Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der pflegebefohlenen Kinder wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juni 1979, 3 Cg 156, 168/79-6, gemäß § 55 a EheG einvernehmlich geschieden. Mit gerichtlichem Vergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, daß das Sorgerecht der Mutter zusteht. Am 27. September 1979 schlossen die Eltern mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung einen Vergleich, wonach dem Vater in 14tägigem Abstand ein Besuchsrecht im Ausmaß von je drei Stunden eingeräumt wird. Der Vater ist berechtigt, die Kinder in der Wohnung der Mutter zu besuchen und mit ihnen auszugehen; die Mutter darf dabei den Sohn Bernhard begleiten. Ein weiteres Besuchsrecht wurde dem Vater am 24. Dezember sowie am Ostersonntag oder Ostermontag jedes Jahres von 16 bis 19 Uhr eingeräumt. Die Mutter hat sich wieder verehelicht; aus der zweiten Ehe entstammen zwei Kinder, mit einem dritten Kind ist sie schwanger. Im Frühjahr 1988 besuchte die mj. Martina die zweite Klasse einer allgemeinbildenden höheren Schule, der mj. Bernhard die vierte Klasse Volksschule.
Der Vater beantragte, sein 14tägiges Besuchsrecht und sein Besuchsrecht zu Weihnachten und zu Ostern auf vier Stunden (jeweils von 15 bis 19 Uhr) auszudehnen, weiters solle ihm ein vierstündiges Besuchsrecht an den Geburtstagen der Kinder eingeräumt werden; die Kinder seien von der Haustür zum Haus der Wohnung der Mutter abzuholen. Weiters sei ihm das Recht einzuräumen, jährlich eine Woche Urlaub mit seinen Kindern zu verbringen. Die Mutter habe ihm die Kinder entfremdet und die Ausübung seines Besuchsrechtes seit 1986 verhindert.
Die Mutter sprach sich vorerst gegen eine Änderung des Besuchsrechtes aus. Der Vater sei an den Kindern nicht interessiert, er habe bisher das ihm zustehende Besuchsrecht nur selten ausgeübt. Die Kinder legten auf Besuche ihres Vaters keinen Wert; sie lehnten einen Kontakt mit ihm ab, was auf sein Verhalten zurückzuführen sei. Am 6.August 1987 beantragte der Vater mit der Behauptung, die Mutter hielte die Besuchsrechtsregelung nicht ein und verweigere ihm beharrlich die Ausübung seines Besuchsrechtes, zur Erzwingung seines Rechtes die Exekution durch Androhung von Geldstrafen und für den Fall der Zuwiderhandlung die Bewilligung von Haft. Über diesen Antrag wurde bisher nicht entschieden.
Nach Einholung einer Stellungnahme durch die Wiener Jugendgerichtshilfe, die eine Aussetzung des Besuchsrechtes des Vaters befürwortete, beantragte die Mutter, dem Vater das Besuchsrecht zu entziehen. Ihm gehe es nicht um das Wohl und das Interesse der Kinder, sondern er wolle vielmehr Maßnahmen setzen, die geeignet seien, die ohnedies vorhandene Irritation der Kinder zu verstärken.
Das Erstgericht setzte das Besuchsrecht des Vaters aus. Es folgte dem Erhebungsbericht der Wiener Jugendgerichtshilfe und dem Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen. Alles spreche dafür, daß im Falle einer Durchsetzung des Besuchsrechtes des Vaters gegen den Willen der Kinder und der Mutter eine seelische Irritation herbeigeführt würde, die in ihrem Ausmaß weit über das hinausgehen werde, was als natürliche Folge der Zerreißung des Familienverbandes durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden müsse. Diese Annahme sei umso berechtigter, als die Kinder bei der Scheidung kaum wegen des Kontaktverlustes mit dem Vater gelitten hätten. Bei der mj. Martina dürfte eine solche psychische Irritation wahrscheinlich zur Vermehrung der Asthmaanfälle führen, dieses allergische Leiden sei sehr vom seelischen Befinden des Patienten abhängig; es sei zu bedenken, daß der letzte Anfall des Kindes im Zusammenhang mit einem Anruf des Vaters beobachtet worden sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß sowohl die Anträge der Mutter auf Entziehung des Besuchsrechtes als auch des Vaters auf dessen Ausdehnung abgewiesen wurden. Es stellte ergänzend fest, der Vater habe das im Vergleich geregelte Besuchsrecht nie in vollem Umfang ausgeübt. Daran seien teils seine Einstellung, teils die Widrigkeiten, die ihm von Seiten der Mutter gemacht worden seien, schuld. Dem Vater sei bewußt, daß er und die Kinder einander fremd geworden seien und die Kinder nicht viel Interesse an ihm hätten. Seine Besuchskontakte hätten zuletzt etwa sechs mal im Jahr stattgefunden. Anläßlich seines Besuches bei den Kindern im Februar 1988 habe er mit den Kindern allein in der Wohnung der Mutter sprechen können. Nach etwa zehn Minuten seien zunächst der mj. Bernhard und kurz darauf die mj. Martina aufgestanden und hätten das Zimmer verlassen. Den darauffolgenden Äußerungen des Vaters der Mutter gegenüber hätten die Kinder entnehmen können, daß der Vater Besuchskontakte erzwingen könnte. Zwischen Vater und Kindern fehle derzeit eine Gesprächsbasis, die eine Intensivierung der verwandtschaftlichen Beziehungen fördern könnte. Schon im Zeitpunkt der Scheidung habe eine persönliche Bindung nicht bestanden. Dem Vater sei es infolge der seltenen Besuche in den acht Jahren nach der Trennung nicht gelungen, eine persönliche Bindung (tragfähige Beziehung) zu den Kindern aufzubauen. Die Kinder hätten die seltenen Besuche des Vaters eben hingenommen, eine zwangsweise Durchsetzung von Besuchskontakten des Vaters, ja schon deren Ankündigung würde zu schweren Irritationen der Kinder führen. Dafür, daß die Abneigung der Kinder auf eine Einflußnahme der Mutter zurückzuführen sei, fänden sich im Akt keine konkreten Anhaltspunkte. Rechtlich ging es davon aus, daß nicht die Kontakte zum Vater als solche, sondern vielmehr allfällige Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter eine seelische Irritation der Kinder herbeiführen könnten, die mit dem Grundsatz der primären Berücksichtigung des Kindeswohles nicht mehr vereinbar wäre. Daß der Vater bisher nicht in der Lage gewesen sei, im Zuge seiner Besuchskontakte herzliche persönliche Beziehungen zu den Kindern aufzubauen, bedeute nicht, daß der Fortbestand solcher Besuche für die Kinder so abträglich wäre, daß sie zumindest vorübergehend ausgesetzt werden müßten. Es sei auch nicht erkennbar, inwiefern ein solches Aussetzen von Besuchskontakten eine Verbesserung der Situation herbeiführen könnte. Vielmehr werde es am Vater liegen, sollte er an einer Verbesserung der Beziehungen ernsthaft interessiert sein, zunächst einmal sein Besuchsrecht in dem ihm zustehenden Ausmaß wahrzunehmen. Er müsse sich dessen bewußt sein, daß die nun einmal bestehende Distanz nicht durch Zwang, auch nicht gegen die Mutter der Kinder, sondern nur durch ein herzliches Verhalten den Kindern gegenüber überwunden werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist nicht berechtigt. Soweit darin die Feststellungen der Vorinstanzen bekämpft werden, ist dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen darauf verwehrt. Auch bei Revisionsrekursen nach § 14 AußStrG ist der Oberste Gerichtshof nicht Tatsachen-, sondern nur Rechtsinstanz (EFSlg 52.674, 49.854, 47.129).
Das im § 148 Abs 1 ABGB zuerkannte Recht des Elternteiles, dem Pflege und Erziehung seines mj. Kindes nicht zustehen, mit diesem Kind persönlich zu verkehren, hat den Zweck, auf Blutsverwandtschaft beruhende Beziehungen zwischen ihm und dem Kind aufrecht zu erhalten und eine gegenseitige Entfremdung zu verhindern (EFSlg 51.150, 48.278, 43.217 uva). Das Besuchsrecht soll nur ausnahmsweise aus besonders schwerwiegenden das Kindeswohl betreffenden Gründen entzogen werden (EFSlg 51.199, 48.343, 45.770, 43.259). Solche besonders schwerwiegenden Gründe sind, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, nicht gegeben. Die weitere Ausübung des Besuchsrechtes in der Form, wie sie von den Eltern vergleichsweise geregelt wurde, mag, wie das bisherige Verhalten zeigt, in allernächster Zukunft nicht zu der vom Gesetzgeber gewünschten Herstellung einer echten Bindung zwischen Vater und Kindern führen. Die Ausübung des Besuchsrechtes, wie sie im Februar 1988 geschah, zeigt auch, daß es den Kindern gelingen mag, durch ihr Verhalten die volle zeitliche Ausnützung der Dauer des Besuchsrechtes zu verhindern. Daß ein zehn Minuten dauernder Besuch ihres Vaters eine das Wohl der Kinder gefährdende Irritation nach sich gezogen hätte oder daß solches auch nur zu befürchten wäre, wurde aber nicht festgestellt. Das Gutachten des Sachverständigen und der darauf basierende Beschluß des Erstgerichtes zeigen auch nicht auf, wie durch die vorgeschlagene ein- bis zweijährige Aussetzung des Besuchsrechtes des Vaters die Situation insgesamt verbessert werden könnte. Es muß vielmehr angenommen werden, daß der Vater den Kindern nach dieser Zeit völlig entfremdet wäre, so daß der spätere Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen noch weniger möglich oder gar sinnvoll sein wird. Sache des an seinen Kindern interessierten Vaters wird es sein, diese Beziehungen schon jetzt durch eine behutsame, das Wohl der Kinder nicht gefährdende Ausübung seines Besuchsrechtes herzustellen.
Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.
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