OGH 1Ob636/95

OGH1Ob636/9530.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jerome-Timothy M*****, geboren ***** vertreten durch Dr.Walter Schuppich, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gernold N*****, vertreten durch Dr.Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der unehelichen Vaterschaft infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 4.Oktober 1995, GZ 45 R 2096/95-35, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 6.März 1995, GZ 1 C 243/94-12, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5.April 1995, GZ 1 C 243/94-15, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht sprach in dem durch den Beschluß vom 5.April 1995 in der Namenschreibweise des Beklagten berichtigten Urteil vom 6.März 1995 aus, daß der Beklagte der leibliche Vater des Klägers ist, wies ein Unterhaltsbegehren des Klägers ab und erkannte den Beklagten im übrigen schuldig, dem Kläger Prozeßkostenersatz zu leisten.

Dem Beklagten wurde eine Ausfertigung dieses Urteils durch postamtliche Hinterlegung am 21.März 1995 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Er erhob gegen diese Entscheidung Berufung. Der Rechtsmittelschriftsatz wurde am 24.April 1995 beim Erstgericht überreicht. Zur Rechtzeitigkeit der Berufung behauptete der Beklagte, er sei in der Zeit vom 17. bis 27.März 1995 nicht in Österreich gewesen und habe die für ihn postamtlich hinterlegte Sendung erst am 27. März 1995 beheben können. Er bot als "Beweis" für dieses Vorbringen seine Einvernahme als Partei und die Vorlage einer "Bestätigung" an. Er unterließ es jedoch in dem vom Berufungsgericht veranlaßten Ermittlungsverfahren, die als Bescheinigungsmittel angebotene Aufenthaltsbestägigung vorzulegen und konnte im Rahmen seiner gerichtlichen Einvernahme auch nicht die Adresse jener Person in Deutschland angeben, bei der er sich im Zeitraum vom 17. bis 27. März 1995 angeblich aufgehalten habe. Auch eine Vernehmung des Vaters des Beklagten als Auskunftsperson brachte keine weiteren Aufschlüsse. Demnach traf das Berufungsgericht in der nunmehr angefochtenen Entscheidung die Feststellung, es könne "nicht als bescheinigt angesehen werden, daß der Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung des Urteils durch Hinterlegung am 21.März 1995 nicht an der ... (Zustelladresse) ... aufhältig war", und wies die Berufung als verspätet zurück, weil dem Beklagten das angefochtene Urteil bereits am 21.März 1995 wirksam zugestellt, das Rechtsmittel jedoch erst nach Ablauf der Berufungsfrist von vier Wochen eingebracht worden sei.

Der Rekurs des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht wies die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurück. Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist dagegen der Vollrekurs an den Obersten Gerichtshof ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu § 519 mN zur Rsp).

Der Beklagte führt aber in seinem Rechtsmittel lediglich eine Beweisrüge aus und begehrt die Feststellung, daß er im Zeitraum vom

17. bis 27.März 1995 in Deutschland gewesen sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht vertritt er dazu die Ansicht, daß "im Vaterschaftsverfahren auch im Rekursverfahren" kein Neuerungsverbot bestehe und es einer Partei nicht verwehrt sei, "die gerichtliche Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung zu bekämpfen".

Das Abstammungsverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Es sind daher alle Beweise aufzunehmen, die eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwarten lassen. Beweisaufnahmen dieser Art sind auch dann durchzuführen, wenn sie keine Partei beantragte oder sich die Parteien dagegen aussprachen (EvBl 1994/85 mwN). Ob diese als Voraussetzung für die unbedingt anzustrebende Richtigkeit der Sachentscheidung geltenden Grundsätze auch auf Formalentscheidungen, mit denen Rechtsmittel zurückgewiesen wurden, anzuwenden sind, muß hier nicht erörtert werden. Selbst wenn nämlich in der Unterlassung sinnvoller und von amtswegen auch möglicher Ermittlungsmaßnahmen zur Abklärung der Rechtzeitigkeit einer Berufung im Abstammungsverfahren ein Mangel des Berufungsverfahrens zu erblicken wäre, läge ein solcher hier nicht vor. Vom Gericht zweiter Instanz wurde nämlich die Aufnahme aller nach dem Akteninhalt sinnvollen Bescheinigungsmittel veranlaßt, die eine Aufklärung über den Aufenthalt des Beklagten im Zeitraum vom 17. bis 27.März 1995 erwarten ließen. Der Beklagte war schließlich selbst nicht fähig oder willens, die Anschrift jener Person mitzuteilen, bei der er sich im fraglichen Zeitraum aufgehalten haben will.

Der Oberste Gerichtshof ist jedenfalls auch im Rekursverfahren nicht Tatsacheninstanz, weil die Rekursgründe nicht weiter als die in § 503 ZPO geregelten Revisionsgründe gehen können (Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts4 Rz 875 [am Beispiel des Revisionsrekurses]). Die vom Beklagten ausgeführte Beweisrüge bedarf daher keiner Behandlung.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Im vorliegenden Fall wies das Gericht zweiter Instanz die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurück, faßte als - wie schon einleitend dargestellt - einen Beschluß gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO. Das Rekursverfahren ist einseitig; die Rechtsmittelfrist beträgt 14 Tage (Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO aaO). Die Rekursbeantwortung des Klägers ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

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