Teil ernstlich bedroht sei und dadurch die Gefahr eines irreparablen Schadens an Leib oder Seele bestehe oder in Zukunft damit zu rechnen sei. Gelegentliche Entgleisungen und Kurzschlußhandlungen bewirkten ebenso wie eine gespannte oder als quälend empfundene Atmosphäre während des Scheidungsverfahrens keine Unerträglichkeit. Unter Berücksichtigung aller Umstände erreichten die Vorfälle doch nicht jenes Ausmaß, daß der Klägerin ein weiteres Zusammenleben mit dem Beklagten unerträglich geworden sei oder daß ihre erhebliche Gefährdung und körperliche Bedrohung in Zukunft zu besorgen wäre. Es sei auch zu bedenken, daß der Beklagte am 26. Februar 1990 die Klägerin deshalb an den Armen ergriff und sie auseinanderbog, um das gemeinsame Kind aus dem Umklammerungsgriff zu lösen und so gesehen für ihn nicht die körperliche Integrität der Klägerin, sondern die Wiederherstellung der Bewegungsfreiheit des Kindes im Vordergrund gestanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.
Gemäß §§ 78, 402 EO, § 528 Abs 1 ZPO ist ein jedenfalls nicht unzulässiger Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. An den Ausspruch des Rekursgerichtes, daß eine solche Rechtsfrage vorliege, ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 528 Abs 2 ZPO). Erheblich ist eine Rechtsfrage immer dann, wenn ihre Lösung über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung erlangen kann (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1890), wenn also keine vergleichbaren Vorentscheidungen vorliegen (Petrasch, ÖJZ 1985, 296). Die Kasuistik des Einzelfalles wird bei Anwendung der im Gesetz vorgezeichneten und in der Rechtsprechung entwickelten Wertungen in der Regel eine beispielgebende Entscheidung ausschließen (MietSlg. 36.789). Wenn das Rekursgericht zur Annahme gelangte, daß die als bescheinigt angesehenen Vorfälle doch nicht jenes erhebliche Ausmaß erreichten, daß der Klägerin ein Zusammenleben mit dem Beklagten unerträglich geworden sei, und eine erhebliche Gefährdung und körperliche Bedrohung der Klägerin in Zukunft noch nicht besorgen ließen, so hat es bei seiner Entscheidung die in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes als Maßstab entwickelten Grundsätze herangezogen. Stützt sich die Lösung der zu entscheidenden Rechtsfrage aber auf gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen, dann kommt den von der Revisionsrekurswerberin für den konkreten Einzelfall aufgeworfenen Abwägungsfragen nicht die Qualität der Erheblichkeit zu (in diesem Sinn bereits 2 Ob 557/83). Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.
Der Revisionsrekurs wurde dem Beklagten am 6. August 1990 zugestellt. Die am 3. September 1990 zur Post gegebene Beantwortung war gemäß § 402 Abs 1 EO iVm § 224 Abs 1 Z 6 ZPO verspätet. Die Revisionsrekursbeantwortung ist gleichfalls zurückzuweisen.
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