Spruch:
Wenn bezüglich einer vollstreckbaren Forderung nur der in Anspruch genommene Rang bestritten wird und dieser aus dem Exekutionstitel nicht hervorgeht, hat im Sinne des § 110 Abs. 1 KO. der anmeldende Gläubiger auf Feststellung des bestrittenen Ranges zu klagen und nicht der bestreitende Gläubiger oder der Masseverwalter.
Die Frage der Aktiv- und Passivlegitimation ist nur auf Einwendung und nicht von Amts wegen zu prüfen.
Entscheidung vom 3. Juli 1957, 1 Ob 625/56.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die beklagte Partei hat im Konkursverfahren über das Vermögen des Dr. Ing. B. eine vollstreckbare Forderung von 14.388 S 19 g in der ersten Klasse der Konkursgläubiger angemeldet. Soweit in diesem Betrage Wohnbauförderungs- und Wohnungsbeihilfebeträge sowie Arbeiterkammerumlage in der Höhe von insgesamt 1582 S 70 g enthalten sind, bestritt der Masseverwalter die beanspruchte Rangordnung, worauf ihm das Konkursgericht eine sechswöchige Frist zur Einbringung einer Bestreitungsklage erteilte. Mit der Erhebung der vorliegenden Klage wahrte der Masseverwalter die ihm erteilte Frist. Das Klagebegehren geht auf Feststellung, daß die von der beklagten Partei zum Konkurs des Dr. Ing. B. in der ersten Klasse der Konkursforderungen angemeldete Forderung mit dem Teilbetrage von 1582 S 70 g in die zweite Klasse der Konkursforderungen gehöre.
Das Erstgericht hat im Sinne des Klagebegehrens erkannt, das Berufungsgericht dagegen infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil in eine Abweisung des Klagebegehrens abgeändert. Der Masseverwalter sei nicht befugt, so führt das Berufungsurteil aus, den von ihm bestrittenen Rang einer angemeldeten vollstreckbaren Forderung durch Klage zu bekämpfen, und zwar auch dann nicht, wenn er vom Konkursgericht zur Erhebung der Klage aufgefordert werde, da eine solche Aufforderung die Klägerrolle nicht bindend feststelle. Fraglich sei nur, ob die bezüglichen Berufungsausführungen zu berücksichtigen oder, wie der Berufungsgegner meint, als unzulässige Neuerungen nicht zu beachten seien. Das Berufungsgericht halte die Berücksichtigung für angebracht. Nur das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise verstoße gegen das Neuerungsverbot, nicht aber die Geltendmachung eines neuen rechtlichen Gesichtspunktes. Die rechtliche Beurteilung sei Sache des Gerüchtes, das unabhängig vom Standpunkt der Parteien stets alle rechtlich möglichen Einwände zu berücksichtigen habe, die für das Tatsachenvorbringen der Parteien in Betracht kämen. Das Vorbringen einer neuen rechtlichen Überlegung im Berufungsverfahren sei nur dann unzulässig, wenn es mit neuem Tatsachenvorbringen einhergehe oder mit dem bisherigen tatsächlichen Vorbringen nicht mehr übereinstimme. Die Klagslegitimation sei auch ohne ausdrückliche Bestreitung vom Gerichte zu prüfen, weil sie die Schlüssigkeit des Klagevorbringens betreffe, die von Amts wegen wahrzunehmen sei. Da sich aus dem Klagevorbringen bereits die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ergebe, sei der bezügliche Einwand der Berufung auf jeden Fall zu beachten und infolge Abganges der Klageberechtigung in Stattgebung der Berufung das Klagebegehren abzuweisen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des klagenden Masseverwalters nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Den Ausführungen der Revision zur Darstellung der Rechtsrüge ist folgendes entgegenzuhalten:
Es ist richtig, daß in der Regel die Frage der Aktiv- oder Passivlegitimation nur auf Einwendung und nicht von Amts wegen zu prüfen ist (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes,
2. Aufl. I S. 116; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. I S. 400). Es müssen jedoch nur die Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (Rspr. 1937 Nr. 118; Rspr. 1935 Nr. 60). Die mangelnde Klageberechtigung des Masseverwalters ergibt sich aber bereits aus dem Klagevorbringen unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 110 KO., weil er nicht die angemeldete vollstreckbare Forderung der beklagten Partei an sich bestreitet, sondern der von der beklagten Partei in Anspruch genommenen Rangordnung der angemeldeten Forderung bezüglich eines Teiles derselben widerspricht, der Exekutionstitel aber die Rangordnung nicht feststellt. Soweit sich übrigens Bestimmungen von Verfahrensgesetzen, wie etwa die §§ 155 bis 157 und 549 ZPO., § 9 EO. oder, wie im vorliegenden Falle, § 110 KO., mit der Legitimation beschäftigen, ist diese Frage von Amts wegen zu prüfen (Neumann a. a. O.). Inhaltlich der Klage hat der Kläger nur mehr die Bestreitung der Rangordnung aufrechterhalten und die ursprüngliche Bestreitung der vollstreckbaren Forderung als solcher fallen gelassen. In der Entscheidung SZ. XXV 290 hat der Oberste Gerichtshof erkannt, daß der Masseverwalter auch dann nicht befugt ist, mit Klage nach § 110 KO. den von ihm bestrittenen Rang einer angemeldeten vollstreckbaren Forderung zu bekämpfen, wenn er vom Konkursgericht zur Erhebung der Klage aufgefordert wurde. Den Gründen der veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sei mit Bezug auf die Revisionsausführungen folgendes beigefügt:
Richtig ist, daß § 110 Abs. 2 der geltenden Konkursordnung gegenüber der alten Konkursordnung eine wertvolle Neuerung bedeutet und geeignet ist, die Behelligung und Schädigung eines Gläubigers durch mutwillige Bestreitung seiner Forderung auszuschließen. Während früher jeder Gläubiger, dessen Forderung in noch so mutwilliger Weise bestritten wurde, den Bestreitenden klagen mußte, wird jetzt jener Gläubiger, der eine vollstreckbare Forderung hat, gegen solche Bestreitung dadurch geschützt, daß nicht er den Bestreitenden, sondern dieser ihn klagen muß (§ 110 Abs. 2 KO.). Als bestritten sind nur jene Forderungen anzusehen, die, sei es vom Masseverwalter, sei es von Konkursgläubigern, hinsichtlich ihrer Richtigkeit oder hinsichtlich der beanspruchten Rangordnung oder hinsichtlich Richtigkeit und Rangordnung bestritten werden. In bezug auf die Frage, wer von den beteiligten Personen das zur Feststellung bestrittener Forderungen erforderliche Verfahren einzuleiten hat, machte § 129 der alten Konkursordnung keinen Unterschied. Es war stets Sache des Gläubigers, dessen Forderung bestritten wurde, die Feststellung der Forderung zu bewirken. Man hielt es für gerechtfertigt, daß von diesem Grundsatz eine Ausnahme auch dann nicht stattfand, wenn die angemeldete Forderung bereits judikatsmäßig festgestellt war. Da auch im Konkurs die Kraft der res judicata nicht neuerlich in Frage gestellt werden sollte, wurde vorgeschlagen, daß nach dem Beispiel der Konkursordnung für das Deutsche Reich der Vorgang dahin geregelt werde, daß der Widerspruch gegen eine formalisierte Forderung vom Widersprechenden zu verfolgen sei. Die neue Konkursordnung unterscheidet denn auch bezüglich der bestrittenen Forderungen zwischen vollstreckbaren und allen übrigen Forderungen. Es ist also bei der Bestreitung vollstreckbarer Forderungen nicht der Gläubiger bemüßigt, die Feststellung seiner Forderung zu bewirken, vielmehr ist es Sache des Bestreitenden, seinen Widerspruch durchzusetzen. Der Unterschied zwischen der Behandlung vollstreckbarer und nicht vollstreckbarer Forderungen greift aber nur insoweit Platz, als die Vollstreckbarkeit reicht. Wird bezüglich einer Forderung, deren Vollstreckbarkeit feststeht, eine bevorzugte Rangordnung beansprucht und wird nur die begehrte Rangordnung bestritten, so fällt in dieser Richtung die sonstige Vollstreckbarkeit der Forderung nicht in die Waagschale; es obliegt daher dem Gläubiger der vollstreckbaren Forderung, die Feststellung der bezüglichen Rangordnung zu bewirken. So kann es bezüglich einer und derselben vollstreckbaren Forderung vorkommen, daß es rücksichtlich der bestrittenen Richtigkeit derselben Sache des Bestreitenden ist, das zur Durchsetzung des Widerspruches erforderliche Verfahren einzuleiten, bezüglich der bestrittenen Rangordnung dagegen dem Gläubiger der vollstreckbaren Forderung die Klagsaustragung obliegt (Lehmann, Kommentar zur österreichischen Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, I S. 623 ff.). Mit dieser Ansicht stimmen auch die Autoren Bartsch - Pollak überein, wenn sie in der von ihnen kommentierten Konkursordnung (3. Aufl. I S. 510) ausdrücklich hervorheben, daß das Gesetz in der Bestimmung des § 110 Abs. 2 KO. eine einschränkende Auslegung erfordere, und hiezu bemerken: "In einigen Fällen bleibt trotz des Wortlautes des § 110 Abs. 2 KO. die Klägerrolle bei dem, wenngleich mit einem Exekutionstitel versehenen, Anmeldenden. Es sind folgende drei Fälle: a) wenn die Bestreitung sich nur gegen die Rangordnung richtet, b) wenn sie sich gegen den Anspruch und gegen die Rangordnung richtet, aber nur der Rangordnungsstreit vor das Gericht gehört, c) wenn die Bestreitung sich lediglich gegen die Höhe eines auf der Schätzung des Anmeldenden beruhenden Anspruches richtet. Hat der Anmeldende für seine Forderung schon einen Exekutionstitel, so bekümmert ihn zwar die Bestreitung seiner Rangordnung, nicht aber die seines Anspruches; jene zu beseitigen, ist darum sein Interesse, die Forderungsbestreitung zu bekräftigen, das Interesse des oder der Bestreitenden. Die Parteirollen für die Prüfungsprozesse sind daher folgendermaßen zu verteilen: Im (bloßen) Rangordnungsstreit ist der Anmeldende der Kläger, im Forderungsstreite stets dann, wenn er keinen Exekutionstitel hat." Die Meinung Rintelens in seinem Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes, S. 390 f., geht dahin, daß dann, wenn bei vollstreckbaren Forderungen auch die Rangordnung bestritten wird, anzunehmen sei, daß in allen Fällen, in denen sich aus dem vorliegenden Exekutionstitel die rangbegrundende Qualifikation der Forderung ergebe, der Gläubiger, welcher den Rang bestreite, die Liquidierungsklage anzubringen habe. Anders nur, wenn der in Anspruch genommene Rang mit dem Exekutionstitel im Widerspruch stehe. Selbst dieser Autor schließt also die Klägerrolle des Gläubigers einer vollstreckbaren Forderung bei Bestreitung der Rangordnung dieser Forderung nicht in jedem Falle aus. Aus der Denkschrift, die mit der kaiserlichen Verordnung vom 10. Dezember 1914 über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, RGBl. Nr. 387, verlautbart wurde, läßt sich eindeutig nichts für den Standpunkt der Revision gewinnen. Sie bemerkt zu § 110 Abs. 2 KO.: "Neu ist die Vorschrift, daß bei Ansprüchen, die auf vollstreckbaren Titeln beruhen, nicht der anmeldende Gläubiger zur Liquidierungsklage genötigt werden soll, sondern daß dem Bestreitenden die Rolle des Klägers zufällt. Für diese Regelung, der die Analogie des § 35 EO. zustatten kommt, spricht die Erwägung, daß die Bestreitung einer durch einen Exekutionstitel festgestellten Forderung sich in der Regel nur auf einen dem Titel nachfolgenden Tatbestand stützen kann und es unbillig wäre, in solchen Fällen den anmeldenden Gläubiger zu verhalten, seinen Anspruch nochmals durchzusetzen. Aber auch dann, wenn sich die Bestreitung auf ältere Tatbestände, z. B. auf solche des § 530 ZPO., stützt, spricht eine so große Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit eines Anspruches, für den ein vollstreckbarer Titel vorhanden ist, daß sich die Umkehrung der Parteirollen als der Sachlage entsprechend erweist. Die gleiche Bestimmung findet sich auch im § 146 Abs. 2 der deutschen Konkursordnung". Gerade der führende Kommentar zur deutschen Konkursordnung von Jäger teilt jedoch die in der schon bezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vertretene Ansicht, wenn er zu § 146 der deutschen Konkursordnung in der 6. und 7. Auflage seines Kommentars auf S. 563 ff. des II. Bandes in den Anmerkungen 22 bzw. 23 folgendes ausführt:
"Die Feststellung zugriffbereiter (titulierter) Ansprüche braucht der Anmelder nicht selbst zu betreiben, vielmehr legt das Gesetz dem Bestreitenden die Last der Widerspruchsverfolgung auf. Solche Ansprüche haben den Rechtsschein für sich. Die Vergünstigung, die das Gesetz dem Anmelder einer zugriffreifen Forderung einräumt, rechtfertigt sich jedoch nur insoweit, als die Urkunde ihrem Inhalt nach das Begehren des Anmelders deckt und darum dem Widerspruch entgegensteht. Vorrecht und Anmeldbarkeit können niemals im Sinne des Abs. VI gestützt sein. Der Abs. VI des § 146 KO. bildet eine Ausnahme gegenüber der Regel des Abs. I und duldet keine Erstreckung. Seine Aufzählung ist erschöpfend. Die Vorteile der Zugriffreife bietet eine Urkunde im Sinne des Abs. VI nur insoweit, als ihr Inhalt dem Widerspruch entgegensteht. Das gilt vor allem für den Widerspruch, der sich nur gegen das Vorrecht des Anspruches richtet. Unmöglich kann die Urkunde gegen einen Widerspruch schützen, der ihren Inhalt in keiner Weise antastet. Darum hat, wer ein Vorrecht in Anspruch nimmt, das streitig bleibt, nunmehr dessen Feststellung zu betreiben. Daß der das Vorrecht bestreitende Verwalter berechtigt oder gar, wie das RG. in der Entscheidung vom 18. März 1927, Bd. 116, 368, annimmt, verpflichtet wäre, die Feststellung des Nichtbestehens der Vorrechtseigenschaft zu betreiben, trifft nicht zu. Der Kampf um die Klärung des allein streitigen Vorrechtes ist ein neues Verfahren. Eine entsprechende Rechtsregel ergibt sich, wenn der Bestreitende die Anmeldbarkeit, das heißt die Eigenschaft einer Konkursforderung, abspricht". Überflüssig zu sagen, daß im gegenwärtigen Falle die beklagte Partei selbst gar nicht bestreitet, daß ihr im Rangordnungsstreit die Klägerrolle zufällt.
Die vorstehenden Ausführungen lassen sich dahin zusammenfassen, daß dort, wo eine vollstreckbare Forderung weder dem Gründe noch der Höhe nach bestritten wird, sondern nur der hiefür in Anspruch genommene Rang, dieser aber aus dem Exekutionstitel nicht hervorgeht, im Sinne des § 110 Abs. 1 KO. der anmeldende Gläubiger auf Feststellung des bestrittenen Ranges zu klagen hat und nicht der bestreitende Gläubiger oder Masseverwalter.
Wieso das Berufungsgericht eine "weitere Rechtsfrage" unrichtig gelöst haben soll, wenn es erklärt hat, daß durch die Aufforderung des Konkurskommissärs in der Prüfungstagsatzung an den Masseverwalter zur Einbringung der Feststellungsklage die Klägerrolle nicht bindend festgestellt worden sei, ist unverständlich. Der Hinweis auf §§ 110 Abs. 4 und 131 Abs. 4 KO. besagt dagegen nichts. Die Revisionsbeantwortung hält mit Recht der Revision entgegen, daß die bezüglichen Bestimmungen die Verteilung der Klägerrolle im § 110 Abs. 1 KO. nicht abändern, der Konkurskommissär daher nicht nach Belieben die Parteirollen im Rangordnungsstreit zu verteilen befugt ist. Auch der Einwand verfängt nicht, daß bei Nichtanerkennung der Legitimation des Masseverwalters zur Klageführung eine Gefährdung oder Schädigung der Konkursgläubiger dadurch eintreten könnte, daß die beklagte Partei es unterläßt, eine Feststellungsklage von sich aus einzubringen, weil einer solchen Passivität des Gläubigers durch die vom Konkurskommissär vorzunehmende Bestimmung einer Frist zwecks Einbringung der Feststellungsklage vorgebeugt werden kann.
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