OGH 1Ob63/00x

OGH1Ob63/00x28.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Martina R*****, geboren am *****, infolge Rekurses der Mutter Gertraud R*****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 26. Jänner 2000, GZ 6 Nc 1 00y-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Mutter beantragte am 11. 6. 1999 die Übertragung der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Judenburg an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz, weil sie und ihre Tochter den Hauptwohnsitz von Zeltweg nach Gratkorn verlegt hätten. Lediglich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit habe sie zuvor ihren Hauptwohnsitz in Zeltweg gehabt. Seit längerem bemühe sie sich um eine Versetzung in den Grazer Raum, und Interessenten, die ihren Hauptwohnsitz in Gratkorn hätten, würden bei solchen Versetzungsansuchen vorrangig behandelt. Es sei auch der ausdrückliche Wunsch des Kindes, nach Vollendung der Volksschulzeit zusammen mit ihrer in Gratkorn wohnhaften Freundin eine weiterführende Schule im Raum Graz zu besuchen. Schließlich beabsichtige die Mutter auch den Wiederverkauf ihrer Eigentumswohnung in Gratkorn; die Verpflichtung zur Zahlung einer Spekulationssteuer entfalle nur dann, wenn diese Wohnung der Hauptwohnsitz sei. Ihrem Antrag legte die Mutter Kopien von Meldezetteln bei, aus denen sich ergibt, dass sie und die Minderjährige ihren Hauptwohnsitz in Zeltweg abgemeldet und in Gratkorn angemeldet haben.

Das Bezirksgericht Judenburg übertrug die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz. Es begründete diese Entscheidung damit, dass sich das Kind jetzt ständig in Gratkorn aufhalte und die Übertragung daher zweckmäßig erscheine. Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz lehnte die Übernahme der Pflegschaft ab. Daraufhin legte das Bezirksgericht Judenburg den Akt zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN dem Oberlandesgericht Graz vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach dieses Gericht aus, dass die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz nicht genehmigt werde. Schon aus dem Vorbringen der Mutter ergebe sich, dass sowohl sie wie auch das Kind derzeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch im Bezirk Judenburg hätten, denn die Mutter gehe ihrer Beschäftigung als Lehrerin in Spielberg nach und die Minderjährige besuche nach wie vor die Volksschule in Zeltweg. Der Lebensmittelpunkt des Kindes liege derzeit jedenfalls noch in Zeltweg. Die Übertragung der Zuständigkeit sei demnach nicht zu genehmigen, weil die Ausnahmebestimmung des § 111 Abs 1 JN "einschränkend auszulegen" sei.

Der dagegen gerichtete Rekurs der Mutter ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz voraussichtlich besser verwirklicht werden kann. Diese Voraussetzung liegt in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt. Maßgebend ist immer das Kindeswohl (6 Nd 502/99; 5 Nd 507/98; 4 Nd 505/96; 4 Nd 507/94; SZ 42/86 ua).

Die Mutter bestreitet in ihrem Rekurs gar nicht, dass sie nach wie vor als Lehrerin in Spielberg tätig ist und dass die Minderjährige nach wie vor die Volksschule in Zeltweg besucht. Die Behauptung der Rekurswerberin, sie verbringe sämtliche schulfreie Tage in Gratkorn und tätige Einkäufe in Graz, hat noch nicht zur Folge, dass der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes dorthin verlegt worden wäre. Es ist kein Grund zu erkennen, warum die Übertragung der Zuständigkeit im Interesse der Minderjährigen gelegen sein sollte und inwieweit dadurch die wirksame Handhabung des der Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert werde. Für die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN müssten aber besondere Gründe vorliegen (SZ 42/86). Bei der gegebenen Sachlage bleibt das Bezirksgericht Judenburg daher zur Besorgung der Pflegschaftssache zuständig.

Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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