OGH 1Ob62/23h

OGH1Ob62/23h23.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R*, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17–19, wegen 35.958,46 EUR sA, über die Revision derklagenden Partei gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2022, GZ 4 R 156/22x‑45, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 24. August 2022, GZ 31 Cg 7/19v‑41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00062.23H.0523.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.241,55 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist ein Amtshaftungsanspruch des Klägers, den er aus der fehlerhaften Zustellung eines zu seinen Gunsten ergangenen Versäumungsurteils und der diesem zugrunde liegenden Klage ableitet. Durch die rechtswidrig und unvertretbar vorgenommenen Zustellungen seien ihm Kosten entstanden, die sonst unterblieben wären.

[2] Das Erstgericht gab der Klage im Betrag von 14.117,70 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab, weil dem Kläger insofern der Beweis des anspruchsbegründenden Sachverhalts nicht gelungen sei. In seinem stattgebenden Teil erwuchs das Urteil des Erstgerichts in Rechtskraft.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Ausgehend von den darin getroffenen Feststellungen kam es zum Ergebnis, dass die Rechtsrüge des Klägers nicht ordnungsgemäß ausgeführt sei. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese Rechtsansicht unzutreffend sei, und weil es gelte, weitere Amtshaftungsverfahren zu vermeiden, ließ es die Revision über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig, was kurz zu begründen ist:

[5] 1. Der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz betrug 21.330,16 EUR. Das Berufungsgericht hat die Revision ohnedies (nachträglich) zugelassen, sodass die Ausführungen des Klägers zum Wert des Gegenstands, um die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision (dazu § 505 Abs 4 ZPO) zu argumentieren, unerheblich sind.

[6] 2. Die Annahme, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Umstände kannte oder nicht, gewisse Vorstellungen besaß oder nicht und willensmäßig konkrete Zielsetzungen verfolgte oder nicht, gehört in den Bereich der Tatsachenfeststellungen (RS0043601 [T1]; vgl auch RS0043606; RS0043196).

[7] 3. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts fehlen Anhaltspunkte, dass der Zusteller vor dem 24. 12. 2015 Kenntnis davon hatte, dass sich der Beklagte des Anlassverfahrens längere Zeit nicht an der Abgabestelle aufhalten werde, und dennoch die Zustellungen vornahm. Soweit der Kläger auch noch im Revisionsverfahren– zusammengefasst – damit argumentiert, dass der Empfänger (der Beklagte des Anlassverfahrens) dem Zusteller vor diesem Zeitpunkt wiederholt mitgeteilt habe, sich nicht an dieser Adresse aufzuhalten, bekämpft er in Wahrheit die Beweiswürdigung durch die Tatsacheninstanzen. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz. Die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen können im Revisionsverfahren daher nicht angefochten werden (RS0042903 [T5, T10]; RS0043371 [T22, T24]).

[8] Die Schlussfolgerung des Klägers, der Zusteller habe im Verfahren zur Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung eine Falschaussage vorgenommen, woraus er den in dritter Instanz noch strittigen Kosten(mehr)aufwand ableitet, beruht nicht auf der von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltgrundlage. Damit liegt auch in dritter Instanz keine dem Gesetz entsprechende Rechtsrüge vor (vgl RS0043603).

[9] Da von einem Zusteller gegebenenfalls nur das dokumentiert werden kann, was ihm positiv zur Kenntnis gelangt, gehen die Ausführungen des Klägers zur vermeintlichen Verletzung einer Dokumentationspflicht durch diesen ins Leere. Ob und inwieweit eine solche besteht, muss damit nicht näher untersucht werden.

[10] 4. Insgesamt erschöpft sich die Revision des Klägers in einer unzulässigen Beweisrüge und in rechtlichen Ausführungen, die nicht von den festgestellten Tatsachen ausgehen. Damit kann er auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Berufungsgericht aufzeigen, weil dieses den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtete und deshalb die sachliche Behandlung der Rechtsrüge verweigerte (dazu RS0043231). Da sich das Berufungsgericht nachvollziehbar mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts auseinandersetzte, liegt auch insoweit keine Mangelhaftigkeit vor (RS0043150; RS0043371). Worauf der Kläger mit seinem Hinweis, das Berufungsgericht habe sein Urteil (offensichtlich das Zwischenurteil des Berufungsgerichts vom 1. 2. 2022) nicht beachtet, abzielt, ist nicht nachvollziehbar. Mit diesem Urteil wurde die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für den zu diesem Zeitpunkt strittigen Anspruch ausgesprochen. Rückschlüsse auf einen nach diesem Zwischenurteil mit Klageausdehnung geltend gemachten Anspruch, der auch auf einem neuen Tatsachenvorbringen beruhte, lassen sich daraus nicht gewinnen.

[11] 5. Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gegen Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt sind ausnahmslos unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; RS0044228; vgl auch RS0053407). Dies gilt auch für eine in einer Revision enthaltene Anfechtung der Kostenentscheidung (RS0053407 [T7]).

[12] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[13] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 51 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Revision nicht zulässig ist und hat damit Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten für die Revisionsbeantwortung.

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