OGH 1Ob624/93

OGH1Ob624/9325.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 18.Mai 1990 verstorbenen, in B*****, wohnhaft gewesenen Josefine P*****, vertreten durch den erbserklärten Erben Dr.Helmut R*****, wider die beklagte Partei Adolf L*****, vertreten durch Dr.Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 41 Cg 221/88 des Landesgerichtes Innsbruck (Streitwert S 1,000.000,--) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck

als Rekursgerichtes vom 19.November 1993, GZ 1 R 203/93-15, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.Juli 1993, GZ 41Cg 149/93-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei begehrte mit ihrer am 3.5.1993 eingebrachten Wiederaufnahmsklage die Aufhebung der im Rechtsstreit 41 Cg 221/88 des Landesgerichtes Innsbruck ergangenen Entscheidungen aller drei Instanzen sowie die Stattgebung ihres Klagebegehrens im wiederaufgenommenen Verfahren. Sie brachte vor, der Beklagte, auf dessen Aussage die Vorinstanzen ihre Feststellungen im Vorprozeß gegründet hätten, habe am 8.3.1993 bei der Agrarbezirksbehörde im Widerspruch zu seinen "früheren Behauptungen" angegeben, daß er selbstverständlich an seine Übersiedlung auf den übernommenen Hof gedacht habe und dieser für ihn eine optimale Existenzgrundlage gewesen sei, weil eine Ausweitung der Wirtschaftsführung auf seinem eigenen Hof nicht möglich gewesen wäre. Es wäre ihm auch möglich gewesen, neben der Bewirtschaftung des übernommenen Hofes ohne weiteres seine politischen Funktionen bis 1984 wahrzunehmen. Hätte die klagende Partei diese Aussagen des Beklagten im Vorprozeß verwenden können, wäre dem Beklagten die - letztlich streitentscheidende - Glaubwürdigkeit abgesprochen worden. Von der erwähnten Aussage habe die klagende Partei erst anläßlich der am 14.4.1993 vorgenommen Akteneinsicht Kenntnis erlangt.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurück. Der Aussage des Beklagten am 8.3.1993 seien keine neuen Tatsachen bzw Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu entnehmen, weil dessen Aussage im Vorprozeß inhaltlich mit dessen von der klagenden Partei behaupteten Angaben im Verwaltungsverfahren übereinstimmt. Die klagende Partei habe den von ihr in Anspruch genommenen Wiederaufnahmsgrund somit nicht schlüssig dargestellt.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei; einen Bewertungsausspruch gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat es demgemäß in seiner Entscheidung nicht aufgenommen. Es führte aus, bei Prüfung der Eignung des geltend gemachten neuen Beweismittels sei nur vom Kern der Aussage des Beklagten bei der Verwaltungsbehörde auszugehen, was schon aus dem Erfordernis der Schlüssigkeit der Wiederaufnahmsklage folge. Zu prüfen sei, ob es sich um ein neues Beweismittel handle und dieses geeignet sei, eine Änderung der entscheidungswesentlichen Feststellungen und damit der Entscheidung selbst herbeizuführen. Die wesentliche Tatsache, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Hof selbst zu bewirtschaften, habe der Beklagte im Hauptverfahren selbst zugegeben und das Erstgericht dementsprechend auch festgestellt. Dieses habe ferner die Feststellung getroffen, daß sich der Beklagte zu weiteren, im Vertrag nicht ausdrücklich festgelegten Gegenleistungen verpflichtet habe, sei nicht erwiesen. Ob der Beklagte beabsichtigt habe, auf den Hof zu ziehen, sei unerheblich, weil es nicht auf die innere Absicht des Beklagten, sondern auf den Vertragsinhalt ankomme. Der Beklagte habe selbst nach den Klagbehauptungen bei der Agrarbehörde nicht ausgesagt, er sei der Übergeberin gegenüber eine solche Verpflichtung eingegangen. Habe er daher die Verpflichtung, auf den Hof ziehen und diesen von dort aus zu bewirtschaften, nicht übernommen, sei es auch ohne Bedeutung, ob er neben der Bewirtschaftung des Hofes auch noch seine politischen Funktionen hätte wahrnehmen können. Daß sich der Beklagte der Übergeberin gegenüber verpflichtet habe, auf seine politischen Funktionen zu verzichten, um sich ausschließlich der Bewirtschaftung des übernommenen Hofes zu widmen, lasse sich nicht einmal dem Klagsvorbringen entnehmen. Das Erstgericht habe daher zutreffend das Vorliegen neuer Tatsachen und Beweismittel, auf die die Wiederaufnahmsklage wirksam gestützt werden könnte, verneint, weil die Aussage des Beklagten bei der Agrarbezirksbehörde teils nichts Neues gebracht habe und, soweit Neues vorliege, dies nicht geeignet sei, eine andere Entscheidung im Vorprozeß herbeizuführen. Mangels Schlüssigkeit müsse daher die Klage zurückgewiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der klagenden Partei - erkennbar, weil nur Ausführungen in bezug auf die Klagszurückweisung erstattet wurden, nur gegen diesen Beschluß (und nicht auch gegen die in die gemeinsame Ausfertigung aufgenommenen Beschlüsse der zweiten Instanz über die Löschung der Klagsanmerkung und die beantragte Verfahrenshilfe) gerichtete - Revisionsrekurses ist nicht, wie das Rekursgericht ausgesprochen hat, gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Die mangels Schlüssigkeit gebotene Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage ist keine Sachentscheidung über das Rechtsmittelklagebegehren, sondern vielmehr deren Verweigerung aus formellen - also im Verfahrensrecht verankerten - Gründen, wenngleich die Prüfung des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes auf seine abstrakte Eignung, eine dem Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, die Abschätzung der Erfolgsaussichten der Klage bei der Vorprüfung in eingeschränktem Rahmen unerläßlich ist. Der Gesetzgeber hat angesichts der Gleichstellung der Schlüssigkeitserfordernisse mit den im § 230 Abs 2 ZPO genannten Prozeßhindernissen und der im Vorprüfungsverfahren vorgesehenen Beschlußform die Entscheidung als eine solche über eine besondere Prozeßvoraussetzung beurteilt wissen wollen (8 Ob 565/92; 6 Ob 581/91ua).

Das Rekursgericht hat - ausgehend von seiner Ansicht, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, - die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes unterlassen. Einer Verbesserung im Wege der Nachholung dieses Ausspruches durch das Gericht zweiter Instanz bedarf es indessen nicht, weil der Streitgegenstand der Wiederaufnahmsklage denknotwendig derselbe ist wie im Vorprozeß. Angesichts der Bewertung im Vorprozeß ist der Revisionsrekurs mit der Maßgabe der im § 528 Abs 1 ZPO vorgesehenen Beschränkung somit zulässig.

Der - ohnehin als außerordentliches Rechtsmittel ausgeführte - Revisionsrekurs ist jedoch mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen unzulässig. Selbst die klagende Partei kann nicht leugnen, daß die in der Wiederaufnahmsklage dargestellte Aussage des Beklagten im Verwaltungsverfahren inhaltlich in allen entscheidungswesentlichen Belangen mit dessen Parteiaussage im Vorprozeß übereinstimmt; Argumente, weshalb die Aussage des Beklagten bei der Agrarbezirksbehörde trotz dieser Übereinstimmung "insgesamt geeignet" sei, eine andere Beweiswürdigung und damit eine der klagende Partei günstigere Entscheidung im Vorprozeß herbeizuführen, lassen deren Rechtsmittelausführungen vermissen. Gewisse Abweichungen in für den Streitausgang unerheblichen Begleitumständen, die sich angesichts des immer größer werdenden zeitlichen Abstandes kaum vermeiden lassen, rechtfertigen keineswegs die Wiederaufnahme aus dem Grunde des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, kann doch die Wiederaufnahmsklage - aus allen gesetzlich anerkannten Gründen - stets nur auf schwerwiegende Fehler bei der Gewinnung der Entscheidungsgrundlage gestützt werden (vgl Fasching, LB2 Rz 2053).

Der Beklagte hat ebenso wie bei der Argrarbezirksbehörde auch schon im Vorprozeß ausgesagt, daß zunächst ein Pacht- und erst dann ein Übergabsvertrag zustande gekommen sei; soweit das Berufungsgericht im Vorprozeß bei Erledigung der Beweisrüge der klagenden Partei aus anderen Beweisergebnissen zu davon abweichenden Schlüssen gelangte, stützte es sich insofern jedenfalls nicht auf die Parteiaussage des Beklagten. Selbst wenn dem Gericht zweiter Instanz im Vorprozeß die von der klagenden Partei behauptete Aktenwidrigkeit - für die die Aktenlage allerdings keinerlei Anhaltspunkte liefert (vgl Fasching aaO Rz 1771) - unterlaufen sein sollte, so kann diese nicht zum Gegenstand einer Wiederaufnahmsklage gemacht werden.

Auf die im Revisionsrekurs geltend gemachte Befangenheit ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil den Rechtsmittelausführungen nicht einmal entnommen werden kann, welcher oder welche Richter abgelehnt werden; selbst eine den mit der Erledigung der Berufung im Vorprozeß befaßten Richtern unterlaufene Aktenwidrigkeiten könnte nur dann auf deren Befangenheit schließen lassen, wenn sie sich dabei von anderen als sachlichen Gesichtspunkten hätten leiten lassen (RZ 1989/110 ua). Derartiges hat die klagende Partei aber nicht einmal behauptet; auch die Aktenlage bietet dafür keinen Anhaltspunkt.

Die klagende Partei zeigt somit weder in der Zulassungsbeschwerde noch in den Rechtsmittelausführungen auf, inwiefern das Gericht zweiter Instanz bei der Schlüssigkeitsprüfung gemäß § 538 Abs 1 ZPO von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei; auch Gründe der Einzelfallgerechtigkeit gebieten es aus den weiter oben angestellten Erwägungen nicht, die Entscheidung des Rekursgerichtes meritorisch nachzuprüfen.

Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen; einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 528 a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten beruht auf § 508 a Abs 2 dritter Satz und § 521 a Abs 2 ZPO.

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